In der Verfilmung „Breakthrough", der wahren Geschichte der christlichen Autorin Joyce Smith („Auf dünnem Eis"), hatte Jesus sicherlich seine Finger im fatalen Spiel. Nämlich als deren Adoptivsohn nach einem Unglück nach 20 Minuten unter der Eisdecke aus dem Dauerkoma im Krankenhaus von den Toten wieder aufwacht.
Der nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist", deklamierte schon der erste israelische Ministerpräsident Ben Gurion und modifizierte die tiefenreligiöse Philosophie von Thomas von Aquin, der verkündete, dass man „für Wunder beten, aber für Veränderungen arbeiten" müsse. Eigentlich verändert sich wenig in diesem verschlafenen Nest namens St. Charles in Missouri. Hinter der kleinbürgerlichen Kulisse aber schwelen Kleinstadt-Konflikte aufgrund kleinkarierter Attitüden und deuten symbolisch auf die kommende Katastrophe hin: Joyce Smith’ (Chrissy Metz) 14-jähriger Adoptivsohn John (Marcel Ruiz) verhält sich in jüngster Zeit ungewöhnlich renitent. Nur eine Laune unkontrollierter pubertärer Synapsen? Nein, seine gualtemaltekische Identität bereitet ihm Schwierigkeiten, in der Schule berichten die anderen just in ihren Hausarbeiten stolz über ihre nordamerikanische Identität. Hausfrau Joyce, erzkonservativ und gern kontrollierend, reagiert harsch und hilflos auf Johns eisiges Gebaren. Auch an dem neuen liberalen Pastor Jason Noble (Topher Grace) mit seiner 80er Disco-Frisur lässt sie kein gutes Haar. Das heillose ideologische Triumvirat aus Glauben, Sitte und Heimat ist hier ähnlich aufgeschlossen wie die Amish People in Pennsylvania. Es kommt, wie es nicht kommen muss: Eines Morgens wagen sich die Teenager übermütig hinaus auf den zugefrorenen See und brechen ein. Im Buch „Auf dünnem Eis" ist zu erfahren: „Nur wenig später grollte ein bedrohliches Krachen über den See. Das Eis brach unter Johns Füßen und das Wasser schlug über ihm zusammen. Josh Sander ließ sich sofort auf Knie und Hände fallen und versuchte, Johns Hand zu ergreifen. Aber auch unter ihm brach das Eis. Sofort eilte aus einigen Metern Entfernung Josh Rieger seinen Freunden zur Hilfe. Auf dem Bauch liegend wollte er John aus dem Wasser ziehen, fiel dabei aber selbst hinein. Die Jungen platschten und strampelten wild in dem verzweifelten Versuch, sich aus dem Zugriff des dunklen, eiskalten Wassers zu befreien. Um 11:33 Uhr warf Ron Wilson erneut einen Blick aus seinem Bürofenster, aber diesmal wurde er Zeuge, wie das Eis einbrach und die Jungen verschluckte."
Kleinstadt-Konflikte und Attitüden
Während sich zwei seiner Schulkameraden gerade noch ans sichere Ufer retten können, dümpelt John unter der Eisdecke – tödliche 20 Minuten. Zwar kann ihn ein beherzter Feuerwehrmann noch bergen und ins Hospital bringen, aber dort versucht man verzweifelt, den Buben zu reanimieren. Just, als Joyce eintrifft, wird die Reanimation beendet. Joyce fleht Gott um das Leben ihres Kindes an. Unglaublich, doch urplötzlich pulsiert es tatsächlich wieder schwach in dem Körper des Jungen, der flugs ins künstliche Koma versetzt wird. Der erfahrene Neurologe Dr. Garrett (Dennis Haysbert) aber befeuert keine trügerischen Hoffnungen: Das Gehirn des Jungen sei katastrophal geschädigt und die Fiebermedikamente gefährlich. Joyce jedoch will die künstliche Beatmung abschalten, um John aus dem ewigen Schlaf zu befreien. Die Paradekatholikin hofft auf ein wahres Wunder, und beißt aggressiv alle Skeptiker weg. Zu denen zählt ebenso ihr geschiedener Gatte Brian (Josh Lucas), der so gar nicht an die wundersame Genesung glaubt. Den einzigen Lichtblick in der Not gewährt die Gemeinde mit gefühlsgeballter Anteilnahme.
Die Paradekatholikin hofft auf ein Wunder
Große Gefühle für Gott bietet diese dramatische Story einer Mutterliebe um die Auferstehung ihres Sohnes, die Joyce Smith gemeinsam mit Co-Autorin Ginger Kolbab im Buch „Auf dünnem Eis" kompensierte. Das wirft rudimentäre Fragen auf: Darf man Todgeweihte von ihrem Leiden mit dem Recht auf Euthanasie erlösen? Erst im April musste das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über das sogenannte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung erfolglos verhandeln. „Breakthrough" favorisiert dagegen die puristische, von Totalen befreite TV-Filmsignatur. Die Kamera klebt mit unzähligen Close-ups an den Protagonisten, um das Wohl und Wehe der Betroffenen auf dem emotionalen Siedepunkt aufzuheizen. Monologe wie „Die Liebe ist die mächtigste Kraft auf Erden" überzuckern dabei die rührselige Szenerie mit bedeutungsschwangerer Ideologie. In der Tat kann das Prinzip Glaube, Hoffnung und Heilung in der persönlichen Wahrnehmung ein Mont-Blanc-Massiv versetzen und süffisant-selbstgerechte Atheisten wie Karl Marx („Die Religion ist das Opium des Volkes") Lügen strafen. Denn in diesem Fall ist die dauerhafte Sucht und Abhängigkeit heilsam. Und Frauen beweisen in diesem ambivalenten Streitpunkt abermals wieder stärkere Leidensfähigkeit als gestandene Mannsbilder. Wie sagte die großartige Katherine Hepburn? „Frauen von heute warten nicht auf das Wunderbare – sie inszenieren ihre Wunder selbst."