Regional und ruhig – bei Union Berlins nächstem Pokalgegner aus Ostwestfalen wird nachhaltig am Erfolg gearbeitet.
Endlich mal ein Heimspiel", hoffte Urs Fischer vor der Ziehung zum Achtelfinale des DFB-Pokals – Unions Trainer war selbst zwar erst viermal vom Köpenicker „Auswärtsfluch" betroffen, kennt aber selbstverständlich die in dieser Hinsicht besondere Historie des Clubs. Letztmals zu Hause spielte man in diesem Wettbewerb im Dezember 2013, als das Aus in der dritten Runde im Duell der Zweitligisten mit dem 1. FC Kaiserslautern (0:3) kam. Doch das Los ergab, dass Union zum elften Mal in Folge kein Pokalspiel in der Alten Försterei austrägt. Am Ende sollte es zwar die vermeintlich leichteste Aufgabe, die noch zu haben war, werden: der SC Verl – zusammen mit dem 1. FC Saarbrücken letzter Regionalligist im Wettbewerb –, gegen den Union noch zu Regionalligazeiten (zuletzt 2007/08) insgesamt viermal um Punkte spielte. Allerdings haben die Ostwestfalen in dieser Ausspielung bereits ordentlich für Furore gesorgt – in der heimischen Sportclub Arena wurde mit dem FC Augsburg (2:1) zunächst ein Erst-, dann mit Holstein Kiel (8:7 im Elfmeterschießen) ein Zweitligist ausgeschaltet. Macht unter dem Strich den größten Erfolg der Vereinsgeschichte – die Teilnahme am Achtelfinale des DFB-Pokals. Aber auch in der Regionalliga West läuft es dieses Jahr für den 1924 gegründeten Club richtig gut: Erst im 14. Spiel musste der Sportclub die erste Niederlage hinnehmen. Der eine Ausrutscher (bei inzwischen elf Siegen und drei Unentschieden) kostete Verl im November allerdings gleich die Tabellenführung – der SV Rödinghausen zog vorbei, hat allerdings auch ein Spiel mehr. Nur zwei Punkte hinter Unions Pokalgegner folgte Rot-Weiß Essen, einer der zahlreichen Traditionsvereine der West-Staffel. Mit einem Schnitt von etwa 1.000 Besuchern gehört der Club daher diesbezüglich auch eher zum Mittelmaß der Liga. Die Pokalspiele im 5.153 Zuschauer fassenden, ehemaligen Stadion an der Poststraße sind dagegen so etwas wie Festtage in der zehn Kilometer östlich von Gütersloh gelegenen 25.000-Einwohner-Stadt: 4.200 Zuschauer sahen den Heimsieg gegen Augsburg, beim Elfmeter-Krimi gegen Kiel wurde sogar ausverkauft gemeldet. Auch gegen den 1. FC Union baut man beim Sportclub wieder auf den Heimvorteil in der kleinen, engen Arena und zieht nicht in ein größeres Stadion um.
Das Team von Trainer Guerino Capretti ist dabei nicht prominent und vor allem mit Spielern aus der Region besetzt. Selbst der bekannteste Spieler im Kader, Zlatko Janjic, mit Stationen unter anderem bei Aue, Duisburg oder dem polnischen Erstligisten Kielce, stammt aus der Jugend von Arminia Bielefeld. Zuletzt spielte der 33-Jährige bei Drittligist VfB Sonnenhof-Großaspach, wechselte von dort im Sommer gemeinsam mit Patrick Choroba (23) nach Verl. Für Choroba war es nach nur einem Jahr in der Fremde die Rückkehr zu seinem Jugendverein. Mit neun Toren ist Janjic bislang zweitbester Verler Torschütze – nach Aygün Yildirim (zehn). Der Mittelstürmer wurde, nachdem er zuvor ein halbes Jahr von den Sportfreunden Lotte ausgeliehen war, vor der Spielzeit fest verpflichtet. Prunkstück ist aber die Defensive, die mit bislang elf Gegentoren den besten Wert der Liga (wie Rödinghausen) vorzuweisen hat. Torwart Robin Brüseke (26) stellte sein Können dabei auch im Pokal gegen die höherklassigen Gegner unter Beweis. Im „XXL-Elfmeterschießen" gegen Kiel – die Entscheidung fiel erst mit dem neunten Schützen – hatte das Eigengewächs die Nerven, zunächst den (vermeintlich) entscheidenden Holstein-Strafstoß zu entschärfen. Später wehrte er einen weiteren Versuch ab, und der erst 20 Jahre alte Jan Schöppner verwandelte zum Sieg für den SC. Beinahe überflüssig zu erwähnen, dass der Schütze aus der eigenen Jugend stammt. Bereits in der ersten Runde hatte man dazu den FC Augsburg vor der Pause phasenweise an die Wand gespielt, führte schon nach 23 Minuten durch ein Eigentor von Marek Suchy und einen Treffer von Ron Schallenberg 2:0. Erst kurz vor Spielende gelang dem FCA per Strafstoß der Anschluss – doch als Verteidiger Lars Ritzka in der Nachspielzeit den Ball auf der eigenen Torlinie klären konnte, war die Sensation perfekt und ein weiterer SC-Pokalheld geboren.
Union Berlin spielt im Pokal zum elften Mal in Folge auswärts
Der seit den 70er-Jahren zwischen Vierter und Dritter Liga pendelnde SC Verl hat dabei schon einige Teilnahmen am DFB-Pokal vorzuweisen. Seine Premiere feierte er vor 40 Jahren, als nach Siegen über VfB Oldenburg und SV Elversberg erst gegen Zweitligist Stuttgarter Kickers Schluss war. Die bis heute größte Sensation gelang im Juli 1999: Da beförderte man die Gladbacher Borussia im Elfmeterschießen aus dem Wettbewerb. Den entscheidenden Schuss gegen Kamps, Polster und Co verwandelte damals ein gewisser Arne Friedrich, der später 230-mal für Hertha BSC auflief und 82 Länderspiele absolvierte. Bei der letzten Teilnahme am DFB-Pokal – 2010 gab es ein knappes Erstrunden-Aus gegen 1860 München – stand der heutige Trainer „Rino" Capretti noch selbst im Dress der Schwarz-Weißen auf dem Platz. Und der heutige Vereinsvorsitzende Raimund Bertels seinerseits als Übungsleiter an der Seitenlinie. „Wir tun gut daran, den Weg der kleinen Schritte weiterzugehen", sagte Bertels dann auch wenig überraschend den laut „Neue Westfälische" 84 Besuchern der SC-Mitgliederversammlung Mitte November. Trotz starker sportlicher Leistungen, erklecklicher Mehreinnahmen aus dem Pokal und der erfolgten Antragstellung für die Drittliga-Lizenz sei der Aufstieg laut Bertels in dieser Saison kein „Muss".
So freut man sich an der Poststraße auch erst mal auf den nächsten Pokal-Hit gegen den 1. FC Union am 5. Februar. Dabei hat Urs Fischer, Schweizer Coach der Eisernen, bereits eine Besonderheit des hiesigen Pokals ausgemacht: „In Deutschland ist das ein Wahnsinn –
auch wenn du höherklassig bist. Favoritenrolle hin oder her, das ist so eng." Dass die Köpenicker in Verl ein echter Pokalfight erwartet, verdeutlicht dabei auch die Absage des SC-Heimspiels gegen die Reserve von Borussia Dortmund in der Regionalliga: Das war Anfang November – drei Tage nach der Zweitrundenpartie gegen Kiel war der Platz in unbespielbarem Zustand.