Absurd? Oder haben wir uns daran gewöhnt, dass im Supermarkt Äpfel so oft im Sechserpack und verschweißt angeboten werden? Oder dass wir an der Fleischtheke die 100 Gramm Salami in Folie, in Papier und dann in einer Papiertüte noch mal verpackt mitnehmen?
Die Lebensmittelindustrie hält uns Verbraucher mittlerweile für so abgestumpft, dass sie für die ganz Faulen jetzt geschälte Eier in Plastikverpackungen anbietet und einzeln im Kunststoffmantel verpackte Möhren oder Gurken (siehe Artikel unten). Es gibt offensichtlich für die verrücktesten Verpackungsideen keine Grenzen. Es scheint alles nichts zu nützen: Tageszeitungen, Wochenblätter, das Fernsehen, selbst Boulevarderzeugnisse warnen seit Jahren vor dem rasanten Anstieg des Verpackungsmülls. Doch es wird und wird nicht weniger: 2017 waren es nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) 18,7 Millionen Tonnen. Das waren 226,5 Kilogramm pro Person und drei Prozent mehr als im Vorjahr. Private Verbraucher hatten daran einen Anteil von 47 Prozent oder 107 Kilogramm pro Kopf.
Damit ist Deutschland Europameister, auch bei den unsinnigsten Verpackungen. Die kam nach Ansicht der Jury von Nestlé. Die Vittel-Einweg-Plastikflasche erhielt 2019 den ersten Preis, den „Goldenen Geier“. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte zur Nominierung aufgerufen, 20.000 Verbraucher haben sich gemeldet und abgestimmt. Die Begründung: Das aus Frankreich importierte Mineralwasser wird in Einweg-Kunststoffflaschen verpackt, die noch einmal von Plastikfolie umhüllt werden. Für jeden Abfüllprozess werden die Flaschen mit viel Aufwand an Energie und Rohstoffen neu hergestellt. Das Wasser wird außerdem über weite Strecken aus Frankreich nach Deutschland transportiert, und das, obwohl es hierzulande Hunderte Quellen und Mineralbrunnen gibt.
Da passt es ganz gut ins Bild, was das Umweltbundesamt erst kürzlich bekannt gab. Der Anteil von Mehrwegverpackungen bei Getränken sinkt, 2017 wurden nur rund 42 Prozent aller Getränke in Mehrwegflaschen abgefüllt. 2010 lag die Quote noch bei 48 Prozent. Auch damals war man von dem Ziel, das das Verpackungsgesetz vorgibt, weit entfernt: 70 Prozent Mehrweg sollten es in diesem Jahr laut Bundesregierung mal sein.
Da Getränkeverpackungen mehr als ein Viertel der deutschen Verpackungsabfälle ausmachen, würde ein höherer Mehrweganteil den Verpackungsabfall auch insgesamt deutlich reduzieren. Mehrwegflaschen aus Glas könnten laut UBA 50-mal befüllt werden, PET-Mehrwegflaschen immerhin noch 20-mal. Eine Ausnahme bildet Bier: Da liegt der Mehrweganteil derzeit noch bei knapp 82 Prozent.
Von Jahr zu Jahr wird es mehr
„Kurze Transportwege und Mehrwegverpackungen sind wichtig, um Umweltbelastungen und Abfälle zu vermeiden“, erklärte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger. Dafür seien gut funktionierende Mehrwegsysteme nötig. „Alle Supermärkte und Verkaufsstellen von Getränken sollten möglichst viele Getränke in Mehrwegflaschen anbieten und so dazu beitragen, weniger Abfälle zu erzeugen.“ Das reicht nach Ansicht des Vorstands des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Klaus Müller, nicht. Er fordert die Politik zum Handeln auf: „Es kann nicht sein, dass einzelne Handelsketten gar keine Mehrwegverpackungen anbieten. Die Unternehmen müssen ihrer Verantwortung für die Umwelt gerecht werden und die Bundesregierung muss für ein schlagkräftigeres Verpackungsgesetz sorgen.“ Auch Michael Knobloch, Vorstand der Verbraucherzentrale Hamburg, sieht Handlungsbedarf: „Da wo es keine gesetzliche Pfandpflicht gibt, werden praktisch keine Mehrwegverpackungen angeboten.“
Warum gibt es aber immer mehr Verpackungsmüll? Lebensmittel und Getränke zum Mitnehmen, zum Beispiel die beliebten Smoothies, werden immer öfter in kleinen, in Plastik verpackten Portionen verkauft. Zudem gibt es mehr Waren, die online gekauft und dann per Paket versandt (und wieder zurückgesandt) werden. „Wir verbrauchen viel zu viele Verpackungen“, sagte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger. „Das ist schlecht für die Umwelt und für den Rohstoffverbrauch.“ Das Recycling müsste möglichst schon in der Produktionsphase geplant werden. Kunststoffverpackungen seien unter anderem wegen der Materialvielfalt so schwierig zu sortieren und zu recyceln. Es gebe zu viele Verpackungen mit unterschiedlichen Materialien oder mit Verbundkunststoffen.
„Auf unnötige und unnötig materialintensive Verpackungen sollte deshalb verzichtet werden.“ Es brauche „viel mehr Mehrweg“ – nicht nur bei Mineralwasser und Bier. „Auch den Kaffee kann man im Mehrwegbecher mitnehmen, und wer sein Essen mitnimmt, sollte das auch in Mehrwegbehältern tun können“, sagte Krautzberger.
Nach Angaben des Umweltbundesamtes werden knapp 70 Prozent des Verpackungsmülls insgesamt in Deutschland recycelt. Sehr hoch liege die Quote etwa bei Papier und Karton mit 87,6 Prozent und Glas mit 84,4 Prozent. Verpackungsmüll aus Kunststoff werde zu 49,7 Prozent wiederverwertet, aus Holz zu 25,8 Prozent. Aber mehr als eine Million Tonnen Plastikmüll wird jedes Jahr ins Ausland exportiert.