Erstmals hat das Bundesamt für Naturschutz in einem Report die Folgen für Natur und Umwelt aufgezeigt, die sich aus der beschlossenen Energiewende ergeben. Gleichzeitig aber auch Lösungsansätze für das grüne Dilemma gegeben.
Um die ambitionierten Ziele der Bundesregierung in Sachen Klimaschutz und zur Eindämmung des Klimawandels zu erreichen, führt kein Weg am Ausbau erneuerbarer Energie (EE) vorbei. Diese Maxime liegt auch dem vor Kurzem vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) veröffentlichten „Erneuerbare Energie Report" zugrunde, der basierend auf über 40 von der Behörde in Auftrag gegebenen Forschungsarbeiten die Problematik veranschaulicht, die sich aus der Energiewende und ihren Folgen für die hiesige Umwelt und Natur ergibt. Das BfN hält ein Miteinander von Energiewende und Naturschutz zwar grundsätzlich für möglich, aber es weist auch auf die verschiedensten Gefahren hin, die ein grundlegender Landschaftswandel auf die Artenvielfalt haben könnte.
Denn die hohe Zahl und die weite räumliche Verbreitung von technischen Anlagen für erneuerbare Energien werden nicht nur das Landschaftsbild und die Kulturlandschaft in der Bundesrepublik grundlegend verändern, sondern können auch Risiken für bestimmte Arten und ihre Lebensräume bergen. „Erneuerbare Energien sind eben Lösung und Problem zugleich", räumte BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel bei der öffentlichen Präsentation des Reports ein. „Und wir müssen uns im Klaren sein, dass ein beschleunigter Ausbau nötig wird", sagt Jessel. Wobei über die Hälfte der bislang schon vorhandenen erneuerbaren Energien, deren Anteil am hiesigen Endenergieverbrauch 2017 etwa 15 Prozent betrug (Stromerzeugung, Wärmesektor und Verkehrsbereich), der Stromerzeugung zugutekommen.
Derzeit kommen 36,2 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind, Sonne, Wasser und Biomasse, der Anteil soll bis 2030 auf 65 Prozent steigen und 2050 sogar bei 80 Prozent liegen. Dabei steutert die Windenergie mit etwa 28.700 Anlagen samt den unübersehbaren Windrädern, die größtenteils in den windreicheren Gebieten der Republik wie Niedersachsen, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen installiert wurden, mit knapp 41 Prozent den größten Beitrag der erneuerbaren Stromversorgung bein. Die Fotovoltaik leistet mit über 18 Prozent auch einen relevanten Beitrag zur EE-Stromgewinnung, es sind derzeit rund 10.500 riesige Fotovoltaik-Freiflächenanlagen in Betrieb. Hinzu kommen 8.700 Biogasanlagen, von denen sich mehr als die Hälfte in Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg befinden, sowie 7.300 Wasserkraftanlagen vor allem in Bayern und Baden-Württemberg.
So beindruckend all die Zahlen schon sein mögen, so sind sie angesichts der 80 Prozent-Stromerzeugungs-Vorgabe für 2050 nur ein kleines Vorspiel. Denn es müssen noch wesentlich mehr Anlagen errichtet werden, womit das Landschaftsbild durch eine zunehmende Flächeninanspruchnahme tiefgreifend verändert werden wird. Ob die Bürger das mittragen werden, wird sich zeigen. Zwar kann das BfN darauf hinweisen, dass aktuellen Befragungen zufolge 61 Prozent der Deutschen eine überwiegende Versorgung aus erneuerbaren Energie für richtig halten, doch sobald entsprechende Anlagen vor der eigenen Haustür errichtet werden sollen, beginnen die Zustimmungswerte zu bröckeln und regt sich vielerorts der Bürgerprotest. Der Hinweis auf den Schutz der biologischen Vielfalt, was 70 Prozent der Deutschen für elementar wichtig halten, kann als Argumentationshilfe gegen die Anlagen benutzt werden.
Energie sparen ist die beste Energiequelle
Die meiste Kritik an der Energiewende entzündet sich laut BfN an der Landschaftsveränderung, die direkt von der Gesellschaft wahrgenommen werden kann. Vor allem die Windenergieanlagen sind der häufigste Stein des Anstoßes, weil sie mit ihrer vertikalen Dominanz eine Zergliederung der Landschaftsstruktur und eine technische Überprägung der Landschaft zur Folge haben. Und weil sie mit ihrem Lärmpegel Mensch und (rastende oder brütende) Tiere gleichermaßen beeinträchtigen. Für manche Vogel- oder Fledermausarten gibt es zusätzlich ein erhebliches Kollisionsrisiko. Auch Freiflächen-Solarparks beeinträchtigen die Landschaft besonders in Hanglagen durch technische Überprägung und können wegen des Lichtspektrums zu Irritationen bei manchen Insektenarten sorgen. Der Energiepflanzenanbau lässt sich an einer Monotonisierung des Landschaftsbilds ablesen. Beispielsweise hat der massenweise Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln auf Maisfeldern nicht nur das viel beklagte Bienensterben zur Folge. Wasserkraftanlagen verändern nicht nur die Fließgeschwindigkeit des Gewässers, sondern behindern die Wanderungsbewegungen vieler Fischarten und verändern deren Lebensräume. Beate Jessels Appell – „Die Energiewende darf nicht zulasten der biologischen Vielfalt gehen" – sollte künftig daher möglichst viel Beachtung bei Planungen neuer Anlagen geschenkt und naturnahe Landschaften in Ergänzung zu ausgewiesenen Naturschutzgebieten möglichst erhalten werden. In alten, naturnahen Wäldern, die auch für die menschliche Erholungsnutzung besonders wertvoll sind, hätten, sagt Jessel, Windräder ebenso wenig zu suchen wie Fotovoltaikanlagen in großflächigem Grünland.
Um die negativen Auswirkungen auf Natur und Landschaft möglichst zu minimieren, rät das BfN künftig zur Bevorzugung von Technologien mit geringer Flächeninanspruchnahme. Daher erteilt das Bundesamt für Naturschutz der Bioenergie eine klare Absage. Um die die Landschaft optisch verschandelnden Hochspannungsübertragungsnetze nicht ausufern zu lassen, sei der Ausbau verbrauchsnaher Anlagen zur Energieversorgung die bessere Lösung. Viel bislang noch brach liegendes Energie-Gewinnungspotenzial sieht das BfN auch im städtischen Häuserbau, wobei moderne Technologien in Sachen Fotovoltaik, Solarthermie oder Umwelt- und Erdwärme weit über die klassischen Solar-Dach-Anlagen hinausgehen müssten. Auch den alten Slogan „Energie sparen ‒ unsere beste Energiequelle" hält das Bundesamt nach wie vor für richtig. Schließlich sehe das aktuelle Energiekonzept der Bundesregierung eine drastische Reduzierung des jährlichen Primärenergieverbrauchs vor. Bis zum Jahr 2050 soll demnach der Verbrauch, auch durch erhebliche Energieeffizienzsteigerungen, im Vergleich zum Jahr 2008 um 50 Prozent gesenkt werden. Auf jeden Fall müsse generell der Landschaft als zu bewahrendes Schutzgut bei der Planung neuer EE-Anlagen künftig deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. „Das Landschaftsbild ist bislang noch nicht hinreichend in die räumliche Steuerung integriert. Als weiches, aber für die Akzeptanz sehr relevantes Kriterium ist eine deutliche Berücksichtigung zu empfehlen", heißt es zusammenfassend in dem 44-SeitenReport.