Die Anime-Realadaption des gleichnamigen Kult-Klassikers „Alita: Battle Angel" um das allzu menschliche Robotermädchen auf Rachetrip schwelte 20 Jahre lang in James Camerons Kreativschmiede: Robert Rodriguez hat den Stoff, aus dem Albträume gemacht werden, in ein emotionales 3D-Filmfeuerwerk verwandelt.
Nicht von dieser Welt: Ein schwarzer, zierlicher Engel kracht auf die Erde und landet in einer desolaten und düsteren Dystopie. Die geteilte Welt in Trümmern. Weit oben über den undurchsichtigen Wolken dümpelt die allerletzte Festung der menschlichen Rasse in sicherer Distanz vor all jenen, die sich drei Jahrhunderte nach dem letzten vernichtenden Krieg auf der ehemaligen Erde, oder wie auch immer man diese Antiwelt bezeichnen möchte, zwischen Abfall- und Schrottgebirgen eine Existenz aufzubauen versucht haben. Wer ist diese schwarze Heroine, dieses Maschinenmädel mit der freundlichen Physiognomie und den großen sanften Augen, die nun, nach dem Kollaps sämtlicher irdener Systeme vor einer neuen Existenz steht? Hier, im 26. Jahrhundert, ähnelt der ehemalige Blaue Planet einem Ort, der an jeder Ecke von den Fehlern und Versäumnissen, vor allem von den Niederlagen der unrühmlichen Historie zeugt, aber dennoch golden in der Sonne glimmert. Und hier, mitten in der Metropole Scrapyard, findet der Mechaniker und Wissenschaftler Dr. Dyson Ido (Christoph Waltz) ihre Überreste, genauer gesagt Kopf und Torso des bedauernswerten Cyborg-Geschöpfs, das aus fernen Galaxien und längst vergessenen Zeiten stammt. Der Zuschauer wird gebannter Zeuge einer respektablen Reinkarnation, als Dr. Ido dem humanen Gehirn im Kopf des Hightech-Bodys den Namen Alita (Rosa Salazar) schenkt.
Der Schlüssel zur Rettung
Nur ihre Erinnerung fehlt, was sie umso kostbarer macht und das ansehnliche Alien auf eine furiose Achterbahnfahrt auf der Suche nach der Vergangenheit schickt. Ist die Erinnerung wirklich das einzige Paradies, aus dem sie nie vertrieben werden kann? Mitnichten. Alita begreift allmählich, dass sie als tödliche Waffe entwickelt wurde. Als konsequente Kampfamazone verdingt sie sich als Kopfgeldjägerin und stößt dabei auf Hugo (Keean Johnson), der sie in den futuristischen Sport „Motorball" einführt. Alita avanciert zur postmodernen Gladiatorin, begegnet anderen Cyborgs wie Gelda (Michelle Rodriguez). Die Battles aber sind gefaket, Alita erinnert sich wieder und muss in einem gnadenlosen Fight gegen ihre Erzfeindin Chiren (Jennifer Connelly) in die Arena steigen…
Einen 20-jährigen Fight mit seinem Herzen führte ebenso Regie-Maestro und „Avatar – Aufbruch nach Pandora"-Schöpfer James Cameron. Die aufwendige und authentische Verfilmung des kultigen Science-Fiction-Animes „Battle Angel Alita" ist seit Urzeiten sein sehnlichstes Herzensprojekt. Die erste Begegnung der dritten Abart mit Alita geht auf ein Treffen mit Regiefreund und Kreativ-Inszenator Guillermo del Toro („Shape of Water – Das Flüstern des Wassers") zurück. Ende der 90er-Jahre hockten beide vor dem Fernsehschirm und legten eine rappelnde VHS ein. Es war die 2D-Adaption des 1993 erschienenen Mangas „Gunnm" von Yukito Kishiro. Cameron war gebannt von der bionischen Kampfmaschine wie ein US-GI einst von Marylin Monroe, bat Guillermo del Toro um Erlaubnis, an einer cineastischen Adaption zu werkeln. Es folgten 20 lähmende Jahre, in denen Cameron das Projekt zugunsten anderer Erfolgsproduktionen, beispielsweise „Titanic", auf Eis legte.
Eine wilde Jagd auf Alita
Mit „Avatar" revolutionierte er 2009 sämtliche Sehgewohnheiten des Publikums und die innovativen Mächte des CGI-generierten Films. Das beanspruchte viel Zeit. Zu viel Zeit. Also überließ er seinem Kollegen Robert Rodriguez das Projekt. Der legte ein romantisch angehauchtes „Romeo und Julia"-Skript von 2004 vor, das James Cameron von allen anderen Ideen am ehesten zusagte. Das Drehbuch zu „Alita: Battle Angel" war geboren und kam dem Identifikationswert der Protagonistin sympathisch nah. Und zwar so, dass Christoph Waltz unlängst auf einer Pressekonferenz emphatisch erklärte: „Was ist eigentlich menschlich? Und warum reißen wir so viele unnütze Gräben zwischen uns auf? Das sind die wesentlichen Fragen, die dieser wunderbare Film zu beantworten sucht." Und zwar ethisch wie eindrucksvoll. Und vor allem derart beeindruckend und bombastisch, dass dieser visionäre Popcornkracher speziell für Imax-Theater formatiert wurde, mit mehr als 40 Minuten des Films, einschließlich der Anfangs- und Endsequenzen, die ausschließlich in Imax-Kinos mit bis zu 26 Prozent mehr Bildinhalt projiziert werden. Bleibt zu hoffen, dass dieses famose Filmhighlight auch die seit Jahren schwächelnde Imax-Industrie wieder kräftig auftunen wird. Diese Technik, vor allem aber auch das Publikum, hätten es verdient. Denn solche Bild- und Tongewalten sollten niemandem verwehrt bleiben.