Das duale Studium in Deutschland ist beliebt. Das beweisen auch die besten saarländischen Azubis Lukas Göbel und Matthias Winter. Sie wurden in Berlin für ihre Leistungen ausgezeichnet.
Als Lukas Göbel das Schreiben der Industrie- und Handelskammer (IHK) öffnete, war sein erster Gedanke „Da hat sich wohl jemand vertan". Er? Bester Azubi des Saarlandes? Sogar Deutschlands? Nicht zu glauben. Aber drei Tage später kam ein zweiter Brief mit weiteren Details, wo und wann gefeiert werden sollte. Es stimmte also tatsächlich. Noch in der Grundschule war Lukas ein eher mäßiger Schüler und bekam wegen seiner bescheidenen Mathekenntnisse nur eine Hauptschulempfehlung. Später, in der Realschule und beim Fachabitur, lief es dann besser, da war er ein durchschnittlicher bis guter Schüler. Warum er sich vor dreieinhalb Jahren für diesen Beruf entschieden hat? Lukas Göbel war seit Längerem klar, dass er mit Computern arbeiten wollte. Nach der Schule bewarb er sich für den Ausbildungsberuf Fachinformatiker für Systemintegration. Nach mehreren Bewerbungsgesprächen, etwa bei der Telekom, war die Resonanz gut: „Sie haben sich zwar als Informatiker beworben, würden aber auch gut zum Berufsbild IT-Systemkaufmann passen", hieß es. Die Telekom hatte dann das attraktivste Angebot. Nach kurzer Überlegung sagte Lukas zu, unterstützt von seinen Eltern.
Mit dieser Entscheidung traf Lukas den absoluten Ausbildungstrend, denn die meisten der 6.843 saarländischen Azubis aus dem Jahr 2018 entscheiden sich für Ausbildungen im IT-Bereich. Das bestätigt auch Peter Nagel, zuständig für Aus- und Weiterbildung bei der IHK Saarland. „Besonders beliebt sind Berufe, in denen die Digitalisierung im Vordergrund steht", so der Bildungsexperte. Um der Nachfrage gerecht zu werden und weitere Weichen für die Zukunft zu stellen wurde ein neuer Ausbildungsberuf entwickelt. „Eine Ausbildung zum Kaufmann im E-Commerce", sagt Nagel. Im vergangen Jahr startete der neue Berufszweig erstmals.
IT-Ausbildung sehr beliebt unter Azubis
Seine Ausbildung absolvierte Lukas Göbel bei der Telekom in Saarbrücken. „Die Ausbildung war perfekt. Ich konnte mich persönlich weiterentwickeln und vieles lernen." Innerhalb der Telekom arbeitete er im Vertrieb, auch in Bereichen, in denen er weniger Erfahrung hatte. Vorher war Lukas hauptsächlich mit Computern und der Administration von IT-Systemen in Berührung gekommen. Im Vertrieb aber sind andere Schlüsselkompetenzen gefragt, hauptsächlich die persönliche Betreuung von Geschäftskunden. Beratung und Vertrieb, lernte er, machen ihm besonderen Spaß.
Nun hängt Göbel ein dreijähriges duales Studium in Wirtschaftsinformatik an. Allerdings nicht mehr bei der Telekom, dort wäre dies nur über Umwege möglich gewesen. Dafür aber eine Arbeitsstelle in der Abteilung seines Ausbildungsbetriebes, und das hätte ihm durchaus gefallen. Als er sich auf dem Arbeitsmarkt umschaute, erkannte er als Vorteil eines dualen Studiums, dass er gleichzeitig arbeiten und Geld verdienen konnte. Da bei vielen Jobs in der IT-Branche ein Studium vorausgesetzt wird, entschied Lukas sich schließlich dafür.
Eine Tendenz, die nach den Angaben der IHK Saarland immer stärker wird. „Aufgrund der Zunahme der Studierenden ist die Anzahl der Ausbildungsverhältnisse seit Jahren rückläufig", bedauert Nagel. Nachwuchsmangel gibt es insbesondere in der Gastronomie und im Handel, aber auch in der Baubranche. „In diesen Bereichen gibt es mehr offene Stellen als Nachfragen", sagt Nagel. Hinzu kommt noch die Quote der vorzeitlichen Beendigungen. Zirka zehn Prozent aller Azubis werfen ihre Ausbildung hin. Zwar sei die Quote in den vergangenen zehn Jahren relativ konstant geblieben, dennoch haben manche Branchen damit zu kämpfen. „Zum Beispiel die Gastronomie", erzählt Nagel, „hier ist die Abbruchquote besonders hoch."
Lukas Göbel betrifft dies allerdings nicht. Schließlich sorgte er schon mit seiner Ausbildung für die Zukunft vor – für seine Rente allerdings noch nicht. Als er dank seiner Ausbildung ein regelmäßiges Gehalt bezog, ließ Göbel sich zunächst bei seiner Bank allgemein über Sparoptionen beraten. Derzeit setzt er eher auf das Sparen allgemein, weniger auf eine gezielte und geplante Rentenvorsorge.
50 Prozent der IHK-Prüfung stützen sich auf ein Praxisprojekt, das im Betrieb durchgeführt und vor der IHK präsentiert wird. „Das hat mich gerettet. Nicht, dass meine schriftliche Prüfung schlecht gewesen wäre, aber der Praxisteil war bei mir eben sehr gut."
Entspannung findet Lukas Göbel vor allem in der Geschwindigkeit – beim Auto- und Kartfahren, beim Lesen von Fantasy-Büchern und beim Feiern mit Freunden. Und natürlich Informatik: Seinen Rechner hat Lukas selbst zusammengebaut.
Das duale Studium ist aber auch in anderen Berufszweigen begehrt. Total überrascht war Matthias Winter, der zweite beste Azubi des Landes, als er ebenfalls ein Schreiben der IHK bekam. „Ich kam gerade mit meiner Freundin die Türe rein und war natürlich sehr erfreut. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet." Winter durfte also auch auf Kosten der IHK nach Berlin zur Ehrung fahren. Barbara Schöneberger moderierte und rief jeden einzeln auf die Bühne – den 22-jährigen Matthias Winter entsprechend als Deutschlands besten Werkstoffprüfer in der Fachrichtung Metalltechnik.
An seiner früheren Schule, dem Albert-Einstein-Gymnasium in Völklingen, hatte Winter in der 12. Klasse an einem Seminar zur Berufsberatung teilgenommen, in dem mehrere Berufe, Ausbildungsmöglichkeiten und Studiengänge vorgestellt wurden. Ergänzend dazu informierte er sich im Internet über mögliche Berufswege, über viele Unternehmen und entdeckte so sein zukünftiges Metier: Sein technisches Interesse und der Wunsch, später in der Automobilindustrie tätig zu sein, erleichterten ihm die Entscheidung.
Theorie mit Praxis verbinden
Seine Ausbildung zum Werkstoffprüfer in Metalltechnik absolvierte er bei der ZF Friedrichshafen AG am Standort Saarbrücken, nachdem er mehrere Unternehmen in die engere Auswahl genommen hatte. Die eigentlich auf dreieinhalb Jahre angelegte Ausbildung konnte er auf drei Jahre verkürzen. Auch, um danach ein duales Studium anzugehen, das er jetzt ebenfalls bei ZF absolviert. Der Beruf sei sehr vielseitig, berichtet Winter, und anspruchsvoll; schließlich handelt es sich um die Qualitätsprüfung von Bauteilen für Automatikgetriebe.
Während der Schulzeit war Matthias Winter vor allem in naturwissenschaftlichen Fächern und in Sport gut, Gesellschaftsfächer waren dagegen eher „nicht so sein Ding". Entsprechend wohl fühlt er sich auch in seiner Freizeit auf dem Mountainbike und im Fitnessstudio – auch Fußball hat er lange selbst gespielt, ist Fan von Borussia Mönchengladbach und liebt das Reisen. Winter sieht die duale Ausbildung als guten Weg, ins Berufsleben einzusteigen und vorab erste Berufserfahrungen zu sammeln, die später von großem Wert sind. Zudem werde im dualen Ausbildungskonzept Wert darauf gelegt, das in der Berufsschule vermittelte theoretische Wissen auch in der Praxis, sprich im Betrieb, umzusetzen. „In dieser Ausbildung war ich wunschlos glücklich. Wenn etwas nicht passte, wurde es direkt vom Berufslehrer oder Vorgesetzten geklärt. Es gab eigentlich nie Probleme."
Probleme hat dagegen die deutsche Berufsausbildung – sie wird oftmals als nicht gleichwertig zum Studium angesehen, was den Handwerkermangel in Deutschland verschlimmern könnte. Im Wintersemester 2018/2019 waren an deutschen Unis 2,87 Millionen Studierende eingeschrieben. Rund 520.000 Jugendliche haben sich dagegen für eine Ausbildung entschieden. Das neue Berufsbildungsgesetz soll dieses Ungleichgewicht zugunsten der Ausbildung ändern.
Anmerkung der Redaktion: Die Deutsche Industrie- und Handelskammer hat nicht nur Matthias Winter und Lukas Göbel, sondern auch Julian Theobald von Arvato in Eiweiler als besten saarländischen Azubi ausgezeichnet. Theobald hatte sich allerdings trotz Anfragen unserer Autoren bis Redaktionsschluss noch nicht zu einem Interview bereit erklärt.