Die nach Wien zweitbeliebteste Städte-Destination Österreichs hat nicht nur Mozart zu bieten. Seit Kurzem können Liebhaber der zeitgenössischen Kultur auf einem „Walk of Modern Art" quer durch die Stadt jede Menge Kunst entdecken.
Es ist Festspiel-Zeit in Mozarts Geburtsstadt Salzburg. Tausende Kulturfans zieht es auch diesen Sommer wieder zum „Jedermann" und anderen klassischen Schmankerln. Während 550.000 Menschen jährlich zu seinem Geburtshaus pilgern und eine Million Besucher vor der Festung Hohen Salzburg das 1.001. Selfie schießen, eröffnet sich neuerdings ein anderer Blickwinkel auf den beliebten Touristenmagnet. Die nach Wien übrigens zweitbeliebteste Städte-Destination Österreichs entpuppt sich als Creative City und hat auch Liebhabern der zeitgenössischen Kunstszene einiges zu bieten.
Die Unesco-Kulturstadt präsentierte sich schon immer selbstbewusst „als Bühne der Welt". Die Salzburger Festspiele und Mozartwochen sind und bleiben der Höhepunkt der ganzjährig stattfindenden über 4.000 Kulturevents. Doch bemüht sich die Stadt nun auch vermehrt, den Fokus auf die kulturelle Peripherie zu legen. Neben Oper, Theater und Konzert bieten mehr als 50 Galerien und 20 Museen ein paralleles Kulturprogramm. Die „Sommerszene" – eine avantgardistische Plattform für Performance, Tanz, Theater, Musik und Bildende Kunst, wurde bereits in den 70er-Jahren als Gegenpol zur Festspielkultur gegründet. Mit provokativen Happenings im öffentlichen Raum stößt sie auch gerne mal auf Gegenwind derer, die das Althergebrachte pflegen. Dass sie sich etabliert hat, zeigt das 50. Jubiläum, das im Herbst gefeiert wird.
Beliebt sind die den Blickwinkel schärfenden Themenwege. Neben barocken Kirchen-Rundgängen – oder einer „Brauhaus"-Route schlängelt sich seit Jahresmitte der „Walk of Modern Art" – kurz Woma – durch die Stadt: ein Kunst-im-öffentlichen-Raum-Parcours, den es über viele spannende Umwege zu begehen lohnt.
Alle Standorte sind leicht zu Fuß erreichbar und frei zugänglich: Ausgestattet mit einer detaillierten Karte oder online lässt sich der sechs Kilometer lange Kunst-Themenweg rein theoretisch in 2,5 Stunden erlaufen. Aber natürlich gilt es an den 14 Stationen zu verweilen. Der Weg führt vom Hauptbahnhof zum Mirabellgarten bis auf den Mönchsberg, durch den Festspielbezirk und entlang der Salzach in den Süden der Altstadt. Man passiert Salzburgs schönste Plätze und streift dabei Kontraste setzende, moderne Architektur, die sich an barocke Fassaden schmiegt. Die zeitgenössisch avantgardistischen Kunstwerke befinden sich oftmals unerwartet an unpopulären, eher versteckten Orten wie im Aufgangsknick hinter der tempelartigen Universität Mozarteum. So lernt man auch die „zweite Reihe" der von den drei Hausbergen Mönchs-, Kapuziner- und Gaisberg eingerahmten Stadt kennen und meidet den Tross auf ausgetrampelten Pfaden.
Stadtgeschichte bei Führungen
Man begegnet Werken von österreichischen Künstlern wie Brigitte Kowanz, Manfred Wakolbinger und Erwin Wurm, aber auch internationalen Größen wie Marina Abramovic, Jaume Plensa oder Anthony Cragg. Themen wie Migration, Gender, Erinnerung oder das ewige Werden fließen in die Kunstwerke aus Stein, Edelstahl, Bronze bei Kerzenschein, Nachteinbruch oder Neonlicht. Sie stehen aber nicht erst seit gestern im offenen Stadtraum, sondern wurden seit über 20 Jahren im Rahmen des „Kunstprojekts Salzburg" zusammengetragen. Bei dem vorerst auf zehn Jahre angelegten Projekt (Initiative der Salzburg Foundation in Kooperation mit der Stiftung für Kunst und Kultur e.V. Bonn) wurde von 2002 bis 2010 jedes Jahr ein Künstler eingeladen, seinen Blick auf die Geschichte, Architektur und Seele der Stadt und das jeweilige Viertel in einem Werk im öffentlichen Stadtraum zu konzipieren. Alle Standorte haben die Künstler persönlich ausgewählt. Seit 2013 gehören die Woma-Installationen in den Bestand der internationalen Sammlung Reinhold Würth und stehen der Stadt als Dauerleihgabe zur Verfügung.
Den Anfang und das aktuelle Ende des Blick-von-Außen-Reigens macht Anselm Kiefer, der im Jahre 2002 mit seiner begehbaren Installation A.E.I.O.U. den Kreis eröffnet und ihn 2019 mit „Die Sprache der Vögel" vorerst schließt. Manche Kunstwerke wie der „Sky Space" (James Turrell, 2006) – ein elliptischer, nach oben offener Steinraum oder die Lichtinstallation „Ziffern im Wald" (Mario Merz, 2003) auf dem Mönchsberg sollten im magischen Licht des Morgens oder zur Blauen Stunde besucht werden. Kunst unter freiem Himmel ist nahbar.
Wer sich entspannt in die Obhut eines Salzburger Fremdenführers und Lokal-Experten begeben möchte, buche sich einen der lizenzierten Austria Guides. Bei der Stadtführung erfährt man neben der allgemeinen Stadtgeschichte kleine Anekdoten am Wegesrand. Während sich die klassischen Klänge des Festivals wellenförmig über die Ufer der Salzach und den märchenhaften Mirabellgarten schieben, steht man plötzlich vor einem Kubus aus hellem Krastaler Marmor. Mitten auf der glatt gemähten Wiese wirkt er etwas verloren, und manch touristische Flaneur wird ihn einfach übersehen, sich wundern oder die fein ausgearbeitete Oberfläche bemerken: Das Licht- und Schattenspiel der linear verlaufenden, gefrästen und mit einem Meißel nachmodulierten Würfel versetzt den Stein in Schwingung. Der „berliner block" von Gerhard Trieb ergänzt seit 2017 den Woma und stand davor in Potsdam. Man erfährt, dass der asketische Feingeist aus Kärnten nach Stationen in Berlin in seiner Salzburger „Gedankenwerkstatt" sogar Besuch empfängt.
Leica Galerie ist ein Geheimtipp
Beim Woma-Wandeln durch die verwinkelten Gassen der Altstadt stößt man auf Salzburgs Galerien und Museen. Sie spannen den Bogen von Lokalem zu Internationalem – von Altem zu Modernem – von Pop Art, Medienkunst, Fotografien, Gemälde über Zeitschriften, Druckgrafiken bis zu Zeichnungen. Kein geringerer als Kunst-Mäzen Thaddaeus Ropac hat – neben Metropol-Ablegern in Paris und London eine 2.300 Quadratmeter große Galerie eröffnet. An die 60 Künstler präsentieren hier europäische und nordamerikanische Malerei und Skulpturen. Robac zählt laut dem britischen Kunst-Barometermagazin ArtReview als einziger Österreicher zu den 100 wichtigsten der internationalen Kunstwelt. Nicht zu übersehen thront das Museum der Moderne – ein Zentrum für Kunst der Gegenwart – als architektonischer Gegenpol auf dem Rücken des Mönchsberg gleich neben der Festung. Sein Zweitableger – das Rupertinum – ein frühbarockes Gebäude aus dem 13. Jahrhundert – ist im Zentrum der Altstadt situiert und beheimatet das Kompetenzzentrum für österreichische Fotografie nach 1945. Mit 12.000 Werken zählt die „Fotosammlung des Bundes am Museum der Moderne Salzburg" zu den größten Privatsammlungen Österreichs. Die bildmedienerfahrene deutsche Kuratorin Christiane Kuhlmann war drei Jahre in der Berlinischen Galerie tätig und sieht hier großes Potenzial, österreichische Fotografie weltweit bekannter zu machen. Auf 700 Quadratmetern werden Wechselausstellungen von internationalem Format präsentiert. Seit 2008 wurde die Galerienszene um die „Leica Galerie" mit Ausstellungen ausgewählter historischer und zeitgenössischer Fotografie ergänzt. Der eigentliche Geheimtipp aber ist die Leica Galerie im Würth-Skulpturenpark von Schloss Arenberg, ein privatisiertes Haus für medizinisch-wissenschaftliche Konferenzen der American Austrian Foundation. Wer diese der Öffentlichkeit zugängigen Stationen mit zehn weiteren, naturgebetteten Kunstwerken entdeckt hat, gehört zu den Eingeweihten des Woma.
Salzburg ruht sich nicht auf einer Mozartkugel umsäumten Komfortzone aus sondern darf zu Recht von sich behaupten, eine Stadt mit vielen Gesichtern zu sein, neue Impulse zu setzen und eine spannende Auseinandersetzung mit moderner Kunst anzubieten.