Wenn man Milow in Fernsehshows sieht, ist er meistens fröhlich. Er lacht viel und verbreitet gute Laune. Doch wie die meisten Künstler hat Milow auch einige Schattenseiten des Lebens durchgemacht. Möglichkeiten, der Realität zu entfliehen, gab es ja schon immer genug: die einen schreiben, andere zelebrieren Rollenspiele – und wieder andere flüchten sich in den Sport oder die Musik. Nun lässt sich darüber streiten, wie viele desaströse Lebenserfahrungen auf Realitätsentzug folgen. Denn für Künstler ist diese zumindest beruflich gesehen das Beste, was sie gegen ihren Kummer tun können. Im Gegensatz zu destruktiven Fluchtversuchen, wie Computerspiele oder Alkohol, ist Musik ein produktives Mittel, um mit Kummer umzugehen und zu filtern.
Und so präsentiert der 1981 geborene Milow auf seinem neuen Album „Lean into me" einige von Pubertätskrisen durchzogene Titel, wie zum Beispiel den Song „Michael Jordan", in dem ein Erwachsener von seinem Kindheitstraum erzählt, ein berühmter Basketballspieler zu werden. Dieser Traum hat sich zwar nicht erfüllt, dennoch hat er nie aufgehört, Basketball zu spielen. Fast schon niedlich wirkt dagegen der Song „Houdini". Hier schildert Milow einen Jungen, der sich einen Tag vor seinem zehnten Geburtstag wünscht, sich so in Luft auflösen zu können, wie sein Vorbild, der Magier Houdini: „Ich nehme mein Fahrrad und verschwinde", singt er. Da könnte man sich fast schon Sorgen machen, warum das Thema „Realitätsflucht" so allgegenwärtig ist. Aber der Clou daran ist: Auch erfolgreiche Menschen wie Milow hatten als Kinder vielleicht andere Träume und Lebensplanungen, die nicht eingetroffen sind. Trotzdem sind sie glücklich.
Und weil glückliche Menschen auch Glück verbreiten wollen, hat Milow seinem Album noch eine Best-of-CD beigefügt, mit Titeln wie „You don’t know" oder auch „Howling at the Moon", viele gitarrenlastige Songs, die charakteristisch sind für Milow und sich laut „FAZ" „irgendwo zwischen Folk, Country und Pop" bewegen. Man kann dies nun einordnen, wie man will. Eines ist jedoch klar: Milow und seine Gitarre sind nicht zu trennen. Das wäre fatal.