In Kooperation mit dem Beethoven-Haus Bonn widmet die Bundeskunsthalle dem Komponisten und Visionär Ludwig van Beethoven die Ausstellung „Beethoven. Welt.Bürger.Musik". Ein Rundgang.
Wie ein Dandy muss er ausgesehen haben – im langen grünen Frack, geblümter Weste und weißer Halsbinde, das Haar zum Zopf gebunden, dazu die grünen Culottes (Kniebundhose), schwarzseidene Strümpfe und an der Seite ein Degen, der eher wie ein verlängerter Zahnstocher aussah. Man sieht es in der Ausstellung im Scherenschnitt. So trat der junge Beethoven seinen Dienst als Hoforganist und Mitglied der Bonner Hofkapelle bei seinem Kurfürsten, dem Habsburger Maximilian Friedrich, an. So, im Stil des Ancien Régime, sollte er sich später nie wieder kleiden, er hielt es mit den „Sansculottes", also den Pariser Revolutionären, die die adeligen Kniebundhosen ablehnten.
Jedenfalls hatte Louis, wie er gerufen wurde, mit 14 eine voll bezahlte Stelle als zweiter Hoforganist. Er hatte dem Kurfürsten drei Sonaten überreicht: „…. darf ich’s nun Erlauchtester! wohl wagen, die Erstlinge meiner jugendlichen Arbeiten zu Deines Thrones Stufe zu legen? und darf ich hoffen, daß Du ihnen Deines ermunternden Beifalles milden Vaterblik schenken werdest?"
Karriere als Hofmusiker
Dabei hatte er mit Ach und Krach nur ein paar Jahre Grundschule absolviert. Ihm kam zugute, dass er als musikalisches „Wunderkind" mit Genieverdacht bei einer reichen Bonner Bankiersfamilie, den von Breunings, als Musiklehrer für die heranwachsenden Töchter engagiert wurde. Er wurde wie ein Sohn aufgenommen – und lernte sozusagen mit Messer und Gabel essen, und dazu alles, was er an höfischen Manieren brauchte. Wo sollte er es schon herhaben? Die van Beethovens waren einfache Leute, 1733 aus Flandern eingewandert, die Mutter kränkelte, der Vater sprach zu sehr dem Alkohol zu.
In Bonn schien also alles bereit für eine Karriere als Hofmusiker, aber der wohlwollende Kurfürst starb, sein Nachfolger begann seinen Regierungsantritt mit einschneidenden Kürzungen. Zum Glück hatte Beethoven 1790 Joseph Haydn kenngelernt. Der machte auf dem Weg nach London Station in Bonn, die Hofkapelle gab ihm zu Ehren ein Frühstück, und da muss er mit Ludwig verabredet haben, dass er zu ihm zum Studium nach Wien kommt.
Bonn als Residenzstadt, das kurfürstliche Schloss, die ersten Briefe, die Originalnoten – all diese Ausstellungstücke stammen aus dem Bonner Beethovenhaus. Auch der kostbare Eintrag im Taufregister, fast versteckt unter vielen anderen Eintragungen, knapp, mit vielen Abkürzungen, aber zweifellos authentisch: getauft in St. Remigius am 17. Dezember 1770. Dieses Jubiläum feiern wir – wann Beethoven zur Welt kam, ist unklar.
Wien also – er sollte nur zum Studium in die Kaiserstadt gehen, für zwei Jahre bekommt er ein Stipendium von 100 Dukaten jährlich von seinem Kurfürsten. Aber er bleibt sein Leben lang, eine Rückkehr ist unmöglich, 1794 besetzen die revolutionären Franzosen das Rheinland und lösen den Hofstaat auf. Das Studium ist streng, aber bereits 1794 ist Beethoven schon so bekannt, dass der Adel auf ihn aufmerksam wird und seine Werke unterstützt. 1795 tritt er mit seinem 1. Klavierkonzert auf, es folgen Konzertreisen nach Budapest, Preßburg, Prag, Berlin, bei denen er eigene Kompositionen vorträgt. Sie bringen nicht nur Ruhm und Bekanntheit, sie sind auch finanziell einträglich.
Das Klavier kam groß in Mode
„Hier ist Clavierland" hatte Mozart 1781 an seinen Vater geschrieben. Ganz Wien war verrückt nach dem neuen Instrument, das erst um 1700 erfunden wurde. Ob Bürgertum oder Adel, wer etwas auf sich hielt, nahm Klavierunterricht. Die Ausstellung zeigt die ersten kunstvollen Pianofortes. Beethoven nannte das Instrument auf Deutsch „Hammerklavier". Es blieb sein Lieblingsinstrument, auf dem er komponierte. Einige dieser rasch zusammengekritzelten Notenblätter sind in der Ausstellung zu sehen, die Mühe, sie zu entziffern, lässt sich erahnen.
Auch Beethoven unterrichtet, und zwar zumeist adelige Fräuleins. Die Bonner Ausstellung spart das Amouröse bewusst aus, was schade ist, denn der junge attraktive Ludwig muss sehr wohl Chancen bei der Damenwelt gehabt haben. Aber noch erfolgreicher ist er mit seinen Kompositionen. Er beginnt mit Verlegern zu verhandeln, sichert sich über Subskriptionen Einnahmen und stellt Bedingungen. Ab 1800 überweist ihm Fürst Lichnowsky ein Jahresgehalt von 600 Gulden, das er bis 1806 bezieht. Überhaupt verdient er in dieser Zeit schon ganz gut als freischaffender Komponist – zumal er unermüdlich Stücke schreibt und sie umgehend vermögenden Gönnern zueignet. Was man heute kaum weiß: Jede Widmung kostete Geld.
Die Konzerte, die Beethoven gibt, werden damals so angekündigt: „Heute Mittwoch wird im kaiserl. königl. National-Hof-Theater Herr Ludwig van Beethoven die Ehre haben, eine große musikalische Akademie zu seinem Vortheile zu geben." Das war so üblich: Der Veranstalter war der Musiker, er behielt – nach Abzug der Honorare für das Orchester und die Solisten – den Löwenanteil für sich. Beethoven war so klug, dass er nicht nur sich selbst, sondern auch die Publikumslieblinge Haydn und Mozart aufs Programm setzte.
Dass die Zuhörer sich in einen Saal begeben, zwei bis drei Stunden still sitzen und Musik hören – das hatte es bis zu Mozart und Beethoven nicht gegeben. Musik war immer zweckgebunden aufgeführt worden: in der Kirche zur Ehre Gottes, am Hof zu Fest- und Feiertagen, in der Oper als Singspiel. Die neue Präsentation von Klaviertrios, Sinfonien und Arien – „Akademie" genannt – musste erst erlernt werden – und am besten war es, der Veranstalter lieferte noch ein wenig Show dazu. Da stand Beethoven nicht hintan – um 1800 war er als Klaviervirtuose so bekannt, dass sein Komponieren fast in den Schatten geriet.
Geregelter Tagesablauf
Bei aller Umtriebigkeit – Beethoven legte Wert auf einen geregelten Tagesablauf. Der Komponist stand zwischen 5 und 6 Uhr am Morgen auf. Den Vormittag verbrachte er meist arbeitend zu Hause, wie Einladungen an Besucher belegen: „von zehn uhr an finden sie mich bis zwölf uhr sicher zu Hause". Anschließend folgt das Mittagessen und dann ein Besuch im Kaffeehaus, wo er die Zeitungen las und seine Pfeife rauchte. Oft unternahm er ausgedehnte Spaziergänge. Abends ging er zu Theater und Opernaufführungen. Um 22 Uhr war Bettruhe angesagt.
Kaffee war ihm sehr wichtig, die Ausstellung zeigt bereits modern wirkende Kaffeemaschinen, die mit Gas beheizt wurden. 60 Kaffeebohnen, genau abgezählt, mussten es für eine Tasse sein, da war Beethoven Pedant. Überhaupt hat er, wie an den ausgestellten Einkaufslisten zu sehen, genau Buch geführt, was an Fisch, Fleisch, Kartoffeln und Wein eingekauft werden musste. Zwei bis drei Flaschen am Tag sollen es gewesen sein – Beethoven hielt den Wein für gesundheitsfördernd. In Wirklichkeit hat er ihm eine Leberzirrhose beschert, und manche Ärzte vermuten, dass er am Ende an einer Bleivergiftung starb. Denn Wein wurde zu dieser Zeit immer noch mit Blei versetzt, um die Säure zu mildern.
Schon 1801 beklagte sich der 31-jährige Komponist über allerlei körperliche Leiden bei seinem Bonner Freund Franz Gerhard Wegeler: „nur hat der neidische Dämon, meine schlimme Gesundheit, mir einen schlechten Stein ins Brett geworfen nemlich: mein Gehör ist seit 3 Jahren immer schwächer geworden, und das soll sich durch meinen Unterleib, der schon damals wie Du weist elend war, hier aber sich verschlimmert hat… Dr. Frank wollte meinem leib den Ton wieder geben durch stärkende Medizine und mein Gehör durch Mandelöhl, aber prosit, daraus ward nichts…". Das Gehör wurde nie mehr besser, was Beethovens Ärzte auch ausprobierten: elektrische Ströme, frischer Meerrettich, Aschespülungen, schließlich Hörrohre, die immer größer ausfielen. Auf Reisen führte er eine imposante Apotheke aus Dutzenden Salben und Fläschchen mit sich.
Ein kränklicher Mann
Umso erstaunlicher, dass seine Schöpferkraft sich nicht beirren ließ: Zwischen 1802 und 1812 entstanden fünf Klavierkonzerte, sieben Sinfonien und zahllose Klavierstücke. 1809 wollte ihn das Staatstheater Kassel als Opernkomponisten engagieren. Beethoven pokerte und ließ sich sein Verbleiben in Wien durch einen Rentenvertrag vergolden, der ihm ein Jahresgehalt von 4.000 Gulden zusichert; den Betrag teilen sich die Fürsten Lobkowitz und Kinsky sowie Erzherzog Rudolph.
Vor dem Hintergrund muss man seinen Ausspruch „Göthe behagt die Hofluft zu sehr, mehr als es einem Dichter ziemt" relativieren. Die beiden hatten sich 1812 im böhmischen Kurort Teplitz getroffen, Goethe ist 63, Beethoven 42. Der Dichter kannte die Egmont-Ouvertüre. Dass Goethe am Wegesrand stehen blieb und den Hut zog, als die kaiserliche Familie vorüberging, während Beethoven mitten durch sie hindurch spazierte, und die Adeligen umgekehrt ihm huldigten, ist eine liebenswert erfundene Legende von Bettina von Arnim, die beide kannte und die Begegnung in Teplitz arrangiert hatte.
Die Bonner Ausstellung dokumentiert die Jahre bis zu Beethovens Tod 1827 eindrucksvoll. Die Auftragsarbeit „Wellingtons Sieg" (1813), die ihm eine riesige Popularität bis nach England verschaffte, die Oper „Fidelio" (1815), die Neunte (1824 vollendet) und ihre Wirkung bis nach Japan und Taiwan. Zwischendurch kann man immer auf Hörinseln Platz nehmen und sich nach Wunsch über Kopfhörer die Stücke vorspielen lassen, um die es gerade in der Ausstellung geht.
Eine Abteilung ist den Porträts gewidmet, die Künstler damals und bis heute von Beethoven angefertigt haben, auch die Statuen sind – im Modell – zu besichtigen, die den 1,68 Meter großen Komponisten gigantisch überhöhen. Dass er oft so grimmig dargestellt wird, hat mit einem Gipsabdruck vom Gesicht des lebendigen Beethoven zu tun. So ein Abdruck war damals eine langwierige Sache, weil der Gips viel länger brauchte als heute, um zu binden. Also musste man dem Opfer Strohhalme in die Nase stecken, damit es atmen konnte. Das dürfte dem leicht reizbaren Beethoven nicht gefallen haben – so erklärt sich sein verkniffener Mund, der ihm das grimmige Aussehen gab.