Überhöhte Mieten in den Städten, verarmte Kommunen: Ulrich Maly, Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg und Vizepräsident des Deutschen Städtetages, fordert finanzielle Lösungen direkt vom Bund.
Herr Maly, die Armen werden ärmer, die Reichen dagegen reicher. Trifft dies auch auf unsere Kommunen zu?
Ich würde nicht unbedingt sagen, dass die ärmeren Kommunen auch ärmer werden. Aber die reicheren Kommunen werden schneller reich. Insofern geht die Schere tatsächlich auseinander. Man muss sich nur typische Ruhrgebietsstädte wie Duisburg anschauen. Aber auch andere nordrhein-westfälische Städte, rheinland-pfälzische Städte, Bremen und Bremerhaven und eben auch saarländische Städte gehören zu den ärmeren. Durch den Strukturwandel sind alle diese Städte über die Jahrzehnte deutlich ärmer geworden. München ist dagegen die reichste Stadt überhaupt. Dann kommen Frankfurt, Köln und Hamburg. Und hier geht es schon weiter auseinander. Die haben natürlich auch Probleme mit dem Zuzug – in München kostet ein Quadratmeter zwischen 15 und 18 Euro Miete, was undenkbar wäre außerhalb Oberbayerns – auf der anderen Seite haben sie natürlich deutlich mehr Möglichkeiten.
Was kann dagegen helfen?
Der Reichtum der Städte beziehungsweise die Armut der Städte korreliert immer mit dem Reichtum der jeweiligen Bundesländer. Da muss auch eigentlich der Länderfinanzausgleich dafür sorgen, dass die Länder genügend Geld haben, um ihre Kommunen zu unterstützen. Das liegt daran, dass der Bund uns eigentlich direkt kein Geld geben darf. Deswegen müsste es immer über die Länder gehen.
Wie Sie bereits erwähnt haben, gehört Saarbrücken zu den ärmeren Städten. Was kann man Ihrer Meinung nach dagegen tun?
Da müssen Sie meine Kollegin Frau Britz fragen, ich mische mich in ihre Fragen nicht ein. Ich bewundere es: Saarbrücken gehört nicht zu den reichen Städten, aber durchaus zu denen, die mehr Spielräume haben. Und wenn man sich Saarbrücken anguckt, dann ist es trotz der großen Schwierigkeiten eigentlich immer gelungen, das aufrechtzuerhalten, was Stadt ausmacht. Welche Faktoren sind das? Natürlich die soziale Infrastruktur – wer in der Stadt wohnt, braucht Schulen, Kindergärten, Altenheime. Auch die Sport-Infrastruktur – Stichwort Investition in ein Stadion, Breitensport und Spitzensport. Aber dann eben auch vor allem ein reiches Kulturangebot und eine schöne Kneipenszene. Also all das, was man heutzutage als Urbanität bezeichnet. Es gibt aber auch Städte, denen man die Armut deutlich stärker ansieht als Saarbrücken.
Und was geschieht dort?
Die schließen tatsächlich die Bäder, schließen zum Teil ihre Schauspielhäuser und Theater, reparieren die Straßen zum Teil überhaupt nicht mehr oder können keine Fußgängerzonen mehr einrichten. Sie können genau das, was die Menschen an der Lebensqualität in der Stadt genießen, dann nicht mehr bereitstellen. Und in dem Maße, wie das passiert, verlieren sie im Wettbewerb der Kommunen.
Ein sehr düsterer Ausblick.
Ja, es gibt diese Städte, und denen muss man auch helfen. Es gibt im Moment eine sehr intensive Diskussion, dass den Städten, die sehr hole Altschulden haben – von denen sie aus eigener Kraft nie runterkommen – auch der Bund helfen muss, damit sie sich endlich mal entschulden und dann von sich aus die Kraft aufbringen. Es ist nämlich für den Bürgermeister oder den Oberbürgermeister ein belastendes Gefühl, wenn er immer von einem fremden Geldbeutel abhängt und es nicht aus eigener Kraft schaffen kann. Wie die Diskussion ausgehen wird, wissen wir nicht. Aber der Bund weiß und auch die Länder wissen, dass sie den hochverschuldeten Städten helfen müssen.
Sie haben eben die Altlasten angesprochen. Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte" – in dem auch Saarbrücken Mitglied ist – fordert unter anderem einen Rettungsschirm zum Abbau der größten, weitgehend von Bund und Ländern verursachten kommunalen Altschulden. Warum dieses Bündnis?
In der Kommunalpolitik ist es eigentlich wie überall: Klappern gehört zum Handwerk. Und wenn es dir schlecht geht und es keiner merkt, geht es dir ganz lange schlecht. Wenn es dir allerdings schlecht geht, du laut bist und es sagst, hast du die Menschen deiner Stadt hinter dir. Diese Menschen erwarten allerdings auch Lösungen. Wenn Bürger beispielsweise ein Problem haben, dann richten sie sich nicht an Berlin, sondern sie gehen ins Rathaus. Das Rathaus muss alle diese Probleme lösen. Wenn das Rathaus allerdings nicht alle Probleme lösen kann, entsteht ganz schnell Politikverdrossenheit. Und das ist eine Enttäuschung. Insofern ist es schon eine Frage der Qualität der deutschen Demokratie, ob wir in der Lage sind, tatsächlich Problemlösungen anzubieten.