Der Vatertag sorgt ein wenig für Gerechtigkeit im Zusammenleben von Frau und Mann
Gerade wenn jetzt so viel über Gender-Gerechtigkeit diskutiert wird, müssen wir Männer trotz der uns eigenen Duldsamkeit darauf beharren: Gleiches Recht für alle! Dieser fundamentale Grundsatz unserer Demokratie darf natürlich nicht ausgerechnet vor uns Vätern haltmachen. Deshalb muss im Kalendarium jedem Muttertag auch ein Vatertag folgen. Zumal wir ja schon in der Reihenfolge zurückstehen müssen, ohne darüber jemals öffentlich Klage geführt zu haben.
Schließlich werden wir Väter das ganze Jahr über sträflich vernachlässigt. Es gibt kein Väter-Genesungswerk, keine Vater-Kind-Gruppen im Turnverein, keine Vatermale, keinen Vaterschutz, kein Vaterschiff und weder Vatermund noch Vatermilch. Noch nicht einmal eine Vatererde wird uns zugedacht, obwohl doch meist wir es sind, die mühsam im Erdreich herumwühlen müssen, um diese schöne Welt zu gestalten.
Zwar gibt es das Vaterland, aber es verliert möglicherweise im Zuge der Globalisierung zunehmend an Bedeutung. Auch dass manchmal noch von den „Vätern des Grundgesetzes" die Rede ist, mag unserem gebeutelten Geschlecht schmeicheln. Nur: Was können wir uns denn heute davon wirklich noch kaufen?
Aber jetzt mal zur Sache: Am 30. Mai steht wieder der Vatertag an. Und den wollen wir nicht nutzen, um sinnlos herumzujammern oder weiter zu genderpolitisieren. Vielmehr sind wir froh, dass es auch heute noch Geschlechtsgenossen gibt, die – einem alten Brauchtum folgend – an diesem wichtigen Tag den uralten Rousseauschen Imperativ „Zurück zur Natur!" beherzigen, den wir Männer alljährlich im Mai als unser ganz persönliches Himmelfahrtskommando verstehen.
Während Frauen den Muttertag meist passiv erleben, indem sie lediglich unsere Geschenke entgegennehmen, sich von uns durch die Gegend kutschieren lassen und sich an den gedeckten Gasthaustisch setzen, entsagen wir Männer am Vatertag allem Luxus und ziehen hinaus ins Freie, um durch den Genuss von frischer Luft unsere Arbeitskraft zu erhalten. Alle Lasten des Alltags fallen an diesem Tag von uns ab. Allenfalls schleppen wir noch ein Bollerwägelchen hinter uns her –
sozusagen als Symbol dafür, dass wir Väter als ewig dienende Lenker des Weltgeschehens den Karren jederzeit aus dem Dreck zu ziehen bereit sind.
Bei unseren ganztägigen Naturerkundungen im Kreise gleichgesinnter Geschlechtsgenossen geben wir uns am Vatertag leidenschaftlich den Reizen frischer Blütenknospen hin, meiden die stickige Luft geschlossener Räume und speisen spartanisch im Freien. Dabei ernähren wir uns überwiegend von ganz natürlichen Dingen, für die bereits vor Jahrhunderten ein Reinheitsgebot erlassen worden ist, das bis heute Gültigkeit besitzt. Allenfalls suchen wir bei widrigem Wetter mal kurz Unterschlupf in primitiven, nur zu Vatertags-Zwecken errichteten Zelten, in die sich keine Mutter freiwillig wagen würde. Und schon gar nicht an ihrem von uns auszurichtenden Ehrentag.
Manchmal singen wir Väter in besagten Zelten dann gemeinsam schöne Lieder und lassen uns auch von fehlenden stimmlichen Fähigkeiten keineswegs abhalten. Altes Liedgut wie „Trink, Brüderlein, trink!" – ein ähnlich tiefgründiges Lied für Schwesterlein ist uns nicht bekannt – gehört hier genauso zu unserem Repertoire wie aktuelle Songs im Stile von „Tage wie diese" von den Toten Hosen, denen wir spätestens am Nachmittag nicht nur bei der Intonation sehr nahekommen: voller Gerstensaftgetränk machen wir dann dem Namen dieser Band alle Ehre.
Wenn wir abends das Herz voll haben von friedlichen Umwelteindrücken, anregenden Männergesprächen und erbauendem Chorgesang, fühlen wir uns so naturverbunden und eins mit Pflanz’ und Tier, dass wir auf allen Vieren durch die Vorgärten nach Hause schleichen, uns wohlig brummend auf die nächstbeste Ruhestatt hinhauen und den Vatertag in der stillen, nur von leisem Schnarchen umrahmten Gewissheit ausklingen lassen, dass es ohne uns Väter ja noch nicht mal Mütter und schon gar keine Muttertage gäbe.