Die Berliner Eishockey-Spieler legten einen famosen Hauptrundenabschluss hin und gingen mit viel Selbstvertrauen in die Pre-Play-offs gegen die Straubing Tigers. Ein Neuzugang trägt zum Aufschwung viel bei.
Der neue Hoffnungsträger der Eisbären Berlin beschreibt sich selbst eher als Fuchs. „Ich bin klein, dafür aber schlau und torgefährlich", sagt Austin Ortega. Der nur 1,73 Meter große Flügelstürmer ist beim Rekordmeister der Deutschen Eishockey Liga (DEL) auf Anhieb groß eingeschlagen. Mit seiner Verpflichtung Mitte Februar ging ein Ruck durch den Club, die tiefe Krise ist überwunden. Nach dem perfekten Sechs-Punkte-Wochenende mit Siegen gegen die Kölner Haie (5:4) und die Düsseldorfer EG (2:0) blicken die Eisbären wieder voller Vorfreude auf die Pre-Play-offs. Als Neunter der Hauptrunde treffen sie in der ersten K.-o.-Runde ab dem 6. März auf die Straubing Tigers. Angesichts der letzten Auftritte ging Berlin als Favorit in das Duell. „Wir müssen den Schwung in die Pre-Play-offs mitnehmen", forderte Trainer Stéphane Richer nach dem vierten Sieg in Folge. Auch Torhüter Kevin Poulin sagte selbstbewusst: „Wir haben einen Lauf, und dass wir zuletzt gegen Straubing verloren haben, spielt keine wirkliche Rolle."
Tiefe Krise ist überwunden
Neuzugang Ortega spielt dagegen eine ganz gewichtige Rolle beim Aufschwung des Vizemeisters. In seinen ersten fünf Spielen gelangen dem US-Amerikaner neun Scorerpunkte (zwei Tore, sieben Vorlagen), aufgrund seiner Schnelligkeit und seiner technischen Raffinesse ist Ortega ein ständiger Unruheherd für die gegnerischen Abwehrreihen. Und die verunsicherten Berliner Profis richteten sich am unbekümmerten Mann aus Kalifornien aus. An der Seite von Ortega blüht zum Beispiel Louis-Marc Aubry wieder auf. Der Stürmer schlug gegen die DEG zweimal zu und hat rechtzeitig zur heißen Saisonphase seinen Torriecher wiedergefunden.
Die Konsequenz: Die Eisbären stoppten ihre Talfahrt und waren wieder ein ernsthafter Kandidat mindestens fürs Halbfinale. Aufgrund der lange Zeit schwachen Hauptrunde verzichteten die Spieler aber auf Kampfansagen in Richtung der großen Konkurrenz aus München oder Mannheim. „Wir konzentrieren uns weiter von Spiel zu Spiel, von Wechsel zu Wechsel", sagt Verteidiger Florian Kettemer. Ortega geht ohnehin unvorbelastet in die Spiele. Der neue Mann hat die vielen Nackenschläge der Berliner nicht miterlebt, vielleicht bezeichnete er den Klub auch deshalb nach seiner Ankunft als „eine der besten Organisationen in Europa". Seine Unbekümmertheit ist derzeit sein größter Trumpf – neben seiner spielerischen Klasse. Man habe auf Anhieb sehen können, „dass er gute Augen und gute Hände hat", sagte Stéphane Richer, Trainer und Sportdirektor der Eisbären: „Und er weiß auch, wo das Tor steht."
Ortega ist ein Instinktspieler. Jemand, der von seiner Intuition und seiner Handlungsschnelligkeit profitiert. Aufgrund seiner relativ geringen Körpergröße musste sich der 24-Jährige Zeit seiner Karriere gegen robustere Gegenspieler durchsetzen. Und das ging nur, wenn er im Kopf und auf den Beinen schneller war. Für Richer ist das sogar ein Vorteil: „Auch in der NHL setzt man mehr auf kleine, schnelle Leute, die Fähigkeiten haben."
Dass Ortega ein guter Eishockeyspieler ist, bewies er schon vor seinem Engagement in Berlin. Zuerst vier Jahre im College-Eishockey für die University of Nebraska Omaha, dann bei seiner ersten Profi-Station, den Utah Grizzlies beziehungsweise den San Diego Gulls. Sein Traum vom Sprung in die NHL erfüllte sich aber nicht, trotz beeindruckender Statistiken. Vielleicht war seine Körpergröße den NHL-Machern dann doch ein zu großes Risiko. Also wechselte der wendige Angreifer nach Schweden zum Top-Club Växjö Lakers.
Es dauerte eine Zeit, bis sich der Amerikaner an die in Europa größere Eisfläche gewöhnte. Doch immerhin gelangen ihm in 31 Spielen drei Tore und zwölf Assists. Als sich Thomas Oppenheimer bei den Eisbären verletzte, schlugen diese bei Ortega zu und liehen ihn bis zum Saisonende aus. Bislang erwies sich der Transfer als Glücksgriff, auch wenn er in der Kabine noch kein Führungsspieler sein kann. „Thomas Oppenheimer ist natürlich nicht zu ersetzen, aber Austin Ortega wird eine Verstärkung für uns sein", war sich Geschäftsführer Peter John Lee bereits bei der Verpflichtung sicher.
Ortega ist froh, den Schritt nach Deutschland gemacht zu haben. „Das deutsche Eishockey ähnelt eher dem nordamerikanischen Stil als das defensiv geprägte Spiel der Schweden. Das liegt mir mehr", sagt er. Außerdem würden ihm die vielen Nordamerikaner im Team das Einleben leichter machen. Die Hauptstadt übe auch einen großen Reiz auf ihn aus, auch wenn er zunächst etwas erschlagen war: „Die Stadt erscheint mir sehr groß. Ich werde sie nach und nach erkunden."
Gute Mischung in der vorderen Reihe
Wichtiger ist jedoch, dass die Verbindung in seiner Sturmreihe passt. Und hier hat Ortega mit Aubry und dem körperlich kaum größeren Brendan Ranford eine gute Mischung gefunden. „Wir haben von Anfang an gut funktioniert, und wir werden uns noch besser aneinander gewöhnen", verspricht Ortega.
Generell schwärmt er auffällig häufig vom Eisbären-Kader, vielleicht ist das auch seiner amerikanischen Art geschuldet. Er habe „großartige Mitspieler" vorgefunden, versicherte er, „jeder Spieler kann hier ein Spiel entscheiden." Wenn dem so wäre, würde man jedoch nicht so viele Hoffnungen in den Neuzugang aus Kalifornien setzen.
Er selbst lässt den Druck nicht zu nahe an sich heran. „Ich versuche einfach, da draußen mein Spiel zu spielen und so hart zu arbeiten, wie ich kann", sagt Ortega. Dass er mit der Erwartungshaltung gut zurechtkommt, zeigte auch seine Leistung beim 5:2-Sieg bei den Iserlohn Roosters, als er nach überstandener Erkältung zurück aufs Eis durfte und mit zwei Vorlagen sofort wieder glänzte. Anpassungsprobleme hat er keine, mit seiner lockeren Art kommt der Amerikaner mit spanischen und mexikanischen Wurzeln auch bei seinen Mitspielern gut an.
Außerdem wird Ortegas Spielweise von den Fans geliebt. In Sachen Zuschauerresonanz haben die Eisbären aber die geringsten Probleme. Zum Hauptrundenabschluss gegen Düsseldorf strömten wieder 14.200 Besucher in die ausverkaufte Arena am Ostbahnhof. Mit einem Schnitt von 12.025 Zuschauern pro Heimspiel ist Berlin nach wie vor Liga-Krösus. Doch viele der Fans sind nach Heimspielen in dieser Saison oft enttäuscht nach Hause gegangen – den Frust bekam meistens Richer zu spüren. Auch bei den letzten Heimsiegen gab es immer wieder Pfiffe gegen den Trainer und Sportdirektor, den Teile der Fans offenbar als Hauptschuldigen ausgemacht haben. Ob Richer über die Saison hinaus in Berlin eine Zukunft hat, werden die Spiele gegen Straubing zeigen. Präsentiert sich der DEL-Rekordchampion so wie in den letzten Hauptrundenspielen, ist der Mannschaft noch einiges zuzutrauen.