Fußball-Profis verdienen heutzutage unglaublich viel Geld. Sie geben es für Dinge aus, die viele normale Bürger als unangebracht finden, und posten das stolz in den sozialen Netzwerken. Gehört sich das nicht? Oder sind die Fans da zu empfindlich? Oder einfach neidisch?
Schon vor seiner unglaublichen Schimpftirade hatte Franck Ribéry sich mindestens unsensibel verhalten. Stolz postete der französische Star des FC Bayern in den sozialen Netzwerken, wie er in Dubai ein mit Blattgold umhülltes Steak serviert bekam und es mit einer schnöselig-feinen Geste mit Salz bestäubte. Der Shitstorm begann sofort. Das Problem bei der ganzen Sache: Jeder regte sich über was anderes auf.
Die einen darüber, dass Ribéry überhaupt ein solches Steak isst. Die anderen darüber, dass er sich so dekadent verhielt. Auch stellten sich einige zunächst verurteilte Dinge im Nachhinein als falsch raus. 1.200 Euro soll das Steak gekostet haben, hieß es zunächst. Später war von 1.200 arabischen Dirham die Rede, das wären dann „nur" etwa 280 Euro. Dann stellte der Verein klar, dass Ribéry das Steak gar nicht selbst gezahlt hatte, sondern eingeladen wurde. Was gleich wieder die Fragen nach sich zog: Kann ein Spieler mit einem achtstelligen Jahresgehalt nicht wenigstens sein Steak selbst bezahlen? Oder hat er es nötig, sich für eine Werbemaßnahme einspannen zu lassen?
In jedem Fall äußerten sich zu diesem Fall im Endeffekt mehr Personen des öffentlichen Lebens als zu manch wirklich relevantem Fall. Der Rapper und Schauspieler Eko Fresh twitterte: „Ich gönne Ribéry sein goldenes Steak – denn er hat es sich ehrlich verdient!" Fußball-Weltmeister Lukas Podolski sagte: „Ob das Geld in Gold ist, in Silber oder Bronze ist mir scheißegal. In Deutschland ist es so: Wenn ich einen Döner esse, ist der Lukas Podolski ein geiler Typ. Wenn derselbe Typ am nächsten Tag ein goldenes Steak weghaut, heißt es, was ist das denn für ein Arschloch."
Andere innerhalb und außerhalb der Szene kritisierten die Aktion. Auf die Frage, was er zu Ribéry gesagt hätte, antwortete Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic der „Allgemeinen Zeitung Mainz": „Ich hätte wahrscheinlich gesagt: ‚Was bist du denn für ein Vollidiot?‘" Bayerns Mannschaftskoch Alfons Schuhbeck meinte in der „Bild", Gold im Essen habe „nichts mit kulinarischem Mehrwert oder gutem Geschmack zu tun. Sondern nur mit schillernden Vorlieben der Bling-Bling-Gesellschaft." Und sogar Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble äußerte sich, als er der „Funke"-Mediengruppe sagte: „Auch Fußballer sollten mehr darauf achten, welche Wirkung ihr Verhalten in der Öffentlichkeit hat."
„Was ist das für ein Arschloch"
Und das ist der Kern des Ganzen: Ribéry hat offenbar gar nicht verstanden, dass sich überhaupt jemand an seinem Protz stoßen konnte, und teilte dann auch noch in übelster Manier aus. „Beginnen wir mit den Neidischen, den Wütenden, die sicherlich durch ein kaputtes Kondom entstanden sind: Fickt eure Mütter, eure Großmütter und euren Familienstammbaum", schrieb er. „Ich schulde euch nichts, meinen Erfolg habe ich vor allem Gott zu verdanken, mir und meinen Nächsten, die an mich geglaubt haben. Ihr seid nicht mehr als Steine in meinem Schuh." Spätestens damit war Ribéry der große Verlierer der Geschichte. Denn selbst Fans, die einem ein goldenes Steak gönnen, mögen eines nicht: Wenn man sich so ausdrücklich über sie stellt, sich für etwas Besseres hält und nicht zumindest versteht, dass sie ganz andere Sorgen haben, und vergisst, dass sie es sind, die teilweise mit vom Mund abgesparten Geld für Eintrittskarten, Fanartikel oder Pay-TV-Abos den Protz bezahlen.
Da stehen sie eher auf Typen wie den Wehener Drittliga-Profi Alf Mintzel, der sagte: „Selbst, wenn ich 500 Millionen Euro hätte, würde ich mir keinen Ferrari kaufen, wo ich nicht mal einen Kasten Bier reinkriege." Mintzel fährt einen Skoda Kombi. So geerdet sind wenige im Profi-Fußball – und das ist nur bedingt von der wirklichen Höhe ihres Gehalts abhängig. Wobei mit mehreren Millionen auf dem Konto natürlich das Risiko abzuheben steigt. Dass man selbst nach dem Kauf einer Nobelvilla und einer Jacht nicht mehr weiß, wohin mit der Kohle. Der frühere Dortmunder Pierre-Emerick Aubameyang hat laut Medienberichten einen Ferrari in der Garage stehen, einen Lamborghini und einen Porsche. Die beiden Letzteren soll er mit Goldfolie überzogen haben.
Viele sagen: Wenn jemand viel Geld verdient und schnelle Autos mag, soll er sie sich kaufen. Nur rumprotzen muss er damit nicht. Doch warum kaufe ich mir ein Auto für 300.000 Euro, wenn ich es nicht zeige? Also kann man auf Instagram sehr gut verfolgen, wer sich wieder den neusten Sportwagen geleistet hat.
Doch das große Geld verdienen nicht nur die absoluten Superstars. Emre Mor galt als großes Versprechen im internationalen Fußball, scheiterte dann in Dortmund und später in Spanien bei Celta Vigo. Er postete aber mit erst 21 ein Foto, auf dem er im protzigen Sessel mit seinem Namen am Pool sitzt. Dass sich daran wer stoßen könnte, hatte er offenbar nicht auf dem Schirm. Die Instagram-Kommentare fielen dermaßen übel aus, dass er die Kommentar-Funktion löschte.
Doch wo fängt die Dekadenz an? Nach der Dortmunder 0:3-Niederlage im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League entstand eine öffentliche Diskussion, weil einige Spieler einen Friseur ins Hotel kommen ließen. Recht haben sicher diejenigen, die behaupten, dass dies im Falle eines besseren Ergebnisses niemals thematisiert worden wäre. Und wahr ist: Für echte Superstars ist der Gang auf die Straße oft purer Stress, überall werden sie angesprochen, müssen Selfies machen. Doch wer ist so prominent, dass es ihm nicht zuzumuten ist, in einen normalen Friseurladen zu gehen? Friseure nach Hause kommen lassen auch viele Normalos. Und wieso darf man sich nicht am Tag vorm Spiel frisieren lassen? Muss man da zur Vorbereitung den ganzen Tag im Hotelzimmer sitzen und sich mental vorbereiten?
„Am Friseur lag es sicher nicht"
„Ich möchte nicht wissen, was bei anderen am Tag vor dem Spiel los ist", sagte Rekordnationalspieler Lothar Matthäus recht unaufgeregt. „Am Friseur lag es sicher nicht. Aber sie haben Angriffsfläche geboten." Komplett anders sah das sein 90er-Mitweltmeister Thomas Berthold. Der fragte in seiner „Kicker"-Kolumne: „Geht‘s noch? Wo ist das Durchgreifen der Bosse – zum Beispiel mit einer Suspendierung und einer sehr hohen Geldstrafe?" Ein Ex-Profi fordert die Entlassung von Profis, weil sie am Tag vor dem Spiel einen Friseur kommen ließen? Da wird mancher Betroffene fragen: Geht’s noch?
„Der Friseurbesuch steht stellvertretend für eine gefährliche Entwicklung", schrieb Berthold. „Es muss immer was los sein, es muss immer mehr sein. Das Aussehen und das Handy sind wichtiger als der Beruf. In der Summe tragen abgehobene Aktionen wie diese dazu bei, dass sich die Profis immer weiter von der Basis und den Fans entfernen."
Auch Trainer-Routinier Friedhelm Funkel kritisierte die Aktion. „Das ist doch Wahnsinn, einfach nur Wahnsinn", sagte der 65 Jahre alte Trainer von Fortuna Düsseldorf. Vor allem hätten die Spieler „doch so viel Zeit für einen Friseurbesuch", meinte Funkel. „Das kann man zu jeder anderen Zeit erledigen." Bei Fortuna Düsseldorf, versicherte Funkel, „passiert so was nicht. Denn wir haben bodenständige Spieler."
Das wiederum brachte Michael Zorc auf die Palme. „Ich kenne Friedhelm schon sehr lange und mag ihn sehr", sagte der Dortmunder Manager. „Trotzdem würde ich empfehlen, sich über die eigenen Spieler Gedanken zu machen und sich über die eigenen Spieler öffentlich zu äußern – und nicht über unsere. Zumal wir pikanterweise die Info haben, dass am letzten Samstag im Düsseldorfer Teamhotel das Gleiche passiert ist. Dieser Umstand hat bei unseren Spielern zu einem leichten Lächeln und auch zu Kopfschütteln geführt."
Doch geht ein Fan wirklich nicht mehr zum Fußball, weil sich die Millionäre am Tag vor dem Spiel einen Friseur ins Hotel kommen lassen? Oder ist das Thema völlig überbewertet? „Vollblödsinn", nennt auf jeden Fall Freiburgs Trainer Christian Streich, bekannterweise ein sehr bodenständiger Mensch, die Diskussion. „Die Konzentration ist nicht gestört, wenn mir jemand die Haare schneidet. Ganz im Gegenteil: Die freuen sich, wenn sie beim Friseur waren und eine gute Frisur haben. Und dann freuen sie sich, dass sie gut aussehen." Das könne die Motivation sogar steigern.
Doch wenn sie sich schon in der Szene selbst nicht einig sind, was sich gehört und was „drüber" ist, was soll der Fan da sagen? Klar ist: Der Fan letztlich entscheidet, was er zu viel findet und wann es ihm reicht. Deshalb würde so manchem Mittzwanziger trotz Millionen auf dem Konto etwas Zurückhaltung und Sensibilität nicht schaden.