Unterhaltsam verfilmt: In der Briefroman-Adaption des weit über 2,5 Millionen Mal verkauften Bestsellers des Journalisten Daniel Glattauer „Gut gegen Nordwind" verursacht ein kurzer, falscher Klick mit der Maus eine schicksalhafte E-Mail-Beziehung zwischen einer „glücklichen" Ehefrau und einem beziehungsgeschädigten Linguisten.
Schreiben Sie mir, Emmi. Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf", heißt es höchst verknallt im internationalen Bestseller des Beinahe-Buchpreisträgers Daniel Glattauer von 2006. Grund genug, für Independent-Filmemacherin Vanessa Joop im profunden Verbund mit Drehbuch-Ass Jane Ainscough eine wunderschöne Kinoromanze zu kreieren, die der Vorlage mehr als gerecht wird: Eine kleine vertausche Silbe oder ein Satzzeichen können fatale Folgen haben. Die E-Mail landet bei der/dem Falsche(n). So beim Kölner Linguisten Leo Leike (Alexander Fehling), der irrtümlich von Emma Rother (Nora Tschirner) Post bekommt, die ursprünglich als Kündigung für ein Zeitschriften-Abonnement gedacht ist. Der kultivierte Uni-Angestellte antwortet jedoch höflich, wie es in jedem Klasse-Knigge nachzulesen ist. Zudem ist er sowieso berufsbedingt an Soziolinguistik interessiert. Warum also nicht nett zurückmailen, wenn man eh dauerfrustriert durch die Querelen seiner mit Zuckerbrot und Peitsche waltenden Freundin Marlene (Claudia Eisinger) just zum wiederholten Male den finalen Laufpass beschert bekommen hat? Leo lenkt sich via Nachrichtenaustausch mit der Unbekannten wohltuend ab, der Kontakt ist von penetranten Anzüglichkeiten, schmutzigem Ausspähen und heimtückischer Stalkerei ethisch befreit. Keine sozialen Netzwerke, selbst ein ordinäres „Ergooglen" bleibt tabu.
Trotz Distanz wächst die Intimität
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, heißt es so schön. Aber ohne das informative und ehrliche Wort verwaist und verwirrt jedes Bild, wenn es nicht im adäquaten Kontext platziert wird. So kommen sich Leo und Emmi im Lauf der Zeit immer näher, werden immer mutiger, persönlicher, intimer. Doch dann folgt die Ernüchterung. Die selbst verunsicherte Emmi gesteht, glücklich mit dem 15 Jahre älteren Dirigenten Bernhard (Ulrich Thomsen) verheiratet zu sein und mit zwei gesunden Kindern in familiärer Harmonie zu darben. Etwas Entscheidendes fehlt jedoch. Die Freiheit? Auch Leo brennt es auf den Nägeln, er will Emma endlich in der Realität begegnen, betrachten und vielleicht auch berühren …
Mit seinem gleichnamigen, berührendem Roman fesselte der Autor und Journalist Daniel Glattauer die vorwiegend weibliche Klientel, schrammte 2006 an den monetären Meriten des Deutschen Buchpreises knapp vorbei und legte aber mit weit über zwei Millionen verkauften Büchern die Messlatte für eine Verfilmung auf die höchste Stufe an. Es ist für Verleiher und Regisseure eine ziemlich sichere Bank, zumal schon seine Vorgänger „Geschenkt" oder „Die Wunderübung" auf der Leinwand großen Erfolg hatten.
Viele Faktoren sind erfüllt, um ein Erfolg zu werden
Mit der schwäbischen Erfolgsfilmerin Vanessa Joop („Lügen und andere Wahrheiten") und der Drehbuchspezialistin Jane Ainscough („Miss Sixty") legten zwei taffe Komödien-Kraftkino-Frauen Hand an, die solch diffizile Themen zu adeln vermögen. Gegen einen Flop sprechen aber vor allem die aus „Keinohrhasen" bekannte Nora Tschirner und Arthaus-Protagonist Alexander Fehling („Der Hauptmann") in den Hauptparts. Wie gut, dass beide selbst einmal ein Pärchen waren. Deshalb sind Inszenierungsmechanismen nicht nur einfach „authentisch", sondern mächtig. Einsame Spaziergänge am aufgewühlten Meer und Slapstick verbrämte Zufalls-Szenarien zwischen den Obst- und Gemüseregalen im Supermarkt nebenan werden atmosphärisch dicht in der Filmmontage inszeniert. Der dramatisch-depressive Score von Hauschka bekräftigt zusätzlich das explosive Gefühls-Gemenge zwischen Neugierde, Unruhe, Hoffnung, Sehnsucht, Abwehr und Abgrenzung um ein Vielfaches. Dagegen sind unzählige Vorgaben wie „E-Mail für Dich" (Regie: Nora Ephron), „Liebe auf den zweiten Blick" (Regie: Joel Hopkins) und diverse ähnliche Popcornproduktionen plumper US-Komödienklamauk.