Der 26. Mai ist im politischen Terminkalender dick markiert. Neben Europaabgeordneten können die Saarländer ihre kommunalen Räte, Rathauschefs sowie Landräte wählen. Damit wird der Tag auch zum Stimmungstest für die Politik im Land.
Es wird ein langer und arbeitsreicher Tag, richtiger gesagt: eine lange Nacht in den saarländischen Wahlbüros. Und in nicht wenigen Städten oder Gemeinden wird es zwei Wochen später wohl noch eine Runde Nachsitzen geben, wenn Stichwahlen fällig werden.
Zwar hört niemand der Beteiligten das Wort von der „kleinen Saarlandwahl" wirklich gerne, aber die sich ballenden Wahlen zu kommunalen Räten, Direktwahlen in zwei Dritteln der Städte und Gemeinden, darunter die Oberbürgermeisterwahlen der beiden größten Städte des Landes, gleichzeitig zwei Landratswahlen und die Wahl des Regionalverbandsdirektors in Saarbrücken werden die politische Farbenlehre im Land bis zur nächsten Landtagswahl im Jahr 2022 neu festlegen.
Landes- wie Kommunalpolitiker neigen dazu, auf die Besonderheit kommunaler Wahlen hinzuweisen. Natürlich haben diese Urnengänge ihre eigenen Gesetze. Erst recht die Direktwahlen. Völlig losgelöst von überlagernden Trends sind sie aber keineswegs. Im Saarland hat ohnehin das Wort von der „Schicksalsgemeinschaft" von Land und Kommunen eine besondere Bedeutung. Hatten doch nicht zuletzt die Kommunen in den letzten Jahren einen erheblichen Anteil an der Sanierung des Landeshaushalts mit gestemmt. Die Große Koalition im Land war auch deshalb gut beraten, sich noch kurz vor Weihnachten auf den Kommunalpakt zu verständigen und dies mit den Spitzenverbänden von Kommunen und Kreisen unter Dach und Fach zu bringen.
Mancher potenzielle Wähler hätte sich ansonsten nicht ganz zu unrecht die Frage stellen können, wozu er kommunale Räte oder eine Verwaltungsspitze wählen sollte, wenn die ohnehin angesichts der Schuldenlast keine Gestaltungsspielräume hätten. Mit dem Saarlandpakt gibt es zumindest ein bisschen Luft zum Atmen. Das Land übernimmt etwa die Hälfte der kommunalen Kassenkredite in Höhe von über zwei Milliarden Euro, also der Kredite, in denen sich die kommunale Misere am deutlichsten ausdrückt. Kassenkredite sollten eigentlich nur zur Überbrückung kurzfristiger Engpässe aufgenommen werden, inzwischen wurden aber längst vielerorts die laufenden Ausgaben damit finanziert.
Ein „echter Kraftakt" sei dieser Kommunalpakt, betonte Ministerpräsident Tobias Hans (CDU). Seine Stellvertreterin, Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) ergänzte, natürlich würden dadurch „nicht alle Probleme gelöst", für die Kommunen sei es dennoch „eine substanzielle Verbesserung".
Direktwahlen mit eigenen Gesetzen
Neben der Teilentschuldung sieht der Saarlandpakt außerdem 50 Millionen Euro jährlich für die Kommunen vor, wovon 30 Millionen in die Tilgung ihrer Restschulden fließen müssen. Ziel ist eine Rückzahlung der Kredite in den nächsten 45 Jahren. Die übrigen 20 Millionen sind für Investitionen vorgesehen. Da aber nicht alle Kommunen gleichermaßen verschuldet sind, einige sogar ohne Kassenkredite klar kommen, sieht der Kompromiss vor, dass auch diese Kommunen einen Anteil von fünf Millionen aus dem Zwanzig-Millionen-Euro-Investitionstopf erhalten, damit nicht der Eindruck entsteht, sie würden für ihre gute Haushaltssituation quasi bestraft.
Allerdings zeigt sich, übrigens ähnlich wie bei den Ländern im Zuge der Maßnahmen für die „Schwarze Null", dass zur Umsetzung der Investitionen teils keine Pläne in der Schublade liegen – die hätten in der Vergangenheit ja auch gar nicht realisiert werden können – oder Personal im Zuge der Sparmaßnahmen abgebaut wurde, das jetzt für die Projekte fehlt. Ein Problem, dem man sich jetzt aber „gerne annehmen" werde, wie die Partner betonen.
Weniger gern wird der ein oder andere vernommen haben, dass damit der Druck auf interkommunale Zusammenarbeit keineswegs geringer wird. Im Gegenteil macht insbesondere Ministerpräsident Tobias Hans Druck, etwa im IT-Bereich. Nach seinen Vorstellungen soll der eGo-Saar als kommunaler Zweckverband zum zentralen IT-Dienstleister mit digitaler Verwaltung werden. Gelingt das nicht auf freiwilliger Basis, schließt er eine Pflichtlösung, gegebenenfalls sogar länderübergreifend, nicht aus.
Die neuen Räte und Verwaltungsspitzen werden sich auch mit den rund 450 vom Innenministerium identifizierten Handlungsfeldern möglicher interkommunaler Zusammenarbeit auseinandersetzen müssen. Dass es die Landesregierung ernst meint mit dem Druck für mehr Kooperation, wird am Beispiel der Unteren Bauaufsicht deutlich. Ziel sei eine Reduzierung auf sechs UBAs, also eine Halbierung. Den Anfang machen die UBAs in Völklingen und St. Ingbert.
Der Vorsitzende des Landkreistages, der St. Wendeler Landrat Udo Recktenwald (CDU), lobte das „kluge und schlüssige Konzept" des Saarlandpaktes, wobei die Kreise selbst zunächst noch mit Spannung auf ein Gutachten warten, das ihre Kosteneffizienz bei der Erledigung von Pflichtaufgaben untersucht. Der Vorsitzende des Städte- und Gemeindetages, Jürgen Fried (SPD), sieht einen „wichtigen Schritt für die Entwicklungsmöglichkeiten. Er selbst wird an der Umsetzung nicht mehr mitarbeiten. Bei der Wahl am 26. Mai tritt er aus Altersgründen nicht mehr bei der Oberbürgermeisterwahl in Neunkirchen an.
Damit ist klar, dass Saarlands zweitgrößter Stadt (knapp 50.000 Einwohner) ein Wechsel an der Spitze bevorsteht. Jörg Aumann, derzeit Bürgermeister in Neunkirchen, will die lange Tradition der SPD-Oberbürgermeister fortsetzen. Die CDU schickt mit Dirk Käsbach einen Überraschungskandidaten ins Rennen. Käsbach ist derzeit Erster Beigeordneter und Kämmerer in Königswinter (Nordrhein-Westfalen). Die übrigen Parteien haben bislang noch keine Kandidaten benannt, haben dazu aber auch noch offiziell bis Ende März Zeit.
Bei der vergangenen Kommunalwahl verteidigte die SPD in Neunkirchen mit 47,8 Prozent klar ihre Position als stärkste politische Kraft, die CDU kam auf 30,2, die Linke auf 10,2 Prozent. Im Rat vertreten sind außerdem Grüne und FDP mit je zwei Sitzen.
Mit besonderer Spannung wird die Oberbürgermeisterwahl in der Landeshauptstadt Saarbrücken erwartet. Charlotte Britz (SPD) tritt zum dritten Mal an. Bei der Wahl 2011 konnte sie sich direkt im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit durchsetzen. Für die CDU geht Uwe Conradt, derzeit Direktor der Landesmedienanstalt, ins Rennen, um die traditionelle SPD-Herrschaft an der Rathausspitze (seit Oskar Lafontaine 1976, lediglich unterbrochen von 2002 bis 2004, bis zur ersten Wahl von Charlotte Britz) zu beenden.
Die Grünen schicken Barbara Meyer-Gluche in den Wahlkampf, was in Teilen der SPD Verstimmung ausgelöst hat, schließlich sitzen die Grünen zusammen mit der SPD und den Linken in einer Koalition. Die FDP hat den parteilosen Gerald Kallenborn aufgestellt, und für ein „Bürger Bündnis Saar" bewirbt sich Mirko Welsch (Ex-AfD). Auch hier gilt, wie landesweit, dass die Fristen noch laufen.
Eine Überraschung dieser Kommunalwahlen ist bereits vielfältig diskutiert worden, nämlich die angekündigte Bewerbung von Sabine Nowaczyk in gleich 33 der 34 Städten und Gemeinden, in denen Direktwahlen anstehen. Frauenpower in die Rathäuser, so ihr ambitionierter Slogan bei einem derzeitigen Verhältnis von vier Frauen zu 48 Männern. Immerhin ist das Verhältnis bei den Oberbürgermeister-Städten mit zwei zu vier etwas ausgewogener. Interessant wird auch, wie sich der Trend zu parteilosen beziehungsweise unabhängigen Rathauschefs entwickelt. Derzeit sind zehn Chefsessel von Einzelbewerbern besetzt, in der Hälfte dieser Kommunen wird neu gewählt. Bei dem Trend der Vergangenheit, wonach Amtsinhaber einen Vorteil haben, sind zudem besonders die Gemeinden spannend, in denen die Amtsinhaber nicht mehr antreten.
Bei den Direktwahlen, wenn es also um Persönlichkeiten vor Ort geht, sind Wähler durchaus für die ein oder andere Überraschung gut gewesen, auch unabhängig von sonstigen Parteipräferenzen. In der Regel gilt auch für die Wahl kommunaler Räte, dass sehr wohl zwischen den verschiedenen politischen Ebenen unterschieden wird. Dennoch wirken sich übergeordnete Trends und Stimmungslagen bis an die Basis aus. Wie Stimmungen wechseln können, haben die beiden vergangenen Jahre eindrucksvoll gezeigt.