In der vergangenen Saison begeisterte die Frankfurter Büffelherde die Bundesliga. Im Sommer verließen die drei Stars Sébastien Haller, Luka Jovic und Ante Rebic die Eintracht – bislang ohne Erfolg.
Die Frankfurter „Büffelherde" war jedem Fußball-Interessierten in der Vorsaison ein Begriff: Das Angriffstrio Luka Jovic, Ante Rebic und Sébastien Haller versetzte die Abwehrreihen in der Bundesliga und der Uefa Europa League in Angst und Schrecken. Mit 41 Toren schossen sie die Eintracht nahezu im Alleingang in die Spitzengruppe der deutschen Eliteklasse. Auf internationaler Ebene machten die 16 Treffer der drei mächtig Eindruck. Sie führten die Hessen bis ins Halbfinale der Europa League, wo sie sich erst im Elfmeterschießen dem späteren Sieger FC Chelsea geschlagen geben mussten. Trotz aller Versuche, zumindest Teile der gefürchteten „Herdentiere" zu halten, musste Frankfurt seine Büffel im Sommer ziehen lassen. Jovic wechselte zu Real Madrid, Rebic zum AC Mailand und Haller zu West Ham United. Nun sind wenige Monate vergangen, und das Urteil fällt vernichtend aus: Haller, Jovic und Rebic haben sich verzockt.
Sébastien Haller
Haller war Eintrachts Vorzeigestürmer, sorgte nie für Eskapaden oder Streitigkeiten, stellte sich immer in den Dienst der Mannschaft. Ein Wechsel war von Seiten des Angreifers eigentlich nicht angedacht. „Im Leben geht es um Gelegenheiten. Ich fühle mich wohl in Frankfurt. Ich werde nicht wechseln, nur um zu wechseln", sagte Haller vor seinem Transfer. Dennoch zog es ihn vergangenen Sommer zu West Ham United in die Premier League. Viele Fans waren mit dem Wechsel des Franzosen einverstanden und kritisierten vorwiegend die Wahl des Vereins. Dennoch wurde Haller auch Verständnis für seinen Transfer entgegengebracht. „Ich selbst habe ja gesagt: Ihr dürft alle verkaufen, außer ihn!
Doch wenn dann das Geld tatsächlich ins Spiel kommt und du das Doppelte, Dreifache verdienen kannst – dann musst du das einfach machen", sagte Eintracht-Legende Charly Körbel. Und zu 40 Millionen Ablöse konnte die Eintracht eben nicht mehr Nein sagen. Zu Beginn der Saison schien es auch, als wären Haller und West Ham eine Win-Win-Situation. Mit seiner physischen Präsenz fungierte er als Wandspieler, der trotz seiner Größe eine bemerkenswerte Technik an den Tag legte. Sein Trainer Manuel Pellegrini nannte ihn einen „kompletten Stürmer". In den ersten sieben Spielen gelangen ihm so vier Tore und ein Assist. West Ham stand zu diesem Zeitpunkt auf dem sechsten Platz. Doch das Bild hat sich völlig gedreht. Mitte Dezember stand Haller immer noch bei vier Toren und einem Assist, mittlerweile sind es sechs Treffer. West Ham steht derzeit im hinteren Mittelfeld. So famos es für den Hünen in seiner Traum-Liga Premier League startete, so sehr stockte es dann. Von den drei Abgängen der Eintracht ist Haller aber noch derjenige, der bei seinem neuen Verein am meisten Einfluss hat.
Luka Jovic
60 Millionen Euro legte Real Madrid im Sommer auf den Tisch, um Luka Jovic nach einer furiosen Saison bei Eintracht Frankfurt nach Madrid zu lotsen. Bei den Königlichen kommt der Serbe bislang aber kaum zum Zug. Allen voran, weil sich Sturmkollege Karim Benzema auch in dieser Saison in absoluter Top-Form präsentiert – und Jovic seine kleine Chance bisher nicht genutzt hat. Der Serbe selbst äußert sich selten, gab zumindest nach seinem ersten Treffer Ende Oktober gegen Leganés zur Kenntnis: „Mich hat vor allem der Wunsch motiviert, den Verantwortlichen des größten Klubs der Welt zu zeigen, dass sie mit meiner Verpflichtung keinen Fehler begangen haben." Bisher werden die Verantwortlichen von Real das Ganze wohl eher doch als Fehler einordnen. 60 Millionen Euro für nicht einmal 400 Minuten Spielzeit sind bei Real Madrid und bei keinem anderen Club der Welt zufriedenstellend. Aussicht auf Besserung gibt es derweil auch nicht. Karim Benzema befindet sich im zweiten Frühling seiner Karriere, das Experiment mit Benzema und Jovic als Doppelsturm ging daneben und wurde schnell wieder beiseitegeschoben. Mittlerweile wird sogar über einen Wechsel oder eine Leihe Jovics diskutiert. Für die vielen Kritiker, die den Schritt zu Real Madrid als verfrüht bezeichneten, ist der bisherige Verlauf eine klare Bestätigung.
Ante Rebic
Rebic, 26 Jahre alt, bis 2021 ausgeliehen von Eintracht Frankfurt, war im Spätherbst 2019 maximal frustriert, seine persönliche Situation stinkt ihm gewaltig. Was Wunder, aktuell kam der Stürmer in 15 Partien siebenmal zum Einsatz, viermal davon stand er jedoch nur wenige Minuten auf dem Feld, in die Startformation hatte er es ein einziges Mal geschafft, beim 1:1 gegen den SSC Neapel. Nachhaltig empfehlen konnte er sich nicht, im Gegenteil: Nach 45 Minuten war für ihn Dienstschluss. Für Verdruss bei den Fans sorgte zudem eine später veröffentlichte TV-Sequenz, die ihn vor dem Spiel in der Kabine beim Daddeln auf seinem Smartphone zeigte, Rebic sieht nicht gerade hochmotiviert aus, eher einigermaßen gelangweilt. Das sorgte für einen veritablen Shitstorm in den sozialen Netzwerken.
Was aber auch zur Wahrheit gehört: Die Bilder entstanden eine Stunde vor dem Anpfiff, also keineswegs in der Phase, in der die Konzentration und der Fokus voll und ganz und ausschließlich auf dem Spiel liegen sollte. So oder so: Ante Rebic und der AC Milan – das ist bisher ein klassisches Missverständnis, ein riesengroßes sogar. Eintracht-Boss Wolfgang Steubing glaubt, dass Rebic sich „verzockt" hat, wie er der „Bild"-Zeitung verraten hat: „Ganz ehrlich, da fehlen mir die Worte. Er wollte unbedingt weg, weil er das Gefühl hatte, dass er sonst als einziger der drei Stürmer bei Eintracht hängen bleibt. Jetzt sitzt er draußen – verzockt. Und es wird nicht einfacher für ihn."
Und so sind alle Beteiligten irgendwo Verlierer. Die Eintracht schlägt sich zwar wacker. Aber: Von der Stärke der Büffelherde sind sie in Frankfurt derweil weit entfernt. Über Wochen kamen die Hessen auf genau ein Tor eines Angreifers, Goncalo Paciencias Treffer zum 5:1-Endstand gegen die Bayern war die einzige Bude einer Spitze im Herbst – das ist natürlich zu wenig, um oben attackieren zu können.
„Uns fehlt die Durchschlagskraft", sagt Trainer Adi Hütter. Die Flaute lässt sich aber durchaus erklären, denn im Kern ist der Portugiese Paciencia der einzige Offensivspieler, der regelmäßig aufläuft. Der 25-Jährige ist auch stets bemüht, reibt sich auf, aber dreht so ein bisschen im Leerlauf. Er wirkt überspielt, seine Frühform hat er eingebüßt. Das Vertrackte: Alternativen sind rar gesät. Bas Dost hat sich mal wieder verletzt abgemeldet, seit der Partie in Freiburg klagt er über muskuläre Probleme, die das neue Ärzteteam offenbar nicht in den Griff bekommt. Der Sturmtank ist nicht fit, sein Auftritt im Heimspiel gegen Wolfsburg Ende November, als er sich angeschlagen zur Verfügung stellte, sprach Bände: Da zeigte der 30-Jährige eine denkbar matte Leistung, wirkte schwerfällig und träge, hatte ganze 17 Ballkontakte in 90 Minuten. Auch André Silva, der Dritte im Bunde, kommt nicht recht auf Touren, sein bislang letztes Tor schoss der portugiesische Nationalspieler beim 2:2 gegen Werder Bremen – das liegt auch schon mehr als zwei Monate zurück. Die hartnäckige Achillessehnenreizung habe ihn „zurückgeworfen", wie Coach Hütter zu bedenken gibt. „Er ist nicht so weit, dass ich ihn von Anfang an bringen kann."
Das hatte der Fußballlehrer in London beim Spiel bei Arsenal versucht, nach einer unterirdischen und fast schon lustlosen Vorstellung blieb der 24-Jährige in der Kabine. In Mainz saß er 90 Minuten auf der Bank, selbst als die Eintracht zum Schluss noch mal alle Kräfte mobilisierte, um doch noch den Ausgleich zu erzielen, durfte Silva nicht mittun; Hütter schöpfte das Auswechselkontingent gar nicht aus. Das sagt auch einiges. Klar ist, dass niemand erwarten konnte, dass die Eintracht ihr gesprengtes magisches Dreigestirn nahtlos würde ersetzen können, dazu waren Ante Rebic, Luka Jovic und Sebastien Haller zu außergewöhnlich und – auch in dieser speziellen, sich ergänzenden Konstellation – zu gut. Im Nachhinein ist man immer schlauer – und mit diesem Wissen wäre die Büffelherde wahrscheinlich noch in Frankfurt vereint.