Die Band Kapelle Petra schaffte es mit ihrem jüngsten Album überraschend in die Top 50 der deutschen Albumcharts. Die „Nackt-Tour 2020" gastiert demnächst in Saarbrücken. Sänger und Gitarrist Guido Scholz lüftet die Geheimnisse um Petra und Gazelle.
Herr Scholz, Ihre Band gibt es seit 1996 in ein und derselben Besetzung. Wie ist Ihnen das gelungen?
Dadurch, dass wir uns erst einmal nicht als Musiker getroffen haben. Das Geheimnis ist, dass wir drei Freunde waren, bei denen damals die Musik nicht im Vordergrund stand. Das hatte sich dann mit der Zeit weiterentwickelt.
Wer ist diese Petra eigentlich?
Oh, das ist dieser Bierlaune geschuldet, aus der heraus wir die Band gegründet haben. Es gab gar keine Petra. Wir überlegten, wie wir uns nennen sollten, bis plötzlich einer sagte: „Wie wäre es mit Petra?" Das machte zwar überhaupt keinen Sinn, aber so kam es. Hätten wir gedacht, dass es uns 23 Jahre später noch gibt, hätten wir uns wahrscheinlich mehr Gedanken über unseren Namen gemacht (lacht).
Der Name lässt wenig Rückschlüsse auf die Musik zu. Man könnte meinen, die Kapelle Petra sei – mit Verlaub – eine Spaßkapelle aus der Schlager-Schublade. Dabei machen Sie mit Ihrem Indie-Powerpop durchaus ernstzunehmende Musik mit ebensolchen Texten.
Das trifft den Nagel auf den Kopf. Der Name ist Fluch und Segen zugleich. Als wir uns gründeten, wussten wir noch gar nicht, wie Musik funktioniert. Dann hatten wir den Namen und die ersten Songs. Irgendwann kam unser Geburtstagslied („Geburtstag" aus dem Jahr 2007; bis dato fast vier Millionen Streams allein auf Youtube, Anm. d. Red.), das humoristisch und klamaukig ist und tatsächlich etwas in Richtung Schlager ging. Das hat uns viele Türen geöffnet, und wir konnten bei Sarah Kuttner (damals Viva- und MTV-Moderatorin, Anm. d. Red.) und Joko und Klaas auftreten. Andererseits ist man dann in dieser Schublade drin und hat es schwer, da wieder rauszukommen, wenn man kredible Veranstalter kontaktiert und denen erklären will, dass man schon eine ernst zu nehmende Band sei. Über die Jahre haben wir uns verändert und mit der ganz alten Petra nicht mehr viel gemein.
Ist Kapelle Petra ein Trio oder ein Quartett? Es gibt ja neben den drei Musikern noch Gazelle, der die Bühnenskulptur mimt.
Gazelle war damals unser erster Bassist, und wir haben schnell gemerkt, dass er andere Qualitäten haben muss, als Bass zu spielen. Da er am wenigsten Zeit von uns hatte, wollten wir ihn zumindest live dabei haben. Musikalisch gesehen sind wir ein Trio. Wenn Gazelle Zeit hat, sind wir auf der Bühne manchmal zu viert.
Wie kam es zu Ihren Künstlernamen, die wieder in Richtung Jux gehen? Sie heißen „Opa", Bassist Rainer Siepmann ist „Der tägliche Siepe" und Schlagzeuger Markus Schmidt heißt „Ficken Schmidt".
Ja, stimmt, das ist wieder klamaukig, aber der Evolution der Band geschuldet. Wir haben uns damals aus ganz unterschiedlichen Gründen gegenseitig so genannt. Es war nicht unsere Intention, unbedingt Künstlernamen zu haben.
Ich hatte zum Beispiel einen wundervollen Opa, der mir immer Folgendes auf meinem Anrufbeantworter hinterließ: (in Dialekt) „Hallo, hier ist der Opa, ist die Maschine dran?" Das habe ich dann aus Jux gern wiederholt und hatte so im Nu den Spitznamen Opa.
Ihr Album „Nackt", das im Frühjahr letzten Jahres auf den Markt kam, stand auf Platz 41 der Charts. Das hätten Sie sich sicherlich nie träumen lassen?
Nein, wirklich nicht. Wir haben in dieses Album sehr viel Zeit und Geld gesteckt, um ein hochwertiges Produkt zu haben. Dass es auf Platz 41 gelandet ist, war sehr, sehr erstaunlich und total schön für uns. Zumal wir mit diesem Album zum ersten Mal so richtig zufrieden sind. Toll, dass es dann so honoriert wird.
Worum geht es in „Alles ist gut", dem vielleicht besten Song des Albums? Darum, nicht alles immer so schwarz zu sehen und sich nicht zu oft selbst zu kasteien und einzuschränken?
Genau darum. Es hat mich irgendwann total genervt, dass man sich – subjektiv gefühlt – heutzutage für alles rechtfertigen muss. Wenn man mit einer Dose Bier im Park gesehen wird, ist man sofort der letzte Assi. Wenn man zwei Tage vor der Spielkonsole abhängt, geht gleich die Welt unter. Nicht, dass ich das persönlich mache, aber die Gesellschaft hat immer mehr einen Anspruch, sich der Konformität und Effizienz hingeben zu müssen und alles andere zu verurteilen. Das ist der rote Faden des Albums: Man sollte das machen, worauf man Bock hat und einfach mal Mensch sein. Man sollte auch mal nicht funktionieren dürfen. Es ist total legitim, sich auch mal unkonform zu benehmen.
Volle Zustimmung. Viele Menschen sind im ständigen Optimierungswahn (auch körperlicher Natur) und vergessen dabei, zu leben.
Eben. Das ist auch gar keine Kritik an Leuten, die fünfmal in der Woche Sport machen, wenn es ihnen guttut. Man sollte sich aber nicht dafür schämen müssen, wenn man das nicht macht. Dadurch bin ich ja kein schlechter Mensch.
2012 gaben Sie den Hobbystatus der Band auf und wurden Berufsmusiker. Haben Sie diese Entscheidung je bereut? Schließlich hat sich im Musikgeschäft seitdem einiges verändert: Die CD-Verkäufe gingen stark zurück, das Streaming nimmt stetig zu …
Wir sind wie ein Bauer, der ganz unterschiedliche Felder bestellt. Das heißt: viele Konzerte geben, Platten aufnehmen und veröffentlichen, medial präsent sein, in die passenden Playlisten kommen et cetera pp. Zudem haben wir zwei Sponsoren, ein Management und die Initiative Musik, die uns unterstützen. Dann muss man hoffen, dass die Platten gut ankommen und die Shows gut besucht sind. Es ist schwierig, aber irgendwie geht es. Vier Wochen Spanienurlaub sind natürlich nicht drin. Ich habe auch kein Auto mehr, weil ich keins brauche, und kaufe ab und an Second-Hand-Kleidung. Wir sind auch so glücklich.