Spätnachmittags ist das „Posh Teckel“ eine Anlaufstelle für Dackelfreunde, nachts ein Musikpub im Manchester-Style. Darauf eine Portion „Teckel Fries“ und ein Gläschen „Dackelsekt“! Judith Schmitt und Bernd Ehnes führen die Nord-Neuköllner Kiezkneipe mit dem ganz besonderen Flair.
Judith Schmitt und Bernd Ehnes drohen gelegentlich in der Außenwahrnehmung als Gastronomen und Pub-Besitzer ein wenig unterzugehen. Ihre Hundedamen Ella und Bonnie als Maskottchen ihrer „Posh Teckel“-Bar illustrieren die alte journalistische Binsenweisheit: Stelle dich niemals mit Kindern und Tieren auf ein Foto! Gegen deren Charme kommt keiner an. Dackeldame Ella inspirierte die Besitzer des „vornehmen Dackels“ zur Namenswahl. Und zu jeder Menge Deko, Skurrilem und Events drumherum. Das „Posh Teckel“ ist zweifellos ein Hotspot von Dackelfans und Hundeliebhabern.
So war das 2014 bei der Eröffnung nicht ganz gemeint. „Wir sind eine Musikkneipe mit Dackeln“, stellt Bernd Ehnes klar, „aber keine Dackelkneipe mit Musik.“ Doch was schert’s die Jagdhund-Liebhaber? Irgendwie kreist halt doch vieles um die Hunde, die die Herzen der Gäste eroberten. Dabei sind Ella und Bonnie keineswegs ständig in „ihrer“ Kneipe. Praktischerweise wohnen Schmitt und Ehnes gleich oben drüber. Die elfjährige Ella ziehe inzwischen die Ruhe dem Trubel im Lokal vor. „Und Bonnie würde in der Bar alles aufmischen“, sagt Judith Schmitt. Die lebenden Maskottchen halten sich artgemäß lieber an einem ruhigen Ort auf.
„Teckel TV“-Show auf der Bühne
Dackel in jedweder Form sind im Gesamtkunstwerk „Posh Teckel“ dennoch mehr als genug präsent: Ein Glitzer-Dackel hängt unter der Decke, das „Standbild“ eines Fernsehers weist auf die regelmäßige „Teckel TV“-Show auf der Bühne hin. Hausgemachte „Teckel Fries“ sind der Renner. „Dackelwein“ und „Dackelsekt“ in den Kategorien „Kurz“, „Lang“ oder „Rau“ vom rheinhessischen Dackelbesitzer-Weingut Sandwiese werden ausgeschenkt. Ein Glück, dass alle Aktivitäten rund um die „echten“ Dackel meist tagsüber stattfinden: gemeinschaftliche Dackelspaziergänge und Ausflüge etwa. Sogar das altehrwürdige Lichtenrader Dackelrennen richteten die Nord-Neuköllner inzwischen bereits aus.
Eine waschechte Kneipen-Band aus Gästen und Gastronomen, die „Teckel Allstars“, gründete sich aus Jux und wollte nur einmal „Guns of Brixton“ spielen. Inzwischen trat sie ihrem Motto gemäß „Ohne Proben nach oben“ sogar schon einmal und beinah ernsthaft in Manchester auf. Das Stadtmagazin „Zitty“ wählte den Pub unlängst für die Release-Party seines Sonderheftes „Berlin mit Hund“ – Besuch von Rosine, der Hündin von Knorkator-Sänger Stumpen und von Jana Posna mit einem ihrer Königspudel von „Posnas Pudel Parade“ inklusive.
Bei so viel Mix aus Musikpub mit Manchester-Style-Sounds von Post-Punk über Wave bis Britpop plus großer Hundeliebe gerät eine dritte Säule beinah aus dem Blick: Essen und Trinken. Denn die herzhaften hausgemachten Speisen sind vollgültige deftige und vor allem köstliche fränkisch-berlinerische Gerichte von Qualität. Die Pommes in Dackelgestalt werden vor Ort in Handarbeit hergestellt: Kartoffeln geschält, in Scheiben geschnitten und mit einem haushaltsüblichen Plätzchen-Ausstecher in Dackelform gebracht. Die Liebe der Gäste und die Bestellungen nahmen nach deren Erfindung rasch überhand. Deshalb wurde bei nächster Gelegenheit eine Kartoffelschälmaschine aus einer Leipziger Kneipe secondhand übernommen.
„Es dauert sechs Stunden, um aus 25 Kilo Kartoffeln Pommes zu machen“, sagt Ehnes. Die „Teckel Fries“ spielen geschmacklich in der Oberliga der Manufaktur-Pommes mit – knusprig, kartoffelig-fest und hübsch anzuschauen. „Es hat zwei Jahre gedauert, bis die Pommes so wurden, wie wir sie haben wollten.“ Eine Portion, auf Dackel-Porzellanplatten sowie mit Ketchup und Majo serviert, kostet 4,50 Euro. Der nicht unerhebliche Verschnitt geht aber keineswegs in die Mülltonne. Er wird nachhaltig „für all diejenigen, die gerade nicht so viel ausgeben wollen oder können“ für drei Euro als „Ugly Fries“ serviert.
„Dummerweise ist alles, was wir brauchen und wollen, richtig teuer“, sagt Bernd Ehnes. „Wir schauen aber immer, dass wir es aus zweiter Hand günstig bekommen.“ Wenig verwunderlich, dass der nächste größere, wahrscheinlich ausschließlich individuell konstruierbare Wunsch eine „Dackelstanzmaschine“ ist. Sie wäre hilfreich, um die Pommes etwas weniger mühselig in Form zu bringen. Denselben hohen Anspruch haben Ehnes und Schmitt an die Musik: „Mit der PA kannst du eine Arena beschallen“, sagt Ehnes über die Soundanlage für Bandauftritte und Sessions mit DJs. Im Hinterzimmer, neben dem Kücheneingang, befindet sich die Bühne für Liveauftritte. „Wir haben Schallschutzwände und -vorhänge eingebaut“, ergänzt Judith Schmitt. „Schau mal, in der Ecke ist sogar eine Box für den Schlagzeuger.“
Suche nach Dackel-Stanzmaschine
Es war eben schon immer etwas teurer, den besonderen Geschmack zu haben! Dafür werden aber auch keine Mühen gescheut. Bernd Ehnes holt alle vier Wochen Bratwurst und Leberkäs beim persönlich bekannten Metzger in Nürnberg. „Alles Fleisch ist bio, und auch sonst gucken wir extrem auf Qualität“, sagt er. „Man bekommt bei uns Dinge, die man nicht unbedingt erwartet.“ Fränkische – „nicht badische!“ – Schäufele mit Sauerkraut und Klößen beispielsweise. Das Fleisch von der Schweineschulter kommt von einem Hof in Brandenburg. Fränkisches Schäufele wird, im Gegensatz zum bekannteren badischen, aus rohem, nicht gepökeltem Fleisch als Schmorbraten mit Knusperkruste hergestellt und solide auf den Schulterknochen hingestellt serviert. Sehr schmackig!
Gelegentlich kommen Weißwürste und selbst gebackene Laugenstangen in Hundeknochenform auf die Tische. Und der Hot Dog? Wann kommt der „Sausage Dog“ oder „Wiener Dog“, wie Dackel im englischsprachigen Raum bezeichnet werden, ganz klassisch ins Brötchen? Ausweichende Antwort, man probiere noch. Es muss schließlich nicht mit allem Essensbranding betrieben werden. Fish and Chips gehen jedenfalls schon und sind ebenfalls zu haben. Die Gerichte kosten, jenseits der „Teckel Fries“, bis zu 11,99 Euro, das Schäufele 18,99 Euro. Der Hauswein fließt für vier Euro, „Dackelwein“ ab fünf Euro ins Glas.
Vielleicht ist vieles im Undercover-Qualitätsimbiss in Nord-Neukölln letztlich doch gar nicht so verblüffend. Was Judith Schmitt und Bernd Ehnes anpacken, wirkt zwar zunächst ziemlich fancy. Das Ganze ist aber mit Fachwissen und Professionalität unterfüttert: Ehnes war in einem früheren Leben Bandpromoter vor allem für skandinavische Bands, Schmitt ist Musikwissenschaftlerin und „so ein richtiges Manchester-Mädchen“. Sie war immer wieder in der nordenglischen Musikmetropole, ging im „Night & Day Café“ ein und aus und entwickelte eine Vorstellung davon, wie eine gute Musikkneipe sein sollte. „Ich konnte mir einen eigenen Pub vorstellen, in dem Musikkultur, und zwar eine gute, gelebt wird“, sagt sie. „Einen Musikpub, in den man sich ab dem späten Nachmittag setzen und in dem man Musik hören, aber auch reden kann.“
An diesem Samstag ist großes Dackelwochenende
Das ist gelungen: Die Musik übertönt im Normalbetrieb die Gespräche nicht. Die Atmosphäre ist herzlich und offen. Vor allem Frauen kämen gern allein vorbei, beobachtete Judith Schmitt. Zur Atmosphäre haben die Stammgäste mit ihrer Hundeliebe indes nicht wenig beigetragen. Bernd Schmitt brachte Dackeldame Ella, inzwischen elf Jahre alt, in Beziehung und Lokal mit ein. Die Stammgäste befanden recht bald, Judith Schmitt brauche ebenfalls einen eigenen Dackel. Sie sammelten Geld und schenkten es ihr zum Geburtstag. So kam Bonnie, inzwischen vier Jahre alt, als Welpe in die „Posh Teckel“-Familie. Die erste Geburtstagsfeier der waschechten Berlinerin Bonnie mit ihren Wurfgeschwistern war der Beginn von regelmäßigen Dackeltreffen und -spaziergängen, etwa in der Hasenheide. Danach kehren die zwei- und vierbeinigen Spaziergänger auf eine Portion „Teckel Fries“ und „Dackelwein“ im „Posh Teckel“ ein. Selbst „echte Rockstars“ mit Insta-Fame und 800.000 Followern waren schon zu Gast: Dackel-Influencer „Crusoe the Dachshund“ schaute auf einem Europatrip mit Frauchen und Herrchen herein und shootete mit Bonnie und Ella. Crusoe-Fans von überallher kommen bis heute in den „Posh Teckel“.
Manche Talente wird Bernd Ehnes wohl nicht mehr loswerden – das zum Kochen, das er schon andernorts in der Gastronomie erprobt hatte, beispielsweise. „Ich habe mich nie darum geschlagen, wieder in die Küche zurückzukehren.“ Doch der Erfolg der „Teckel Fries“ und die Nachfrage der Gäste sprachen eine eigene Sprache. Beim „Großen Dackelwochenende“ an diesem Samstag, 15. Februar, wird Ehnes im größeren Rahmen unter Beweis stellen, was mit Dackeln und Küche so geht. Ab 20 Uhr steht eine Weinprobe mit dem Weingut Sandwiese auf dem Programm – „featuring Teckel Fries“. Zur hundeverträglicheren Zeit um 17 Uhr besucht dann zum großen Dackeltreffen am Sonntag erstmals das Dackelmuseum Passau den „Posh Teckel“. Eines ist sicher: Es wird lebhaft, voll, ziemlich schräg und lecker werden.