Deutsche Clubs gaben in der abgelaufenen Transferperiode so viel Geld wie noch nie für neue Spieler aus – ohne jedoch die ganz teuren Profis zu verpflichten.
Eine Ausnahme gibt es natürlich. Die machte der FC Bayern. Kommt Leroy Sané? Kommt er nicht? Die Frage, die Fußball-Deutschland beschäftigte, beantworteten die Münchner Macher mit Philippe Coutinho. Der Brasilianer, der sich in Barcelona nicht so durchsetzte wie zuvor beim FC Liverpool, wurde erst mal für zehn Monate ausgeliehen.
Die Clubs der Bundesliga befinden sich bei den Transferausgaben auch ohne 100-Millionen-Euro-Transfer auf Rekordkurs. Das ganz große Geld wird anderswo transferiert – in der abgelaufenen Transperiode vor allem in Spanien. Die deutschen Vereine steigerten die Rekordmarke von 577 Millionen Euro aus dem Sommer 2017 nach Berechnung der Deutschen Presse-Agentur in diesem Sommer aber immerhin deutlich auf 698,85 Millionen für 156 neue Profis – ohne die Gebühren für weitere 26 Leihspieler, zu denen auch Coutinho gehört.
Den größten Transfer machte dennoch der FC Bayern München: Für 80 Millionen Euro kam Lucas Hernández von Atlético Madrid nach München. Er ist damit der teuerste Einkauf der Bundesligageschichte und teuerster Verteidiger der Welt. Der Verteidiger, der 2018 mit Frankreich die WM gewann, soll die Defensivreihe der Bayern stabiler und schneller machen. Einen erstaunlich hohen Umsatz erzielte Eintracht Frankfurt durch die erzielten Einnahmen. 106 Millionen Euro bekamen die Hessen dafür, dass Fredi Bobic seine Hurra-Truppe aus der Europa League entzaubern musste. Ante Rebic, Luka Jovic, Sébastien Haller: Alle gingen weg. Allein Jovic brachte von Real Madrid 60 Millionen Euro ein.
Großer Umbruch bei Eintracht Frankfurt
Auf der Suche nach Ersatz wurde die Eintracht im Ausland fündig. Die Hoffnungen ruhen vor allem auf André Silva. Sie haben eine Menge vor mit dem Mann, der im Zentrum für Tore sorgen soll. Er sei aber in erster Linie einer, „der für das Team arbeitet, der niemals aufgibt", sagte er bei seiner offiziellen Vorstellung. „Tore kommen dann von ganz allein." In seiner besten Zeit beim FC Porto hat er in 44 Pflichtspielen 21 Treffer erzielt, in der Saison 2016/2017 war das, da ging in Portugal sein Stern auf. An diese Leistung soll er in Frankfurt anknüpfen.
Vor zwei Jahren hatte sich der große Cristiano Ronaldo ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt: „Wenn ich zurücktrete, ist Portugal in guten Händen. Denn das Team hat bereits einen tollen Stürmer gefunden: André Silva." Das war im Juni 2017, und der junge Angreifer, den sich der berühmte CR7 als seinen Nachfolger ausgeguckt hatte, schien auf dem besten Weg zu einer Bilderbuchkarriere. Da klopfte schon der renommierte AC Mailand an, überwies 38 Millionen und André Miguel Valente Silva, so sein kompletter Name, wechselte nach Italien. In Mailand hat der technisch starke und elegante Spieler nicht ganz an diese Leistungen anknüpfen können: Zehn Tore in 41 Spielen waren den Italienern zu wenig, sie verliehen ihn zum FC Sevilla. Auch dort kam er auf eine ähnliche Quote: 40 Partien, elf Tore. Allerdings war er auch monatelang an der Patellasehne im Knie verletzt.
Mit Bas Dost kehrte ein alter Bekannter in die Bundesliga zurück. Dost ist ähnlich wie sein Vorgänger Haller ein großer, bulliger Stürmer. Mit seinen 1,96 Metern ist er der ideale Zielspieler für lange Bälle und Flanken in den Strafraum. „Wir haben gesagt, dass wir einen großen Spieler haben wollen, der in der Box auch gefährlich ist. Einen Torjäger, der auch Erfahrung hat. Und das hat er", beschrieb Eintracht-Trainer Adi Hütter den Neuzugang gegenüber der „Frankfurter Rundschau". In 84 Spielen für Sporting Lissabon in der ersten portugiesischen Liga traf er 76 Mal. In der Bundesliga stehen für ihn 36 Tore in 85 Spielen zu Buche, allesamt erzielt für den VfL Wolfsburg, wo er zwischen 2012 und 2016 aktiv war. „Ich will zeigen, dass ich Tore schießen kann, denn am Ende geht es genau darum. Deswegen hat mich die Eintracht auch verpflichtet", sagte Dost der „Frankfurter Rundschau".
Groß sind die Erwartungen auch an Coutinho. Weltmeister Corentin Tolisso glaubt, dass der brasilianische Neuzugang in der laufenden Saison den Unterschied zugunsten von Bayern München ausmachen kann. „Ganz klar ja. Er hat alles, was ein Weltklassespieler braucht", sagte der Franzose im Interview mit Sky Sport News HD. Coutinho sei „ein unglaublicher Junge. Seine besten Jahre hatte er in Liverpool, auf der 10 hat er dort alles auseinandergenommen", so Tolisso. Der Südamerikaner sei „sehr stark am Ball, und natürlich kann er in den entscheidenden Momenten den Unterschied machen. Er ist torgefährlich, hat einen sehr guten Abschluss und ein gutes Auge für den Mitspieler. Er wird sehr wichtig sein für uns".
Coutinho soll den Unterschied machen
Im Trubel um Coutinho gingen die späten Transfers der Bayern eher unter. Dennoch soll vor allem Ivan Perisic eine wichtige Rolle spielen. „Bevor beide da waren, hatten wir nicht unbedingt eine Mannschaft, die in dieser Spielzeit das Triple hätte gewinnen können. Aber Ivan und Philippe werden uns sehr gut tun", glaubt Tolisso. „Sie werden uns dabei helfen, in diesem Jahr Titel zu gewinnen." Eher als Perspektivspieler ist Mickaël Cuisance geholt worden, der in Gladbach seinen Abgang regelrecht inszenierte. Nachdem Manager Max Eberl und Trainer Marco Rose den Franzosen scharf kritisiert hatten, fand auch Ex-Nationalspieler Christoph Kramer deutliche Worte. „Positiv kann man sagen: Er ist unheimlich ehrgeizig, möchte unbedingt Stammspieler werden, Verantwortung übernehmen und der Mannschaft helfen. Das sind erst mal gute Eigenschaften. Aber auf der anderen Seite geht es darum, wie man das umsetzt", sagte der Weltmeister von 2014 gegenüber Sky. Gegenüber der Kauforgie der Münchner und den Nachkäufen der Frankfurter Eintracht fielen die anderen Last-Minute-Transfers eher ab. RB Leipzig verpflichtete Patrik Schick (23/Sturm), als Leihe vom AS Rom (etwas über drei Millionen Euro Leihgebühr, Kaufoption über 15 bis 20 Millionen). Vincenzo Grifo (26/Mittelfeld) holte der SC Freiburg für sieben Millionen Euro aus Hoffenheim, für die bescheidenen Verhältnisse der Breisgauer durchaus eine Hausnummer. Leonardo Bittencourt (25), wurde von Hoffenheim nach Bremen verliehen, die Hanseaten holten auch noch Außenverteidiger Michael Lang von Borussia Mönchengladbach. Hertha BSC Berlin holte Angreifer Marius Wolf (24) aus Dortmund auf einer Leihbasis inklusive Kaufoption über 20 Millionen Euro.
Interessant: Nur vier der 18 Bundesliga-Vereine können eine positive Transferbilanz vorweisen. Neben Eintracht Frankfurt (plus 42,3 Millionen Euro) sind das TSG Hoffenheim (plus 86 Millionen Euro), Fortuna Düsseldorf (plus 10,75 Millionen) und überraschenderweise Aufsteiger SC Paderborn (plus 4,9 Millionen). Hoffenheim transferierte im Sommer unter anderem Mittelstürmer Joelinton für 44 Millionen Euro zu Newcastle United, weitere 32 Millionen spülte der Transfer von Kerem Demirbay zu Bayer Leverkusen in die Kasse. Zudem ging Linksverteidiger Nico Schulz für 25,5 Millionen Euro nach Dortmund.
Spanien ist England auf den Fersen
Im Vergleich zur Premier League sind das allerdings Peanuts. „England bleibt mit dem lukrativen TV-Vertrag, der blendenden internationalen Vermarktung und den immer vollen Stadien die Insel der unbegrenzten Möglichkeiten, ein Paradies für Spielervermittler und ihre Klienten. Für insgesamt 1,55 Milliarden Euro haben die Premier-League-Clubs Spieler eingekauft", beschreibt die „Neue Zürcher Zeitung" das Finanzgebaren auf der Insel. Doch die Spanier sind den Engländern ins Sachen Geldausgeben auf den Fersen. Vor zwei Jahren hatten deren Clubs noch 604 Millionen Euro ausgegeben. Nun waren es mit 1,32 Milliarden mehr als das Doppelte und so viel wie noch nie. In der Rangliste der ausgabefreudigsten Vereine nehmen die Spanier auch gleich die ersten drei Plätze ein. Real Madrid leistete sich vier Spieler der höchsten Preiskategorie. Für Eden Hazard überwiesen die Königlichen 100 Millionen Euro an Chelsea. Mit 307,5 Millionen Euro an Auslagen steht Real Madrid an der Spitze der Einkäufer vor dem FC Barcelona, der 120 Millionen Euro für Antoine Griezmann von Atlético Madrid ausgab. Die legten das Geld nicht etwa auf ein Sparbuch, sondern gaben es direkt aus und legten auch noch obendrauf. João Félix wechselte für satte 126 Millionen Euro von Benfica Lissabon zu Atlético Madrid. Die Erwartungen an den 19-jährigen Portugiesen sind nicht nur aufgrund der immensen Ablösesumme riesig. Er soll wie der Frankfurter Silva irgendwann die Nachfolge von Ronaldo antreten.