Motivationstrainer versprechen grenzenloses Glück und Erfolg. Manche von ihnen füllen damit ganze Hallen. Aber ist das tatsächlich Lebenshilfe?
Die Seminarteilnehmer laufen über glühende Kohlen, brüllen Motivationssprüche und zahlen Tausende Euro. Hausfrauen, Studenten, Manager und Handwerker, sie alle kommen, um von Motivationstrainer Jürgen Höller zu erfahren, wie man richtig lebt. Höller war schon in den 90er-Jahren der Star unter den Trainern. Er baute den Weiterbildungskonzern Inline auf, beriet Konzerne wie die Deutsche Telekom und war der erste Mentaltrainer der Bundesliga. Als er sein Unternehmen für 550 Millionen D-Mark an die Börse bringen will, scheitert er. Nach der Pleite muss er wegen Insolvenzverschleppung und Veruntreuung von Firmengeldern für drei Jahre ins Gefängnis.
Für die einen war Höller ein Superstar, der mit seinen Trainings ihr Leben verändert hat. Für die anderen war er ein Scharlatan, der mit den Hoffnungen der Menschen spielt. Jetzt jedenfalls ist er wieder da. 2004 wurde er aus dem Gefängnis entlassen, hatte mehrere Millionen Schulden und seine Karriere galt als beendet. Schritt für Schritt kämpft sich Höller wieder nach oben, gibt sich als geläutert und tritt mittlerweile wieder in der Münchner Olympiahalle auf. 13.000 Menschen feiern seine triumphale Wiederkehr. Der NDR-Dokumentarfilm „Der Motivationstrainer" hat ihn dabei begleitet.
„Es geht mir von Tag zu Tag und in jeder Hinsicht immer besser und besser und besser", ruft Höller in eine alpine Traumlandschaft. Es folgen: „Ich lebe in Heiterkeit, Freude und Leichtigkeit" und „Ich liebe mich vollkommen und bedingungslos so wie ich bin." Jeweils dreimal. Autosuggestion nennt er die Methode und gibt sie auch an seine Teilnehmer weiter. Unter seiner Anleitung rufen sie Sätze wie „Ich liebe mich", „High five – ich schaffe das" und „ich ziehe Geld an wie ein Magnet". Dazu hüpfen sie auf und ab und schwenken ihre Arme zu 90er-Jahre-Hits wie „I’ve got the Power" von Snap.
2.000 Euro kostet ein Wochenendseminar, das wahren Erfolg im Leben verspricht. Sein Unternehmen beschäftigt wieder 70 Mitarbeiter und verzeichnet zweistellige Wachstumsraten. Und Höller hat schon das nächste Ziel ins Auge gefasst: die globale Expansion. „Was soll das Problem daran sein, wenn man Menschen hilft, erfolgreicher zu sein?", fragt er im Film. Und tatsächlich ist Höller nicht der Einzige, der Menschen auf diese Weise Glück und Erfolg bringen will.
In den USA sind solche Massenseminare deutlich populärer und etablierter als in Deutschland. Der größte Star der US-Amerikaner: Tony Robbins. Er hat Bill Clinton, Mike Tyson und Andre Agassi gecoacht. Drei Bücher hat er geschrieben, allesamt Bestseller und in 14 Sprachen weltweit übersetzt. Regelmäßig gelingt es ihm, massenweise Menschen in riesigen Hallen zu versammeln. Vier Millionen Menschen folgen ihm allein auf Instagram. Neben seinen Seminaren verkauft auch er eine Vielzahl an unterschiedlichen Programmen und zusätzlichen Angeboten. Sein Vermögen wird auf 500 Millionen Dollar geschätzt.
Zwischen Professionalität und Scharlatanerie
Kritiker werfen ihm vor, dass viele seiner Methoden keiner wissenschaftlichen Prüfung standhalten. Dazu zählen beispielsweise die Einnahme von Weizengrassäften und die Magnetfeldtheorie, die Lebensmittel aufgrund ihrer Energie-frequenz bewertet. Immer wieder sind Motivationstrainer in der Kritik. Nicht selten werden sie als Scharlatane ihrer Branche betrachtet, weil sie viel Geld damit verdienen, indem sie Menschen die Erfüllung großer Träume versprechen.
Christopher Rauen, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Bundesverbandes Coaching hält wenig von solchen Angeboten: „Für mich ist das Laienpsychologie. Die meisten Weisheiten sind nicht viel mehr als Kalendersprüche, die suggerieren, dass alles im Leben möglich ist." Solche Coachingmethoden basierten auf gruppendynamischen und massenpsychologischen Effekten. „Die Menschen werden stark euphorisiert. Sie haben ein paar Stunden lang eine gute Zeit und verwechseln das dann mit persönlicher Entwicklung. Hinter publikumswirksamen Programmen steckt meist vor allem eines: eine riesige Marketingmaschine." Mehr noch hält Rauen es sogar für gefährlich, die Eigenverantwortung der Teilnehmer überzubetonen. „Solche Seminare ziehen labile Persönlichkeiten an. Wenn ihnen eingeredet wird, dass jeder erfolgreich und glücklich werden kann, fallen sie hinterher möglicherweise in ein umso größeres Loch, wenn das nicht eintritt." Beschwerden über gescheiterte Coachings oder unlautere Methoden erreichen ihn jedoch genauso von gestandenen Führungskräften, die an den Falschen geraten sind. Auch Sabine Riede von der Sekteninformationsstelle in Nordrhein-Westfalen hat erlebt, wie das Mantra „Du kannst alles schaffen, du musst es nur wollen" Führungskräfte in Schuldgefühle und Depressionen oder Unternehmer in den Ruin getrieben hat. Namen schwarzer Schafe nennt man bei der Sekteninformationsstelle ungern. Denn solche Coaches hatten sich in der Vergangenheit als durchaus klagewütig erwiesen.
Während manche Angebote sich schon beim ersten Anblick als Humbug entpuppen, gibt es jedoch zahlreiche Auftritte, die sich in der Grauzone zwischen Professionalität und Scharlatanerie bewegen. Bei denen manches sinnvoll und hilfreich ist, anderes hingegen wenig fundiert oder gar schädlich erscheint. Sie zu beurteilen und einzuordnen, fällt besonders schwer.
Dass Motivationstrainer beispielsweise dazu aufrufen, sich die eigenen Wünsche immer und immer wieder bewusst zu machen, mache durchaus Sinn, findet der Psychotherapeut und Professor für Religionspsychologie Sebastian Murken. „Wer sich seine Wünsche immer wieder vergegenwärtigt, verhält sich eher so, dass er sein Ziel erreicht." In diesem Zusammenhang spreche man von einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Auch den Menschen zur Selbstdisziplin zu erziehen, hält Murken für erstrebenswert. Diese würde in unserer Spaßgesellschaft schnell verloren gehen. Er erlebte den deutschen Motivationscoach Christian Bischoff, als dieser einen Vortrag an der Schule seines Sohnes hielt. Der jedoch sei immun gegen solche „Tschakka-Typen", so der Psychotherapeut.
Viel Show und Geldmacherei
Sein Kollege Günter Scheich verfolgt die Entwicklung rund um das Motivationstraining ebenfalls mit Skepsis. Er spricht in dem Zusammenhang von „Big Psycho Business". Vor allem jene Trainer, die permanent Optimismus propagieren, sind ihm ein Dorn im Auge. „Es ist eine totalitäre Methode, die den Menschen verkrampft, statt ihn zu befreien. Er soll sich einem Motto unterwerfen, das nicht zu realisieren ist." Grundsätzlich sei es natürlich hilfreich, dem Leben eine positive Grundausrichtung zu geben, die Jagd nach einem imaginierten Optimum aber führe den Menschen in einen dauerhaften Zustand der Unzufriedenheit. Mancher Forscher deutet das als Symptom einer tief greifenden Angst: nicht genug zu haben, nicht genug zu können, nicht genug zu sein.
Auf Kritik angesprochen, werden seitens der Trainer immer wieder ihre eigenen Resultate aufgeführt. Tatsächlich sind die Hallen unbestreitbar voll, die Kasse klingelt, und zahlreiche Teilnehmer berichten, wie sehr sich ihr Leben verändert habe. Jürgen Höller selbst sagt über sich: „Mich interessiert es nicht, ob ich ein Spitzen-Trainer bin. Ich will Spitzen-Verdiener sein!" Prägend für ihn sei die Erfahrung gewesen, als Siebenjähriger ausgelacht zu werden, als er verkündet habe, dass er Millionär werden will. Er wollte es allen zeigen und er hat sein Ziel erreicht. Einige Teilnehmer halten sein Seminar für zu viel Show und Geldmacherei. Dennoch finden sich zahlreiche Menschen, die ihm zwischen 1.500 und 4.000 Euro pro Kopf für die Teilnahme an solchen Seminaren zahlen und begeistert sind. Er verweist auf weiterführende Seminare, Arbeitsbücher und Audio-Programme. Freunde und Bekannte sollen sich auf E-Mail-Listen setzen lassen, diese werden dann kostenlos zu einem ersten Seminar eingeladen. Es soll nicht ihr letztes sein. Seine Mitarbeiter gehen in der Pause auf die Teilnehmer zu, versuchen sie dazu zu bewegen, neue Programme und Seminare direkt per Unterschrift zu kaufen. Nach der Pause lässt Höller alle aufstehen, die einen neuen Kaufvertrag unterzeichnet haben und lässt sie feiern. Dann richtet er sich an jene Menschen, die sitzen geblieben sind. Zwei Tage hätten er und sein Team wirklich alles versucht, um ihnen zu helfen. Er könne nicht verstehen, warum sie nun nicht kauften. „Wenn du nicht mal bereit bist, 1.497 Euro in dich zu investieren, ja Himmel Herrgott, warum soll das Universum dir helfen, ein besseres, erfolgreicheres Leben zu führen?", brüllt er sie an. Ein Großteil der Halle springt auf, klatscht und jubelt ihm zu.
Höller hat eine genaue Vorstellung davon, warum ihn so viele Menschen wie einen Popstar feiern. „Früher haben Menschen Fußballer verehrt, heute sind es Coaches. Sie schauen immer zu denjenigen auf, die ihnen etwas voraushaben. Mein Rat ist es jedoch, sich immer mehrere Vorbilder zu suchen." Seine seien beispielsweise Muhammad Ali, Nelson Mandela, Arnold Schwarzenegger, Steve Jobs und Jesus Christus. Und auch der habe ja schon gelehrt: „Alles ist möglich, dem der glaubt."