Felix Kroos spielt bei Union Berlin nicht nur um den Aufstieg in die Bundesliga, sondern auch um einen neuen Vertrag. Seine Leistungen stimmen, trotzdem lässt der Verein sich Zeit.
Zum Geburtstag kam es mal nicht zur brüderlichen Fopperei im Internet. Weltmeister Toni Kroos gratulierte seinem jüngeren Bruder Felix persönlich zum 28. Geburtstag am 12. März, einen schnippischen Gruß via Twitter verkniff sich der Weltmeister im Dienste von Real Madrid. Generell haben die Kroos-Brüder aber einen großen Spaß daran, sich im sozialen Netzwerk gegenseitig auf den Arm zu nehmen. Unvergessen ist der Tweet von Felix nach dem WM-Vorrundenspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Schweden, bei dem Toni mit einem folgenschweren Fehlpass und dem 2:1-Siegtreffer aufgefallen war: „Stark! Ein Tor gemacht, eins vorbereitet." Mit diesem Tweet wurde Felix Kroos von der Deutschen Akademie für Fußballkultur sogar für den „Spruch des Jahres 2018" nominiert. Spötter behaupten, das sei so ziemlich das Beste gewesen, was dem Mittelfeldspieler von Union Berlin in der Saison 2017/18 passiert ist. 30 Pflichtspiele, ein Tor, null Vorbereitungen – so lautete die miserable persönliche Bilanz für den Spielmacher. Zum Vergleich: In seiner Debütsaison waren ihm in zwölf Spielen noch sechs Vorlagen und zwei Treffer geglückt.
Die Kapitänsbinde hatte er vor dem ersten Saisonspiel an Christopher Trimmel abgeben müssen, weil sein Stammplatz nicht mehr unumstritten ist. „Union als Kapitän zu führen, war mir eine große Ehre", wurde der Mittelfeldstratege in einer Pressemitteilung damals zitiert, doch „der Zeitpunkt für einen Wechsel" sei gekommen. Nicht wenige meinten, dass das auch für einen Vereinswechsel von Kroos gelten würde. Doch so einfach wollte sich der gebürtige Greifswalder nicht aus dem Staub machen. Und in dieser Spielzeit knüpft Kroos wieder an seine starke Anfangszeit bei Union an, wo er Dreh- und Angelpunkt fast aller Offensivaktionen gewesen war. Über 90 Minuten steht Kroos zwar in den seltensten Fällen auf dem Platz, doch sein Einfluss auf das Spiel der Köpenicker ist wieder größer. Und sein Einfluss in der Kabine auch.
Kein schlechter Zeitpunkt, denn sein Vertrag läuft im Sommer aus. „Dass er momentan so leistungsstark ist, ist für Felix nicht die schlechteste Situation", sagt Oliver Ruhnert. Unions Sportchef befindet sich in regelmäßigen, aber noch relativ unkonkreten Gesprächen mit dem Berater des Spielers. „Felix ist ein wichtiger Faktor für die Mannschaft", weiß Ruhnert, „wir sind sehr zufrieden mit ihm." Kroos selbst, so ist aus seinem Umfeld zu vernehmen, kann sich einen Verbleib sehr gut vorstellen.
Kapitänsbinde hatte er abgeben müssen
Auch Trainer Urs Fischer schätzt die Qualitäten und vor allem die Erfahrung des Mittelfeldspielers. Doch anders als sein Vorgänger Jens Keller, bei dem Kroos nicht nur unumstrittener Stammspieler, sondern auch Kapitän und verlängerter Arm des Trainers war, setzt Fischer auf Rotation und mitunter auf einen anderen Spielertypen im zentralen Mittelfeld. Kroos muss deswegen manchmal auf der Bank Platz nehmen, aber auch diese Rolle nimmt er dann ohne großes Murren an. „Dass ich Verantwortung übernehmen werde, daran ändert sich nichts", sagt Kroos. „Aber sicher brauche ich da auch Unterstützung, die es so in der vergangenen Saison nicht gegeben hat."
In der Tat hatten sich viele Unioner in der miserablen Rückrunde 2017/18 „versteckt", sowohl auf als auch neben dem Platz. Kroos ging zumindest voran, auch wenn ihm vieles nicht gelang. Jetzt läuft es sportlich sowohl bei ihm selbst als auch in der Mannschaft deutlich besser. Trotzdem zögert der Verein mit einer Vertragsverlängerung, weil Kroos’ bekannte Schwäche, die Antrittsschnelligkeit, wahrscheinlich nicht zum Konterstil passen würde, den Union im Falle eines Aufstiegs in der Bundesliga bevorzugt spielen dürfte.
Kroos wird also vorerst nichts anderes übrig bleiben, als sich mit guten Leistungen für einen neuen Vertrag bei Union zu empfehlen – oder eben Interesse bei anderen Clubs zu wecken. Mit 28 Jahren ist Kroos im besten Fußballalter, spielstark und charakterlich einwandfrei. Zudem ab Sommer ablösefrei zu haben. Sicher kein schlechtes Gesamtpaket für viele Zweit- und auch ein paar Erstligisten.
Doch noch will sich Kroos voll und ganz auf Unions heißen Aufstiegskampf konzentrieren. Dabei setzt der Mittelfeldspieler wie andere auch vor allem auf die Heimstärke. „Wenn man unsere Heimbilanz sieht, dann brauchen wir keine Angst zu haben", sagt Kroos. Auch der Einsatz stimmt in fast jedem Spiel und macht spielerische Defizite wett – sehr zum Leidwesen der Konkurrenz. „Wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir gegen solche Truppen, die nicht am Fußballspielen interessiert sind, besser spielen", ätzte kürzlich Trainer Tim Walter von Verfolger Holstein Kiel in Richtung der Berliner. Auch der FC Ingolstadt war nach der 0:2-Niederlage bedient, weil das Team von Ex-Trainer Keller eigentlich die bessere Mannschaft gewesen war. „Wenn du immer so die Spiele gewinnst – Hut ab", sagte FCI-Profi Christian Träsch voller Ironie. Auch Kroos bekam sein Fett weg, weil er sich aus Sicht der Gäste eine Schwalbe geleistet hatte. „Beim nächsten Mal bitte auf den Beinen bleiben – dann wird es ein offenes und faires Spiel", twitterte der Club in Richtung des Unioners, der sich verteidigte: „Das war nicht unclever gemacht von mir."
Spielstark und charakterlich einwandfrei
Die Berliner lassen sich davon nicht provozieren. „Das ist ein Kompliment für uns", sagte Torhüter Rafal Gikiewicz. Trainer Fischer freut sich über die „Coolness in hektischen Situationen". Ein Kompliment, das vor allem auf Kroos zutrifft. Der Techniker verliert kaum den Überblick und hat auch in Bedrängnis oft eine Lösung. Außerdem verlangt sein Trainer von ihm, noch öfter den Weg nach vorne zu suchen. „In meinem System", verrät Fischer, „sind auch die Mittelfeldspieler gezwungen, offensiv in freie Räume zu stoßen."
Keine ungewohnte Situation für Kroos, der in seiner Jugendzeit bei Hansa Rostock als vielversprechendes Angriffstalent galt. Als er dann aber zu Werder Bremen wechselte und sich nach einem starken Start an der Weser schwer verletzte und an der Milz operiert werden musste, gab es einen Bruch in der hoffnungsvollen Karriere. Kroos spielte fortan defensiver, zeitweise sogar in der Innenverteidigung. Doch dass Kroos mit seinem feinen rechten Fuß auch traumhafte Tore schießen kann, bewies er beim 1:0-Auftaktsieg in die Saison gegen Erzgebirge Aue. Sein herausragendes Freistoßtor aus 22 Metern war sogar noch etwas schöner als das seines Bruders im WM-Spiel gegen Schweden. „Gut zugeschaut", twitterte Toni Kroos hinterher scherzhaft.