Die Entscheidung in der Stichwahl in Neunkirchen war eindeutig. Jörg Aumann (SPD) setzte sich klar mit 57,6 Prozent durch. Der Teamspieler will eigene Akzente für Neunkirchen als Bildungs- und Sportstadt setzen.
Herr Aumann, dass es in Neunkirchen in den zweiten Wahlgang gehen würde, war bei der Vielzahl der Bewerber vorauszusehen. Am Schluss ein deutliches Ergebnis. Es gab keinen direkten Amtsbonus, trotzdem die Frage, inwiefern die bisherige Arbeit als Bürgermeister von Vorteil war?
Es spielt eine Rolle, das gilt aber in beide Richtungen. Es war für mich unbestreitbar ein großer Vorteil, hier in Neunkirchen bekannt zu sein und schon zehn Jahre hier gewirkt zu haben. Es ist halt so, dass der Bürgermeister, bei uns der Oberbürgermeister, weil wir über 30.000 Einwohner haben, Chef der Verwaltung ist. Es ist aber auch so, dass viele Leute gesagt haben: Er ist doch Bürgermeister, er hätte an den Missständen, die wir beklagen, vorher schon was machen können. Und der Name Bürgermeister verstärkt dann auch noch solche Eindrücke. Nun ist es so: Ich bin Erster (hauptamtlicher) Beigeordneter und habe einen Oberbürgermeister vor mir. Im Übrigen halte ich überhaupt nichts davon, wenn in einer hierarchischen Verwaltung jeder sein eigenes Ding macht. Das funktioniert nicht. Deswegen habe ich mich immer daran gehalten, dass der Oberbürgermeister der Chef ist. Über dessen Tisch läuft alles, und ich konnte mich da einordnen. Und das lief auch sehr gut. Ich werde genau diese Erwartungshaltung ab dem 1. Oktober (offizieller Amtsantritt, Anm. d. Red.) auch an meine Dezernenten stellen.
Was für einen Typ Oberbürgermeister bekommt die Kreisstadt Neunkirchen?
Ich war immer ein Teamspieler. Ich komme aus dem Fußball, auch im Radsport ist der Teamgedanke wichtig. Es geht nie alleine. Das habe ich auch im Wahlkampf immer gesagt. Ich habe immer vom „Wir" gesprochen, auch in der Partei. Es ging nie um mich alleine, es ging immer um Teamleistung. Aber in der Tat muss man nach außen hin schon das Bild abgeben: Wir arbeiten gemeinsam, aber einer ist am Ende verantwortlich. Das muss man dann aber auch leben. Ich war nicht immer mit allem einverstanden, was Jürgen Fried oder die Partei beschlossen haben. Das ist ganz normal in der Demokratie. Das war auch früher so, als ich im Ehrenamt in der Fraktion war. Da haben wir oft auch hart diskutiert über verschiedene Dinge. Aber für mich war immer klar: Wenn wir etwas demokratisch gemeinsam beschließen, dann vertrete ich das nach außen, auch wenn es nicht meine persönliche Präferenz ist. Anders funktioniert Demokratie nicht.
Sie haben das Verhältnis zum scheidenden Oberbürgermeister Jürgen Fried schon angesprochen. Das sind doch beachtliche Fußstapfen, die er hinterlässt?
Ich habe die Jahre eng mit ihm zusammengearbeitet und kann sagen: Ich habe oft lang gearbeitet, aber oft war es so, dass nebenan noch das Licht gebrannt hat, wenn ich nach Hause gegangen bin. Also ich weiß, wie viel er gearbeitet hat, und er hat mit Leidenschaft für diese Stadt gearbeitet und seine Schwerpunkte gesetzt, wie jeder Oberbürgermeister seine Schwerpunkte setzt. Er hat natürlich auch in einer Linie gestanden mit Fritz Decker und Peter Neuber, die auch ihn unter einen gewissen Leistungsdruck gesetzt hat. Dem hat er sich gestellt, und ich finde, er hat eine tolle Arbeit gemacht. Und natürlich sehe auch ich mich unter einem Leistungsdruck, aber wenn ich mir das nicht zutrauen würde, würde ich heute nicht hier sitzen.
Sie haben zu Beginn des Wahlkampfs einige Themen und Vorstellungen genannt, die Sie anpacken wollten. Was hat sich während des Wahlkampfs durch die Begegnungen und Gespräche geändert? Hat sich überhaupt etwas verändert?
Ich muss ehrlicherweise sagen: Ja. Jeder Wahlkampf in jeder Kommune ist anders. Das erklärt auch diese extrem unterschiedlichen Ergebnisse in den saarländischen Kommunen. Dass es für die SPD in Neunkirchen enger geworden ist als früher, hat natürlich auch mit der insgesamt geänderten politischen Landschaft zu tun. Die SPD liegt im Moment in bundesweiten Umfragen zwischen zwölf und 15 Prozent. Das hat mir nicht unbedingt geholfen. Es gab auf der Straße auch die Reaktion von Leuten, die gesagt haben: Ich mag Dich, aber ich kann die SPD nicht mehr wählen. Es waren wenige, die das gesagt haben, aber es gab sie. Die Themen, mit denen wir angetreten sind, waren breit aufgestellt, wir hatten zu allen kommunalpolitischen Fragen dezidierte Positionen. Aber in der Endphase des Wahlkampfs gab es auch durch die politische Konkurrenz nur noch ein zentrales Thema: Sicherheit und Sauberkeit. Da wurde ein regelrechtes mediales, oder besser: social mediales Feuer entfacht. Ich habe mich entschlossen, dazu unsere Positionen zu nennen, die ich für deutlich, klar und richtig halte, aber auch zu sagen: Es gibt auch noch andere Themen, um die ich mich kümmern will. Ich halte es für richtig, mich da nicht auf Scharmützel eingelassen zu haben. Das Ergebnis war ja dann auch eindeutig. Nun gibt es Leute, die sagen: zum ersten Mal in Neunkirchen eine Stichwahl! Na gut, es gab auch noch nie fünf Kandidaten. Ich sehe das Ergebnis als klares Mandat, um die Dinge, die ich mir vorgenommen habe, jetzt gemeinsam mit dem Rat umzusetzen.
Im Stadtrat ist die SPD trotz Verlusten weiter stärkste Kraft, aber die Mehrheiten sind nicht eindeutig. Wie kann da eine Zusammenarbeit aussehen?
Es wird auf jeden Fall bunter werden. Wir hatten im letzten Rat mit vier Fraktionen eine überschaubare Situation, jetzt hat man deren sechs. Das bildet dann aber auch die politische Wirklichkeit ab. Deshalb freue ich mich auf die Zusammenarbeit. Es werden von vielen Seiten verschiedene Vorschläge kommen, und da wird um die besten Ideen gestritten werden. Dass die Grünen in einer Stadt, und wir sind die größte Stadt nach Saarbrücken, jetzt so drin sind, ist nicht schlecht und spielt in vielerlei Hinsicht in das rein, was ich mir vorgenommen habe. Ich will auch eine grünere, lebenswerte Innenstadt. Ich will auch etwas für den Fahrradverkehr tun und für eine autoärmere Innenstadt arbeiten. Aber ich sehe auch, dass wir als Einkaufsstadt Lösungen finden müssen für die, die mit dem Auto kommen. Ich denke, es wird im Rat interessant und spannend werden.
Globus wird ja demnächst neue Pläne zu einer Ansiedlung vorstellen, nachdem das Projekt Betzenhölle gescheitert ist. Die Entwicklung der Einkaufsstadt geht also weiter?
Bei Globus sind wir im Moment noch ein bisschen in der Rolle des Betrachters, die derzeitigen Verfahren laufen auf der Landesebene. Wir kommen dann bald in die Phase, wo es auch um die Diskussion im Rat geht, wo Globus die Pläne vorstellen wird. Bisher, muss ich sagen, hat das Unternehmen sehr kooperativ mit der Stadt zusammengearbeitet und die Karten offengelegt. Ich bin zuversichtlich, zumal jetzt ein Standort gefunden wurde, der zentral ist, also unter Raumordnungsgesichtspunkten völlig unproblematisch. Jetzt geht es an die Feinarbeit, wo wir auch sehen müssen, was unser Handel macht. Aber es gilt die freie Marktwirtschaft. Ich lese selbst gerne und bin oft Kunde in den verschiedenen Neunkircher Buchläden. Aber ich könnte nichts dagegen machen, wenn sich etwa in der Lindenallee drei Buchhändler ansiedeln wollten. Da kann ich nicht sagen: Wir haben schon ein, zwei Händler, die müssen wir schützen. Das ist nun mal der freie Markt. Nach unserer Vorstellung wird es für Globus in bestimmten Segmenten eine Begrenzung geben. Insgesamt ist Globus eine große Chance, Kunden in der Stadt zu halten und neue in die Stadt zu bringen. Daran sollten wir arbeiten.
Wir stellt sich der neue Oberbürgermeister das Verhältnis zu den Umlandgemeinden vor, Stichwort interkommunale Zusammenarbeit?
Zunächst einmal: Ich habe schon in den letzten zehn Jahren mit den Kollegen in den umliegenden Gemeinden zusammengearbeitet und sehr gut zusammengearbeitet. Es gibt auch persönliche Vertrauensverhältnisse, auch zu den Kollegen, die nicht meiner Partei angehören, auch zu Armin König (Bürgermeister Illingen, Anm. d. Red.), mit dem wir in der Angelegenheit Globus hart in der Sache gerungen haben, ist das Verhältnis von persönlichem Respekt geprägt. Wir arbeiten ja schon bisher auf vielen Ebenen sehr gut zusammen. Wir machen ja seit langen Jahren für Ottweiler die mobile Geschwindigkeitsüberwachung, wir machen seit Kurzem die komplette Standesamtsarbeit für Spiesen-Elversberg hier in Neunkirchen mit. Das ist auch sinnvoll, weil die meisten Kinder auf dem Kohlhof geboren werden. In Spiesen-Elversberg kann weiter getraut und geheiratet werden, gar kein Problem. Oder nehmen Sie das Freibad Heinitz, das wir wohl schon lange geschlossen hätten, wenn nicht viele Menschen aus Spiesen-Elversberg das Bad nutzen würden. Natürlich wird das in Zukunft auch noch zunehmen, solange beide Seiten etwas davon haben. Ich bin ein großer Verfechter der interkommunalen Zusammenarbeit, da wird sich einiges entwickeln.
Neunkirchen: Musicalstadt, Einkaufsstadt – gibt es demnächst auch ein drittes Image unter dem Oberbürgermeister Jörg Aumann?
Ich will noch ergänzen: Wir haben uns mit dem Günther-Rohrbach-Preis auch als Filmstadt entwickelt. Das zeigt: Wir machen mit wenig Geld fast oder sogar genauso viel wie andere mit viel mehr Geld. Das ist der Neunkircher Weg, hier machen alle mit, eine tolle Entwicklung, die ich nicht nur beibehalten, sondern in manchen Bereichen noch ausbauen möchte. Im Übrigen ist durch diese Projekte der Blick von außen auf unsere Stadt ein anderer geworden als der Binnenblick vieler Neunkircher, die damit nicht so wahnsinnig viel anfangen können. Daran will ich arbeiten. Das Musicalprojekt ist ein großes soziokulturelles Projekte, wo Menschen ganz niederschwellig an Kultur herangeführt werden, die ansonsten nie den Weg ins Staatstheater finden würden.
Ich sehe aber auch eigene Schwerpunkte, die ich forcieren will. Für mich ist Neunkirchen als Bildungsstadt ein ganz wichtiges Anliegen. Wir haben durch die Ansiedlung der ASW jetzt auch eine Hochschule, was ganz wichtig für das Image der Stadt ist. Wir brauchen aber auch in der Innenstadt durch die demografische Entwicklung und die Migration einen ganz starken Push in der vorschulischen und schulischen Bildung. Wir sind heute schon, was weiterführende Schulen angeht, der Standort im Ostsaarland überhaupt. Mein Ziel ist, Neunkirchen als Bildungsstadt nochmal einen Schub zu geben. Das Zweite, sicher auch, weil ich vom Sport komme: Neunkirchen als lebenswerte Sportstadt, wo man als aktiver Bürger, sportlich und freizeitmäßig, vielfältige Angebote findet. Wir brauchen im Innenstadtbereich unbedingt eine große Sporthalle, weil wir nach dem Wegfall der Kreissporthalle vor einigen Jahren am Rand unserer Kapazitäten sind. Das muss kein Riesenzentrum für verschiedene Events sein. Ich sehe es als Angebot für die Bürger, die dort Sport machen können. Und natürlich müssen wir an der Situation Ellenfeld arbeiten. Ich bin in guten Gesprächen mit dem Vorstand der Borussia, aber die Situation ist nicht einfach. Ich weiß als Sportler um die verbindende Kraft des Sports. Gerade bei unserer Migrationssituation kann der Sport ein ganz wichtiges Werkzeug sein, um diese Menschen in die Gesellschaft zu integrieren. Auch deshalb möchte ich dort ansetzen.