Der Umbruch der deutschen Nationalmannschaft wurde gegen die Niederlande mit einem Last-Minute-Sieg belohnt. Dennoch hat die DFB-Auswahl noch viel Arbeit vor sich. Für den arg gescholtenen Bundestrainer Joachim Löw war der Sieg beim Erzrivalen zumindest vorläufig ein Befreiungsschlag. Die übrigen Gegner in der Qualifikationsgruppe sind so stark nicht, als dass Deutschland ernsthaft um die Teilnahme an der EM 2020 fürchten müsste. Doch die Spiele gegen Serbien und eben die Niederlande waren aufschlussreich. Löw hat sich dem Tempo-Fußball verschrieben, verlangt mehr Dynamik, mehr Schnelligkeit und mehr Zielstrebigkeit. Das quälende Ballgeschiebe der WM könnte der Vergangenheit angehören. Im Zentrum verkörpert nur Toni Kroos diesen zuletzt gescholtenen Spielertyp. Aber den Routinier von Real braucht der Bundestrainer noch. Dies gilt auch für Manuel Neuer, der in Amsterdam bewiesen hat, dass er noch zu Großleistungen fähig ist. Auf der Torwartposition hat Deutschland die wenigsten Probleme. Die gibt es in anderen Mannschaftsbereichen. Die Nationalelf ist extrem abhängig von den wenigen Individualisten, die sie zur Verfügung hat. Ilkay Gündogan und Marco Reus gehören zweifelsohne dazu, sind aber extrem verletzungsanfällig. Serge Gnabry und Leroy Sané stehen für Tempo, nicht unbedingt für körperliche Robustheit. Hier offenbart sich das Dilemma des deutschen Fußballs, dessen Vereine in den vergangenen beiden Jahrzehnten viel in die Infrastruktur ihrer Nachwuchsleistungszentren investiert haben, aber in der Ausbildung zu wenig Wert auf Einzelkönner gelegt haben. Außenverteidiger von internationalem Format sind Mangelware, einen echten Neuner sucht man vergeblich. „Personell könnte ich mir vorstellen, dass mit Blick auf das kommende Turnier noch eine echte Neun hinzukommt, um Gegner, die ausschließlich defensiv agieren, auch mit anderen Mitteln zu besiegen", sagte Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus und brachte Davie Selke von Hertha BSC ins Spiel. Der war allerdings oft verletzt und spielt eine eher durchwachsene Runde. So bleibt festzuhalten, dass der Sieg in Amsterdam ein Anlass dafür ist, ein wenig Hoffnung zu haben. Mehr aber (noch) nicht.
SPORT
Foto: picture alliance / Sven Simon
Nachspielzeit: Ein bisschen Hoffnung
Sport - Kolumne
MEHR AUS DIESEM RESSORT
Der technologisierte Sport
Die eigene Leistung rückt in vielen Sportarten mehr und mehr i ...
28.03.2024
Verlieren will gelernt sein
Alles fließt – Über den Sport im Wandel ...
01.12.2023
„Die san die“
Am Ende gewinnt immer der FC Bayern München die Meisterschaft ...
23.06.2023
Das gefährliche Frühstücksei – ein Mythos?
Was wir über Cholesterin und dessen Bedeutung wissen sollten ...
09.06.2023
Wie viel Leistungssport wollen wir?
Was für eine sinnvolle Förderung wichtig ist
...
17.02.2023
Ball oder Binde?
Warum moralische Anforderungen an Fußballer nur bedingt realis ...
20.01.2023
Wer ist schneller?
Was Sport kann, sollte und muss
...
06.01.2023
Droht eine WM der Verletzten?
Warum die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar ein biologisches ...
18.11.2022