Ein Land hat die Politiker, die es verdient, sagt ein gern gebrauchtes Wort. Wäre der Spruch nicht ziemlich abgenutzt, würde sich zumindest die Frage stellen, ob er mehr über „die Politiker" aussagt – oder über das Volk. Zumindest das Wahlvolk sollte wissen, wen es sich wählt. Aber wissen Politiker, was für ein Volk sie haben? Oder gar: was dieses Volk eigentlich will? Zumal dieses Volk Gefallen an einer schönen Übung hat: Kaum hat es gewählt, hebt unverzüglich das große Zetern über die soeben Gewählten an. Und das selbst dann, wenn die die Gewählten machen, was sie im Wahlkampf angekündigt haben. Monsieur Le Président Macron kann ein Lied davon singen.
Wenn sie vorsorglich nichts oder möglichst wenig machen, sind sie halt „alle unfähig", wie das Volk befindet. Und angenommen, sie machen doch etwas, was dem Volk oder zumindest großen Teilen, zugute kommt nimmt eben jenes das gelassen hin, es gibt noch genug anderes zum Kritisieren.
Um die auseinandergelebten Sphären zu versöhnen, steht nun auch hierzulande die Idee zu Bürgerräten im Raum. Statistisch repräsentative Gruppen sollen mit Expertenhilfe ein Thema beackern und zur Entscheidung empfehlen, die dann „die Politik" treffen soll. Und wage sich bloß niemand, dann ewas anderes zu entscheiden (selbst wenn es keine bindende Verpflichtung gibt).
Logischerweise sehen Kritiker der Idee darin eine Selbstentmachtung, denn was sollen dann noch Parlamente in unserer, wohlgemerkt repräsentativen Demokratie, wenn wir uns auf den Weg zu einer (Bürger-) Räterepublik begeben?
Nun werde ich mich hüten, auch nur einen Buchstaben gegen irgendeinen Versuch von mehr Bürgerbeteiligung zu notieren. Im Gegenteil. Ich stelle mir nur vor, wie es ist, wenn das Volk in Gestalt seiner Räte zu Entscheidungen – pardon: Empfehlungen kommt, die andere, die ihren Bürgerrat wenig statisch ausgeklügelt an der Theke halten, dann doch irgendwie gar nicht so toll finden? Das gibt vielleicht keinen Clash of Civilisations, aber doch zumindest einen zwischen dem doppelt repräsentierten Volk in Räten und Parlamenten auf der einen und Schwarmintelligenzen auf Egotrips auf der anderen Seite. Und am Ende weiß „die Politik" nicht recht, ob sie aufs Volk, die Räte, die Experten oder doch die Märkte hören soll.
Da wundert kaum, dass es manche ohnehin für das Klügste halten, alles gleich Algorithmen zu überlassen. Die kennen uns und unsere Wünsche sowieso schon fast besser als wir selbst.