Smart Clothing könnte unser Leben erleichtern – oder auch nicht?
Längst hat die Künstliche Intelligenz Einzug in unseren Alltag gehalten. Da zur Problemlösung in einer komplexen Welt Intelligenz unverzichtbar ist, aber – wie täglich zu erkennen – die natürliche Intelligenz stetig schwindet, führt an der künstlichen kein Weg vorbei. Selbst bei unserer Kleidung, die nicht mehr bloß zum Anziehen da sein soll, sondern durch eine Kombination aus Mode und Technik zur Bedienoberfläche mit jeder Menge Zusatznutzen wird. Smart Clothing heißt das Ganze. So wurde beispielsweise in Amerika ein Gewebe entwickelt, das den Wärmeaustausch mit der Umgebung automatisch reguliert: Wenn man schwitzt, öffnen sich die Stoffporen mehr, bei Kälte ziehen sie sich zusammen und der Träger solcher intelligenten Kleidung kommt mit Temperaturschwankungen wunderbar klar. Hoffentlich funktioniert das besser als unser Fitness-Armband, das nach fünf Metern Joggen schon aufgeregt Alarm schlägt und seinen Normalzustand erst wieder erreicht, wenn wir den unseren schon mit einem Bierchen im Sessel genießen!
Aber warum soll es in einer Welt voller Rückschritte nicht wenigstens bei den Klamotten vorwärts gehen? Also werden in die zukunftsweisenden Stoffe leitende Materialien eingewebt, die an unserem Körper Daten sammeln und sie an externe Speicher weitersenden: schlimmstenfalls das Handy unseres Ehepartners! Bei sogenannten Solarzellen- oder Batteriestoffen werden die erforderlichen Energiequellen sogar einfach aufs Gewebe aufgedruckt. Unsere Kleidung kann dann leuchten, sich selbst reinigen, das Körperklima regulieren, den Arzt konsultieren oder sogar Gerüche tilgen. Wer kann da noch dagegen anstinken?
Wenn das so weitergeht und unsere Kleidung immer smarter wird, dürften wir schon bald unsere liebe Not haben, da mitzuhalten. Vermutlich werden wir dann ziemlich dumm aus unserer (intelligenten) Wäsche schauen …
Wir fragen uns aber: Wer kann sich da dank Smart Clothing so alles Zugriff auf unsere Daten verschaffen? Kann man sich eventuell in unsere Leibwäsche einhacken und so alles über unseren Blutdruck, die Cholesterinwerte oder die Hormonschübe erfahren? Muss jeder wissen, dass uns gerade der Kamm schwillt, obwohl unsere Frisur noch perfekt sitzt? Kann unser Chef per Handy kontrollieren, ob wir eine saubere Weste haben und uns für die Firma jederzeit das Hemd verreißen? Verrät unsere Hose durch ein Blinken an entsprechender Stelle, wenn wir einen Mitmenschen attraktiv finden? Sind wir künftig nur noch ganz nackt ganz unüberwacht?
Natürlich ist aber klar, dass die Vorteile des Smart Clothings überwiegen. Wenn unsere Wäsche Daten von unserem Körper empfängt, verarbeitet und weiterleitet, wird das unser Leben richtig erleichtern. Hängen wir nach dem Mittagessen in der Kantine schlapp im Bürostuhl, meldet unser Gürtel dem Chef entschuldigend: vorübergehendes Verdauungsproblem. Vergibt ein Nationalstürmer eine hundertprozentige Torchance, erfährt Jogi Löw über die Trikot-App sofort die Ursache: akute Leistungs-Zerrung! Trikottausch ist dann künftig natürlich nicht mehr erlaubt.
Vermutlich wird die Kleidung uns bald auch dabei helfen, die Mitmenschen besser einzuschätzen: Wenn sie zum Beispiel unterschiedlich intensiv rot leuchtet, sobald ihr Träger ein bisschen oder ein bisschen mehr lügt. Oder auch grün blinkt, wenn das Gegenüber spendier- oder paarungsbereit ist. So könnten Annäherungsversuche effektiv verhindert beziehungsweise gezielt gefördert werden. Und wenn man sich in stiller Zweisamkeit gegenseitig an die Wäsche gehen möchte, könnte die intelligente Kleidung durch leichte Vibrationen die Hände zielgenau an die richtigen Stellen führen. Wie viele enttäuschende Fehlgriffe blieben so erspart?
Solche oder andere, hier kaum alle aufzählbaren Vorteile des Smart Clothings müssten auch all jene überzeugen, die sich vor einer gefährlichen Weiterentwicklung zum gläsernen Menschen fürchten. Wer sich aber weiter darüber aufregen will, braucht sich künftig um alles Weitere nicht mehr zu kümmern: Der intelligente Kragen platzt von ganz allein!