Schon als Teenager interessierte sich John Stewart für asiatische Philosophie. Mit 16 begab er sich auf eine spirituelle Reise durch die halbe Welt. Schließlich gründete der mittlerweile 66-Jährige auf der Insel Ko Samui das Kamalaya, ein Zentrum, in dem Menschen Heilung für Körper und Geist finden können.
John Stewarts Leben war geprägt von der Suche nach sich selbst. Heute ist er angekommen, hat sich einen tropischen Rückzugsort, das Kamalaya, erschaffen. Vielleicht auch, um die Welt ein Stück weit besser zu machen. Davon ist er überzeugt, denn „niemand kann unseren Planeten, auf dem wir leben, verändern, doch jeder kann etwas tun, um ihn zu erhalten und zu nähren." John Stewart spricht von Menschen, die sich nach einem Aufenthalt im Kamalaya verändert haben. Da habe es den Banker gegeben, der keine Erfüllung mehr in seinem Job fand und Entwicklungshelfer in Afrika wurde. Oder den Top-Manager, der sich nach ein paar Wochen in den Tropen im Klimaschutz engagierte. Der 66-Jährige blickt hinunter aufs Meer und auf über sieben Hektar tropischen Regenwald. Das ist seit 2005 sein Zuhause. Hier auf der thailändischen Insel Ko Samui lebt und wirkt er, gibt die Erfahrungen seines Lebens weiter und hat sich mit Kamalaya einen Traum erfüllt. Heute werden hier Menschen behandelt, die ihr Leben verändern oder einfach gesund werden wollen, die auf der Suche nach sich selbst sind, so wie es auch Stewart war. Fast ein ganzes Leben lang.
Heute gibt es an seiner Seite Karina, Ehefrau, Gefährtin und Gleichgesinnte. Die mexikanische Ärztin hat sich auf traditionelle chinesische Medizin und weitere ganzheitliche Behandlungsmethoden spezialisiert. Beide hatten sich vor über 20 Jahren im Himalaya kennengelernt, dort, wo er sich zurückgezogen hatte, um sein Heil als Mönch zu suchen. Ein Sinnsucher sei er gewesen, mit einer allumfassenden Spiritualität und dem Wunsch, autark zu sein. Fortan lebte er in einer Höhle in den Bergen Nordindiens. „Ich wollte nie Buddhist oder Hindu sein. Meine Spiritualität war mir immer am Wichtigsten. Und hier konnte ich sie leben."
Als er den Yogi Neem Karoli traf, veränderte diese Begegnung sein Leben. Fokussiert auf das Prinzip „Wahrheit und Einfachheit" begann sein Tag um drei Uhr morgens und endete um 11 Uhr abends. Dazwischen widmete sich Stewart der stillen und singenden Meditation und lernte Karma-Yoga für den Dienst am Menschen. Denn diese Disziplin gilt als Yoga der Selbstlosigkeit und des Mitgefühls. Und Stewart wollte das weitergeben, was ihm selbst so gut tat.
Sein Tag begann um drei Uhr morgens
Er war zehn, als er realisierte, dass ihm etwas fehlte. Das atheistische Elternhaus in Kanada hatte ihn geprägt, trotzdem vermisste er die Zugehörigkeit zum christlichen Glauben. Mit 16 Jahren verließ er seine Heimat. Die Flower-Power-Bewegung brachte den jungen Mann nach Kalifornien. Dort traf er auf den berühmten Psychologen und „Hippie-Guru" Timothy Leary. Die Begegnung mit ihm veränderte alles. Seine religiösen Ansätze inspirierten Stewart. Fortan wusste er, was er wollte: Christ werden. Die „Universal Life Church" wurde zu seiner neuen geistigen Heimat. Er ließ sich taufen. Später geriet diese Religionsgemeinschaft immer wieder in die Schlagzeilen, da ihr Gründer Kirby J. Hensley durch die Vergabe von falschen Doktortiteln viel Geld verdiente. Bis heute ist sie umstritten und wird mit einer Sekte verglichen. Trotz allem: Mitte der 70er-Jahre war sie die am schnellsten wachsende Kirche mit fünf Millionen Gläubigen. Noch heute beeindrucken jährlich mehr als 35.000 Neuzugänge. 20 Millionen Gläubige insgesamt sollen es sein. Das Konzept des Glaubens zum Download geht auf: Die Universal Life Church gilt als erfolgreichste Internetkirche in den Vereinigten Staaten, auch wenn sie weder Gotteshäuser besitzt noch reale Messen abhält. In Kalifornien begegnete Stewart damals Yogi Neem Karoli und folgte ihm nach Indien. Viel Raum nahmen später auch seine Beschäftigungen mit den fernöstlichen Religionen ein.
An den Ausläufern der riesigen Berghänge erkrankte Stewart Anfang 2000 schwer an Hepatitis C. Schon als Jugendlicher hätte er sich mit dieser Krankheit, die jedoch nie richtig diagnostiziert wurde, infiziert. „Ich wusste, dass ich nicht mehr lange zu leben habe", beschreibt er heute diese Zeit. Ehefrau Karina hatte sich mittlerweile auf Leberkrankheiten spezialisiert. Die letzte Hoffnung beider war die thailändische Insel Ko Samui. Es gab die Aussicht, vor Ort spezielle Kräuter zu finden, die die begonnene ayurvedische Behandlung erfolgreich unterstützen konnten. „Und so gelangte ich in die Höhle Arjan, die mein Leben veränderte", betont er und deutet auf die nahe Felsformation. Buddhistische Mönche lebten in dieser Grotte bereits seit 100 Jahren. „Als ich die Höhle betrat, fühlte ich eine unglaubliche Energie." Mittlerweile hatte sich das Paar Land in Nepal gekauft, auf dem sie einen Rückzugsort errichten wollten. „Doch Arjan wurde zu meiner Bestimmung. Hier war der Ort, wo ich gesund werden konnte. Das wusste ich." Und er wurde wieder gesund. Bald darauf stand sein Entschluss fest, um diesen magischen Platz herum, wie er ihn nennt, das Kamalaya entstehen zu lassen. Auch der thailändischen Regierung war daran gelegen, diesen religiösen Ort zu schützen. Einem Pachtvertrag für den bergigen Küstenstreifen stand somit nichts mehr im Wege.
In der Tat: Mit dieser spirituellen Begegnung begann es. Heute nennt er es Schicksal oder Bestimmung. „Schon Yogi Karoli sagte mir einmal, ich solle die Herausforderung annehmen, selbst etwas aufzubauen", bekräftigt er. „Karina und ich begannen mit der Umsetzung. Für mich war es eine hervorragende Chance, all die Lehren und gesammelten Erfahrungen einzubringen. Hier wollten wir überliefertes Wissen, Naturheilverfahren und Traditionen festhalten und einen Platz schaffen, der für jeden offen steht. Die Besucher sollten sich selbst wiederfinden, sich heilen lassen und ihre Psyche und Emotionen stärken."
Heilung von Hepatitis C
Heute umfassen die Behandlungen unter anderem Entgiftungsprozesse, die auf die Leber abzielen und den Stoffwechsel ankurbeln. Es gibt aber auch Programme zur Stressbewältigung, zur Gewichtsreduzierung und Kuren zur Mobilitätsverbesserung. Für die Zusammenstellung der Lebensmittel ist Karina Stewart in enger Absprache mit dem deutschen Chefkoch Kai Müller zuständig. Großer Wert wird dabei auf die ganzheitliche Zubereitung organischer Nahrung sowie auf die individuelle Ernährung der Gäste gelegt. Die Anfangsjahre seien schwer gewesen: Passende Mitarbeiter mussten gefunden und geschult werden. „Unsere ganze Energie haben wir in den Aufbau des 350 Personen starken Teams gesteckt", erinnert er sich.
In wenigen Wochen die Batterien des Lebens wieder aufladen; so lautet das Konzept. „Die Vermittlung eines gesunden und bewussten Lebensstils war unsere Aufgabe. Damit fing alles an", bekräftigt Stewart. Wer könnte es besser wissen als der frühere Hippie, der dem Tod gerade noch mal von der Schippe gesprungen ist? Rund die Hälfte der Gäste kommen wieder, einige sogar einmal pro Jahr. John Stewart, der Christ, der Buddhist, der Hindu? „Nichts davon trifft wirklich zu. Bringen wir es auf den Punkt: Ich lebe nur meine Spiritualität." Zu ihr gehören auch weiterhin frühes Aufstehen, Beten und Meditation. „Ich habe viele kleine Tempel, um innezuhalten", lacht er. Denn Gesundheit bedeutet letztlich auch, Körper, Geist und Handlungen harmonisch aufeinander abzustimmen. Und genau deswegen liegt der Fokus im Kamalaya auf den ganzheitlichen Behandlungen als wichtigste Voraussetzung.
Profit sei John Stewart dabei nicht wichtig. Das Kamalaya braucht weder Werbung noch Öffentlichkeit. Dafür Gäste, die wiederkommen und darüber erzählen.