In einer Zeit, in der alle Parteien grüner werden, versuchen die Grünen insbesondere eines: an der Spitze bleiben. Die Saar-Grünen wollen auf einem Landesparteitag durchstarten Richtung Rückkehr in den Landtag.
Ungewohnt friedlich zeigen sich die Grünen auf ihrem Bundesparteitag in Bielefeld. Die einst selbsternannte Streit-Partei sucht nach Verbündeten – denn sie will mitregieren. „Wir wollen die Weichen mitstellen. Wir werben um die Verantwortung dafür, die neue Zeit gestalten zu können", stellte Robert Habeck, wiedergewählter Parteivorsitzender, klar und erntet Applaus. Die Grünen seien nun eine Bündnispartei und „müssten lernen, sich auch abweichende Meinungen anzuhören", sagte Habeck weiter. Auch sein ebenfalls wiedergewähltes Pendant Annalena Baerbock hat einen klaren Anspruch an ihre Partei: Verändern, anstatt nur zu versprechen.
Während es in anderen Parteien zu großen Teilen nur noch um Personalentscheidungen zu gehen scheint, geben sich die Grünen in diesem Thema betont locker. Die K-Frage, wer denn nun einmal das Kanzleramt beziehen soll, wird in den Hintergrund geschoben. Scheint in die Harmonie des Parteitags nicht so recht passen zu wollen. Denn das Vorsitzenden-Duo wurde mit Spitzenergebnissen wiedergewählt – diese Eintracht will man nicht riskieren. Jedenfalls nicht jetzt. Im Mittelpunkt stehen dafür Themen wie Umwelt- und Klimaschutz, aber auch Wohnen und Wirtschaft. Doch statt wilder Debatten, wie man sie einst von grünen Parteitagen kannte, regiert auch hier überwiegend der Kuschelkurs. Lediglich am Nachmittag des letzten Tagungstages kippt die Stimmung einen Moment, als es um die Jahreszahlen für eine Treibhausgasneutralität geht. Aber auch diese Reiberei scheint die Parteispitze im Nu zu glätten. Von vielen Kompromissen scheinen die Entscheidungen geprägt – besonders auch in der Frage der CO2-Bepreisung. Ambitionierte Ziele, ja – aber nur unter einem „Realismus-Vorbehalt". Zwar, so betonte es auch Annalena Baerbock, bedürfe es an mancher Stelle auch an Verboten, aber die Grünen seien darauf bedacht, bloß nicht zu radikal zu handeln. Nun, wo viele andere Parteien sich an die Themen wagten, die man einst allein den Grünen überließ, sei es besonders wichtig, die Wählbarkeit zu erhalten. Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht von einer „neuen Rolle", in welche die Partei hineinwachsen muss: „Jetzt wählen uns eben nicht mehr nur eingefleischte Ökos, sondern ganz viele Menschen suchen Orientierung bei uns und erwarten von uns realistische Antworten", sagte er vor den etwa 800 Delegierten.
Die Grünen müssen nun in ihre neue Rolle finden
Auch im Saarland steht an diesem Wochenende ein grüner Landesparteitag an. Der Landesverband zeigt sich nach den Ergebnissen der jüngsten Kommunalwahl optimistisch. „Die Kommunalwahlen waren für uns im Saarland ein wichtiger Erfolg. Wir können dadurch präsenter sein und Themen wie Klimaschutz, ÖPNV, Digitalisierung oder Flächenpolitik vor Ort anpacken", erklärte Jeanne Dillschneider, stellvertretende Landesvorsitzende der Saar-Grünen. Klares Ziel sei es, „in Zukunft jünger, weiblicher, ökologischer, kreativer und digitaler zu werden", sagte Dillschneider, die zudem auch das jüngste Mitglied des Landesvorstands ist.
„Der Zuwachs an Neumitgliedern und die hohen Umfragewerte zeigen, dass wir Grünen auf die großen Herausforderungen wie die Klimakrise oder den steigenden Rechtsextremismus und -populismus momentan überzeugende Antworten liefern", sagte sie, mahnte aber zugleich, sich darauf nicht „auszuruhen": „Deswegen wollen wir uns thematisch breit aufstellen und uns als Partei zudem strukturell weiterentwickeln. Klar ist, dass, wenn rechte Kräfte die Uhr am liebsten zurückdrehen würden, wir umso mehr um eine offene Gesellschaft, Feminismus und effektiven Klima- und Umweltschutz kämpfen müssen." Der Leitantrag des Landesparteitags unter dem Titel „Für eine neue Flächenpolitik im Saarland" soll ganz im Zeichen dieses Vorhabens stehen.