Der Künstler Richard Hoffmann, der sich Richoff nennt, hat vor Kurzem sein Gesamtwerk veröffentlicht. Der 88-Jährige blickt auf eine außerordentliche Laufbahn zurück und denkt noch lange nicht ans Aufhören.
Mit schnellem, leichtem Schritt ist Richard Hoffmann von der Haustür seines Lebacher Wohnhauses in das angebaute Atelier verschwunden. Beim Eintritt dort dominiert ein mächtiges 2,54 Meter x 1,84 Meter großes Werk den Raum, „Kosmos der Zellen II. im November 2018 fertiggestellt", informiert der Künstler. Ganz in seinem Element erläutert Hoffmann die Werke, die dort zu sehen sind. Skulpturen der klassischen Moderne aus Bronze, Aluminium und Gips, Zeichnungen und überwiegend großformatige Bilder in Öl. „Mir wurde schon oft geraten, kleinere Formate zu wählen, die sich besser verkaufen lassen… Aber das will ich nicht. Ich mache Bilder, in denen ich mich austoben kann." In seinem bestimmenden Tonfall sind die Energie und der Trotz eines Jugendlichen vernehmbar.
Mit 88 Jahren zeigt der Künstler Richoff, der einen eigenen „Ismus" geschaffen hat, sein Werk wieder der Öffentlichkeit. Das war nicht immer so. Viele Jahre hat der vehemente Kritiker des aktuellen Kunstmarktes völlig zurückgezogen gearbeitet. Ganz anders als sein berühmter Künstlerkollege und Freund Georg Baselitz. Beide teilten sich während der Studienzeit in Berlin von 1957 bis 1962 eine Zeitlang ihre Bude im Studentenwohnheim und stehen bis heute in freundschaftlichem Kontakt. „Wir haben alles geteilt. Abends miteinander Spaghetti mit günstigem Tomatenmark gekocht, dazu Hartkäse, den wir aus den Beständen der US-Armee geschenkt bekamen", erzählt Hoffmann. Künstlerisch stellen sich beide ganz unterschiedlich dar. Im geteilten Zimmer gab es nur Differenzen, wenn Baselitz seine Bilder aufhängen wollte: „Schorsch, du tötest alle Farben", protestierte Richoff dann.
Bevor Richard Hoffmann die Stipendien für das Kunststudium in Paris und Berlin bekam, war er einer der wenigen „Auserwählten", die 1949 in die damalige Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken aufgenommen wurden. Er war gerade 19 Jahre alt. „Als jüngster Schüler in die Klasse der Abteilung Freie Künste aufgenommen war ich – völlig unbedarft und unwissend – umgeben von vielen außergewöhnlich Hochbegabten aus dem ehemaligen Deutschen Reich, die sich um Aufnahme an diese einzigartige Schule beworben hatten", berichtet er. Neben dem Anreiz, von Koryphäen wie Franz Masereel und Boris Kleint zu lernen, war es auch die besondere saarländische Situation nach dem wirtschaftlichen Anschluss 1948 an Frankreich, die die Schule so begehrt machte. „Über Nacht wurde unsere gesamte Geschäftswelt mit allem, was der Markt zu bieten hatte, von Frankreich aus bedient."
Schwere Krankheit beeinflusste seinen Werdegang
Ganz reibungslos verlief das Studium an der renommierten Schule jedoch nicht. Nachdem Masereel und ihm folgend Gowa, beide in Nizza ansässig, ihre Direktorenschaft und den Lehrauftrag wegen interner „Querelen und unwürdigem Gerangel" kündigten, entschieden sich Richard Hoffmann und zwei seiner Studienfreunde, mit den Fahrrädern den berühmten Lehrern nach Nizza zu folgen. Von diesen wurden sie zwar erstaunt, aber erfreut aufgenommen, beherbergt und sogar mit „richtig deutschem Essen" – Rollbraten und Kartoffelklößen – bekocht. Von den Strapazen der langen Fahrradreise angeschlagen und schließlich ernsthaft erkrankt, musste Richard Hoffmann mit dem Zug zurück an die Saar und für drei Monate ins Krankenhaus. Er befand sich in einem lebensbedrohlichen Zustand, welcher seinen folgenden künstlerischen Werdegang maßgeblich beeinflusste.
Hoffmann kehrte an die Saarbrücker Kunstschule zu Professor Dr. Boris Kleint, dem „großen Sichtbarmacher", zurück. Viel Positives hat Richard Hoffmann über diesen distanzierten aber genialen Lehrer zu berichten. Allerdings auch Negatives trägt er ihm nach: So hat Richoff die Arbeiten, von denen der Lehrer angetan war und sie zu kunstpädagogischen Zwecken für seinen Buchband auslieh, nie wieder zurückbekommen.
Das Stipendium für Paris in der Hand zu halten und aus der Provinz in die Großstadt zu gehen, war „wie heiß und kalt duschen". Bei der Schilderung dieser Erinnerung spürt man noch immer Richoffs Überwältigung von damals. Unglaublich viel und Spannendes hat er zu erzählen. In Paris und Berlin studierte er außer der Kunst auch das Leben, die Milieus der Großstadt, nicht nur die Bohème sondern die gesamte elende „Breitseite" der Stadt. Nie scheute er das Abenteuer, er suchte es sogar. Auch später bei den weltweiten Studienreisen mit seiner Frau Anne, die die Leidenschaft für Kunst, Geschichte und Archäologie mit ihm teilt. „In jede ägyptische Grabkammer sind wir hineingekrabbelt". „ Sehr dankbar" sei er für diese Zeit und ihr gemeinsames spannendes Leben. Mit Enthusiasmus hatten sie in Pariser Auktionshäusern Kunstwerke ersteigert und mit großem Sachverstand so manchen Schatz gefunden, der in Frankfurt bei Sotheby‘s zur Versteigerung kam. Nach einer schlechten Erfahrung haben sie dieses riskante Geschäft aber aufgegeben, erzählt Richard Hoffmann mit etwas Bedauern.
Vom spannenden Leben des herausragenden Künstlers profitierten auch die Schüler des Gymnasiums in Lebach, wo Richard Hoffmann gut 20 Jahre als Kunstpädagoge tätig war. Es machte ihm viel Freude, seine Erfahrungen, sein Wissen und die Begeisterung für die Kunst zu vermitteln. Von seinen Schülern bekomme er auch heute noch bei Treffen positive und herzliche Rückmeldungen.
Hoffmanns Sachverstand in Kunstgeschichte verdankt die Stiftung saarländischer Kulturbesitz eine wertvolle Skulptur. Während des Saarbrücker Studiums im Fach Kunstgeschichte bei Prof. Dr. J.A. Schmoll erlangte der junge Richard „hinreichende" Kenntnisse der ihn faszinierenden Kunst des Mittelalters. Es fiel ihm ein, dass er als Junge mit zwei Cousins im Hause der Großeltern „mit einer Holzfigur einen Kult" betrieben habe. „Wir wollten uns an dieser Figur, die uns beim Aufstieg auf den Speicher jedes Mal mit ihrem Anblick erschreckt hatte, rächen und beerdigten sie im Garten und buddelten sie aus – immer wieder". Tatsächlich entpuppte sich jene Figur als eine künstlerisch äußerst wertvolle Holzbüste der Spätgotik aus dem Jahr 1486. Der „Prophet von Lebach" war gefunden und ging in den Besitz des Saarlandes über.
Besonders bekannt ist seine Kunst im öffentlichen Raum
Hoffmann ist bei saarländischen Kunstkennern besonders durch seine Großplastiken und Brunnen im öffentlichen Raum bekannt, darunter das vier mal vier Meter große Bronzerelief „Mahnmal des Friedens" auf dem Schaumberg, welches auf Initiative des französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulles und des deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer entstand. Die über fünf Meter langen Bronze-Relief-Schranken davor wurden 2011 gestohlen. Richard Hoffmanns großer Wunsch ist es, dass dieses wichtige Denkmal des Friedens wieder vervollständigt wird. Gerade diese Relief-Schranken, die aufeinander zueilenden Köpfe, Arme und Hände, sind Symbol des Zusammenfindens der Völker in Frieden. Das Modell für den Nachguss steht bei ihm bereit.
Von 1963 bis 1989 war der Künstler ausschließlich als Bildhauer tätig. „Die Erkenntnis kam allzu spät", bedauert Richoff. „Bezogen auf die allgemeine ‚Klassische Moderne‘, Kunst der Vergangenheit, musste ich erkennen, dass es auf diesem Sektor keine absoluten Neuschöpfungen mehr geben kann, ohne zugleich Verwechselbarkeiten gegenüber vorausgegangenen Kunstwerken zu erkennen." Richoff kritisiert vehement die Kunst und das neue Kunstverständnis ab den 60er- und 70er-Jahren, in denen, „Objekte des absoluten ‚Nichts’ höchste Zuschläge in Auktionen erzielen", erzürnt er sich. Diesem etwas entgegenzusetzen ist seine unbedingte Intention. Sein Credo lautet, Kunst und Wissenschaft zusammenzubringen, um sich gegenseitig zu befruchten. „Naturwissenschaft und Forschung sind die Domäne unserer Zeit. Einen gewaltigen Stellenwert hat darunter die Zell- und Genforschung." Zielsetzung seiner Arbeit war eine künstlerische Neuschöpfung, die stilistisch eine neue Sichtweise aufzeigt, eine Stilprägung hinterlässt, die auch qualitativ durch klare Kriterien der künstlerischen Mittel abgesichert werden kann.
Ab 1987 entwickelte er aus dieser Motivation heraus die „zelltektonische Malerei" und brachte die Thematik der Zelle als Novum in die Gegenwartskunst ein. Eine Lücke bisher, welche aus Sicht der Wissenschaft auch schon bedauernd wahrgenommen wurde. „Die Zelle ist das organisierte Grundprinzip des Lebens, das Modul, das Mutterelement. Die evolutionäre Kraft." Diese Kraft objektiviert sich in seinen zumeist farbgewaltigen Bildern und den Skulpturen aus dem unkonventionellen Material Bauschaum. Von außen in die Zellen hineinzugehen… „das Prinzip der Selbstorganisation von Zellen zum Zellengeflecht, der Prozess des Wandels von Stabilität zur Instabilität innerhalb der Zellarchitektur wird zu einer evolutionären Aktivität, in der das Leben Welten erzeugt." Die künstlerische Transformation und seine Intention beschreibt Richard Hoffmann in seinem „Zelltektonistischen Manifest" von 2004. „Kunst ist mein Lebenselixier." In seiner künstlerischen Freiheit sieht Richoff die Grundlage für sein hohes Alter und sein gutes Befinden. 2014 hatte er damit begonnen, alle seine Erinnerungen als „Epitaph des Nichtvergessens" aufzuschreiben. Spannend, leidenschaftlich und unglaublich detailliert. Sein enormes Langzeitgedächtnis und die detaillierte Speicherung von Wahrnehmungen seit seiner Kindheit funktionieren außerordentlich. „Nur im Alltag… da vergesse ich manches, das
ärgert mich."
Weitere Infos: www.ric-hoffmann.de