Beim Städtehopping durch New York, Reykjavík und Paris empfiehlt sich ein Besuch in einem der berühmt-berüchtigten Künstler- und Boutiquehotels. Sichtung von Stars ist möglich.
Damals überragte das Singer Building wie ein Leuchtturm Manhattan. Auf den Straßen gab es noch Pferdefuhrwerke, gleichzeitig kamen die schwarzen Ford-T-Modelle in Mode und nahmen rasch zu. Der Times Square pulsierte. In Harlem sorgte der „Cotton Club" für einen neuen Swing. Die Flappers, junge Frauen mit unerhört kurzen Röcken und greller Schminke, verhalfen der Stadt mit ihrem Sexappeal zu noch mehr Aufsehen. New York wurde groß und war mit dem Größerwerden noch lange nicht fertig.
Der Boom kam mit Beginn der 30er-Jahre. Als die Prohibition in den letzten Zügen lag, wetteiferte eine neue Generation von Wolkenkratzern um die Gunst der Betrachter. Das Chrysler Building schoss mit kühnen Wasserspeiern und edler Stahlspitze in die Höhe. Nur ein Jahr später sorgte das Empire State Building für neue Rekorde. Auch das Rockefeller Center entstand. Mit ihm eine Reihe weltbekannter Fotographien: Bauarbeiter, die auf einem Stahlträger seelenruhig ein Pausenbrot zu sich nehmen. Oder ein Nickerchen halten. Ohne Seil und Sicherung. 250 Meter über der Stadt. Tödlich nahe am Abgrund.
Und mittendrin in diesem himmelwärts gerichteten Wahnsinn machte das „Bedford Hotel" von sich reden. Ein eher kleines Haus in der 40. Straße, roter Backstein, keine 20 Etagen hoch, aber mit famosem Blick auf das Empire. Und mit famosen Gästen. Vor allem die Künstler zog es hierher ins Art-déco-Dreieck. Beliebt war die Bar unten, wo sich das Who’s who der Literaturszene ein Stelldichein gab: F. Scott Fitzgerald („The Great Gatsby") und Gertrude Stein tranken einen über den Durst. Auch ein noch weitgehend unbekannter Hollywood-Regisseur bestellte am Tresen so manches Glas: Billy Wilder.
Thomas Mann lebte fünf Monate im berühmten „Bedford"
Danach kamen die Manns. Erst Erika und Klaus, der im Hotel seinen Romanerstling „Der Vulkan" schrieb. Dann der Vater Thomas Mann. „Wo ich bin, ist Deutschland" – dieser berühmte Satz des Exil-Schriftstellers, er fiel im „Bedford". Am 21. Februar 1938 während einer Pressekonferenz im Zimmer 1701 im letzten Stockwerk. Dort in einer Zwei-Zimmer-Suite lebte Thomas Mann fünf Monate, ehe er nach Princeton übersiedelte. Das „Bedford" aber blieb für Thomas und seine Frau Katia Mann das bevorzugte Hotel in New York. Fast wöchentlich zog es die beiden hierher, zum einen der Kinder wegen, aber auch um sich mit Verlegern und deutschen Exilanten zu treffen.
Ab den späten 70ern erlebte das „Bedford" einen gewissen Verfall, wurde plüschig und speckig, ja entwickelte sich zur billigen Bleibe. Heute präsentiert sich das Hotel in neuem Look und mit neuem Namen. Das „Renwick" gehört zur 2014 gegründeten Curio Collection, die als unabhängige und exklusive Marke Teil der Hilton-Gruppe ist. „Hinter jedem Haus steckt eine eigene Geschichte", betont Manager Mark Nogal, der die Kollektion ins Leben rief. Und „Curio" steht dabei für spleenig, ungewöhnlich, verquer, exzentrisch, schräg. Attribute, denen das „Renwick" als New-York-Hotel abseits des Mainstreams gerecht wird. Gelungen dabei: die Hinwendung zum literarischen Erbe. Ob im Foyer oder in den Zimmern – von den mit Konterfeis und Sinnsprüchen collagierten Wänden sprechen mit Thomas Mann, John Steinbeck, F. Scott Fitzgerald ehemalige Hotelgäste zu den jetzigen. Ein Ort zum Nachdenken in bevorzugter Midtown-Lage. Das „Grand Central" und das „Chrysler Building" liegen direkt ums Eck und lassen die Zeit und die Fantasie kreisen. Nur eins hat sich verändert: die Preise. Thomas Mann zahlte mikrige fünf Dollar fürs Zimmer. Heute sind es ein paar Dollar mehr.
Legendär ist aber in New York nicht nur das „Bedford/Renwick". Zu den waschechten Künstlerherbergen gehört das „Algonquin" mit seiner Tafelrunde um Dorothy Parker. Und das skandalöse „Chelsea" nördlich von Greenwich Village, das nach umfangreicher Renovierung in diesem Jahr sein Re-Opening feiert. Mark Twain logierte hier und Andy Warhol. Und diverse Punk-Rocker. Dee Dee Ramone zum Beispiel. Und Sid Vicious. Der Bassist der Sex Pistols trug auf seine Weise zum ramponierten Image des „Chelsea" bei. 1978 erstach er im Zimmer 100 erst seine Freundin Nancy Spungen. Ein Jahr später schied er selbst aus dem Leben, mit einer Überdosis.
Island hat sich gewandelt, der Tourismus blüht
Das Kuriose hält Mark Nogal auf Trab. Nicht nur in den Staaten sucht der Amerikaner nach weiteren einzigartigen Objekten für seine Hotelmarke. Die Reise führt uns nach Island, wo ein anderes Curio-Hotel erst vor Kurzem eröffnete: das „Konsulat" in Reykjavík. Als wir ankommen, erleben wir, und irgendwie passt das, ein kleines Spektakel. „Zur Seite!" befiehlt ein Bodyguard und „Stopp!", und dann ist es auch schon geschehen: Ein paar wilde Jungs verschwinden in einer Limousine und ziehen von dannen Richtung Flughafen. Die wilden Jungs? Die Hard-Rock-Musiker von Guns’n’Roses. Zwei Tage hat die Band zum Abschluss ihrer Welttournee im „Konsulat" genächtigt. Besser gesagt: Zwei Drittel des Hauses okkupiert, denn auch die Familienmitglieder wurden im Hotel einquartiert. Und diverse Ex-Bräute. Axl Rose und Slash im erweiterten Familienkreis mitten im malerischen Island – das hat was!
Island hat sich gewandelt. Die Finanzkrise 2008 bis 2011, so scheint es, konnte den Isländern nichts anhaben. Trotzig haben die Nachfahren der Wikinger Ideen und Konzepte verfolgt. Die Insel aus Feuer und Eis bebt, aber sie lebt. Neue Restaurants sind entstanden. Und neue Hotels, denn der Tourismus blüht. Dank cleverer Marketingstrategien und immer neuer Sensationen. Wer wie in Jules Vernes Roman „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde" in einen Vulkan hinabsteigen will – auf Island kein Problem. Wer tauchen will in einem Gletschersee – kein Problem. Und wer sich bei frostigen Temperaturen in einer Gletscherkapelle das Ja-Wort geben will – auch dafür gibt es eine Gelegenheit: im „Langjökull", Europas längstem Eistunnel, circa zwei Autostunden von Reykjavik entfernt. Sehr romantisch, aber: „Man sollte Gummistiefel dabeihaben", witzelt Sigrun, unser Guide, in die Runde, „der Boden der Eiskapelle ist oft knöcheltief von Schmelzwasser bedeckt."
So viel Spektakel, das kostet. Die Isländer lassen sich den Besuch ihrer Insel teuer bezahlen. Was man im „Konsulat" zu spüren bekommt. Schmuck und chic, aus einem alten Warenhaus, das um 1900 einem einflussreichen Konsul gehörte, entstanden. Aber preislich jenseits der Schmerzgrenze: Sommer 2019 locker über 400 Euro! Da ist das altehrwürdige Art-déco-Hotel „Borg" unweit des Parlaments die bessere Alternative. Wer aber die Insel nicht als Pleitegeier verlassen will, sollte auf die zahlreichen Airbnb-Angebote zurückgreifen.
Feminine Note in zentraler Lage
Letzter Szenenwechsel: Paris. Genauer: Montparnasse. Voller namhafter Cafés und Bars. Voller Leben und stilvoller Straßenzüge. Interkulturell. Kosmopolitisch. Einst Musenviertel der mittellosen Künstler. Wer keine Bleibe hatte, der schlief, das wurde zum Gewohnheitsrecht, in einem der vielen Cafés. Pablo Picasso wirkte hier, Marc Chagall und etliche andere. Aber auch die Amerikaner zog es hierher: Ernest Hemingway, Man Ray und die bereits erwähnte Gertrude Stein.
Da passt es, dass sich auch das „Niepce", ein weiteres Hotel der Curio Collection, benannt nach der Fotografin Janine Niépce, der Kunst und Avantgarde verschrieben hat. Zahlreiche Fotografien der Namensgeberin, die unter anderem Simone de Beauvoir und Marguerite Duras porträtierte, aber auch das Nachkriegsleben in den Straßen Paris’ einfing, zeugen im Foyer davon. Ein Boutiquehotel – wie auch das beliebte, einige Straßenzüge weiter entfernte „Le M Paris". Mit bewusst femininer Note in zentraler Lage unweit der Katakomben, bestens geeignet für Erkundungstouren durch die Hauptstadt Frankreichs.