Im April 2018 erhält der Oberhausener Regionalliga-Fußballer Alexander Scheelen die Schockdiagnose Lymphdrüsenkrebs. Es folgt eine harte Leidenszeit. Doch der 31-Jährige kämpft sich auf beeindruckende Weise durch. Er heiratet erst, besiegt dann den Krebs, und inzwischen spielt er sogar wieder in der Vierten Liga.
Am liebsten wäre es Alexander Scheelen, wenn alle einfach so tun würden, als sei nichts gewesen. Wenn sie ihn nicht dauernd fragen würden über das vergangene Jahr, das sicher schwerste seines Lebens, und den Leidensweg, den er dabei bestritten hat. „Dieses Tamtam um mich brauche ich gar nicht", versichert er. Für ihn selbst, das beteuert der Regionalliga-Fußballer von Rot-Weiß Oberhausen, ist heute alles wie zuvor. Er habe „keine Beschwerden, gar nichts", versichert er: „Ich gelte als komplett geheilt." Und er mache sich auch keine Gedanken darüber, dass der Krebs wiederkommt: „Ich bin da ganz klar. Da war etwas, und das ist jetzt weg. Ich fühle mich so wie vor der Erkrankung."
Ginge es nach ihm selbst, würde Alexander Scheelen sich auch so verhalten, als sei da nie etwas gewesen. Doch es gibt da ja noch die andere Seite. Er hat es geschafft, er hat den Krebs besiegt. Und dadurch ist er als öffentliche Person auch ein Vorbild, ein wichtiger Ansprechpartner und Anlaufpunkt. Und dieser Verantwortung will er sich gern stellen. „Manchmal schreiben mich Menschen an, die ich nicht kenne, die aber dieselbe Diagnose haben wie ich", erzählt er: „Für sie nehme ich mir gerne Zeit. Weil man sie sich für mich auch genommen hat."
Als Scheelen im April 2018 die Schockdiagnose Lymphdrüsenkrebs erhält, schreibt er den ehemaligen Frankfurter Bundesliga-Spieler Benjamin Köhler an. Bei Köhler wurde 2015 ebenfalls Krebs diagnostiziert, den er besiegt hat. „Er hatte eins zu eins dasselbe, nur an einer anderen Stelle", sagt Scheelen: „Wir kannten uns vorher nicht. Aber ich habe vor der Therapie Kontakt aufgenommen, weil ich wissen wollte, was auf mich zukommt. Das war schon sehr hilfreich. Vor allem, weil Benny nicht um den heißen Brei geredet hat. Er hat gesagt: Ich will dir keine Angst machen. Aber die Chemo wird dich komplett aus der Bahn werfen. Und so war es dann auch."
„Das wird dich aus der Bahn werfen"
Auf die Frage nach Details atmet der 31-Jährige tief durch. „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll", sagt er dann: „Ich hatte kaum Kraft, mir die Zähne zu putzen. Ich hatte Haarausfall, Appetitlosigkeit, ich war nur am Brechen. Drei Wochen konnte ich nichts machen. Gar nichts. Ich war ein Pflegefall. Es war einfach scheiße." Damals habe er sich an dem ein oder anderen Tag schon mal gefragt: „Was soll die ganze Scheiße? Da hätte ich fast den Kopf in den Sand gesteckt."
Zumindest seine Karriere als Profi-Fußballer hatte er da schon abgehakt. „Meine Mannschaft hat die Vorbereitung absolviert, und ich konnte nicht mal zum Kühlschrank laufen und mir eine Flasche Wasser rausholen", berichtet er: „Da hatte ich das Thema komplett beiseitegelegt." Doch Scheelen ist ein Kämpfer. Und natürlich gibt er nie auf. Und er hat, das versichert er mehrfach und glaubhaft, keine Angst gehabt, er würde nicht überleben. Schließlich hat ihm der Arzt bei der Diagnose direkt eine Heilungschance von 90 Prozent mit auf den Weg gegeben. Und als die Nachricht kommt, dass er geheilt ist, ist das für ihn irgendwie nur logisch. „Meine Frau hat geweint, mein Bruder hat geweint, bei meinem Vater sind Tränen geflossen", sagt er: „Aber für mich war es irgendwie selbstverständlich. Natürlich habe ich mich riesig gefreut, aber eher innerlich."
Schon die Reaktion nach der Schock-Nachricht ist für viele ungewöhnlich. Scheelen bittet den Arzt um Aufschub bei der Therapie. Er könne noch nicht anfangen, schließlich heirate er in zwei Wochen. „Das konntest du nicht abblasen", sagt er: „Und das wollte ich auch nie und nimmer tun."
Der Arzt stimmt zu. „Er hat gesagt: Ob wir jetzt anfangen oder in zwei Wochen, macht den Braten nicht fett", erinnert sich Scheelen: „Und Du kannst Dir auch die Kante geben, alles kein Problem." Und das habe er dann „natürlich" auch getan: „Zuerst habe ich auf meinem Junggesellenabschied Vollgas gegeben. Und auf der Hochzeit selbst auch. Es war ein wunderschönes Fest, einfach perfekt. An diesem Tag habe ich an nichts anderes gedacht."
Eingeweiht war beim Fest „nur der engste Kreis. Und man hat es mir sicher auch nicht angemerkt." Das bestätigt Trainer Mike Terranova, der Gast und eingeweiht war. „Ich konnte nicht richtig feiern", sagt er: „Es sollte der schönste Tag im Leben sein, und dann so was. Aber Alex hat das durchgezogen. Er war schon immer ein Kämpfer."
Benjamin Köhler gab Ratschläge
Nach der Hochzeit ging Scheelen mit Hilfe des Vereins offensiv an die Öffentlichkeit. „Das war auch ein Rat von Benny Köhler", erzählt er: „Er hat gesagt: Es bringt gar nix, das zu verschweigen. Du kannst einen anderen Grund nennen und ein halbes Jahr weg sein. Aber tu das nicht. Du wirst sehr viel Zuneigung bekommen. Und es wird dir helfen." Er habe dann „in der Tat viele Zuschriften bekommen, die mich sehr berührt haben. Von Fan-Clubs aus Dresden oder Kaiserslautern, aus ganz Deutschland."
Das alles half in der Leidenszeit, und erstaunlich schnell folgt die Genesung. Schon in der Vorbereitung im Januar steht Scheelen mit seinen Mitspielern in Oberhausen auf dem Platz. „Ich habe keine Einheit ausgelassen." Er holt sich die Fitness, wird im April im wichtigen Meisterschaftsspiel gegen Wuppertal eingewechselt und schießt in der Nachspielzeit das Siegtor zum 2:1. Ein modernes Fußball-Märchen. „Besser hätte man es in der Tat nicht erfinden können", sagt er: „Nach dem Spiel habe ich sogar noch mehr Nachrichten bekommen als nach der Diagnose."
Aus dem Aufstieg in die Dritte Liga wird es nichts. Doch Scheelen spielt häufig, sein Vertrag wird verlängert, und nach der Saison kann er auf den Seychellen sogar seine Flitterwochen nachholen. Es ist Normalität eingekehrt bei ihm. Doch wenn ihn jemand braucht, erzählt er ihm gern seine Geschichte. So wie es Benjamin Köhler einst bei ihm getan hat.