Manche Dinge muss man nicht verstehen. Dummerweise neigen wir Menschen aber dazu, irgendwie immer hinter allem irgendeinen Sinn entdecken zu wollen. Die Bahnpolitik scheint indes auf nichts anderes gerichtet, als unserer Suche nach dem Sinn des Großen und Ganzen den Garaus zu machen. Indizien dafür gibt es reichlich. Die Politik in Gestalt des Verkehrsministers, immerhin 100 Prozent Eigentümer der DB AG, lädt zum doppelten Frühstück ein und verkündet hernach: Binnen vier Jahren soll nicht mehr jeder vierte, sondern nur noch jeder fünfte Zug unpünktlich sein. Eine Steigerungsrate wie eine Steilvorlage für Spötter, Zyniker und Sarkasten. Der Schlagzeilenrauch lag noch in der Luft, als die Meldung vom weiteren Rückzug der Bahn aus dem Saarland für mehr als nur Verärgerung sorgte. Das Wort vom Versorgungsauftrag ist offenkundig erst ins Kleingedruckte und dann ins Unleserliche geschrumpft worden. Zwar geht es aktuell nicht um Fahrplankürzungen, aber wohl zu Recht wird der Bahnplan als Symbol des Desinteresses an einer ganzen Region aufgenommen. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit stellt sich bald nicht mehr die Frage, ob ein Zug pünktlich, sondern ob überhaupt noch einer fährt. Ernstzunehmende Kritiker sprechen schon seit Jahren von einer autofreundlichen Bahnpolitik. Wie eine Glosse wirkt es dann, wenn angesichts des Zustands eines einigermaßen umweltfreundlichen Verkehrsträgers jetzt die Tempolimit-Debatte zur CO2-Reduktion reanimiert wird. Zusätzlich verquer wirkt, wenn in einer großen Kommission zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse flächendeckendes schnelles Internet verhandelt wird, gleichzeitig klassische Anbindungen ausgedünnt und abgebaut werden. Was den Spötter wiederum auf den Gedanken bringen könnte: Wozu braucht man unpünktliche oder überhaupt noch Züge, wenn alles im 5-G-Standard von zu Hause aus geht? Für Spott ist die Sache aber zu Ernst für ein Land, das mitten im nächsten Strukturwandel steckt und sich nicht leisten kann und will, statt zum Saar-Valley zum Tal der Unerreichbaren zu werden.
POLITIK
Foto: Hochgeschwindigkeit gewinnt – Region verliert.
Nach Gedacht: Verständnis entgleist
Politik - Kolumne
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