Nach jedem Festival bleibt die spannende Frage: Welche Filme kommen auf die Leinwand? Einige haben es bereits geschafft, bei anderen wird noch ein Verleih gesucht. FORUM hat eine Nachlese zusammengestellt.
Die roten Teppiche sind eingerollt, in den Straßen rund um den Potsdamer Platz ist es ruhiger geworden – die 70. Internationalen Filmfestspiele Berlin sind Geschichte. Das weltweit größte Publikumsfestival hat mit rund 330.000 verkauften Tickets nicht ganz das Vorjahresergebnis erreicht, dafür waren in diesem Jahr auch 58 Filme weniger zu sehen.
„Elf Tage mit vollen Kinosälen, festlichen Kinopremieren, spannenden Panels und bereichernden Begegnungen liegen hinter uns", so das neue Berlinale-Leitungsduo Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian. „Es war schön, bei unserer ersten Berlinale so viel Enthusiasmus und Liebe zum Film zu spüren."
Wer es zur Berlinale nicht geschafft hat, den einen oder anderen Film zu sehen, hat vielleicht im Kino um die Ecke Glück oder kann sich sogar einige davon auf der Couch ansehen. Wie die Doku „Hillary" über die ehemalige First Lady und Außenministerin, die seit 6. März beim Streamingdienst Hulu zu sehen ist. Netflix hat sich die weltweiten Rechte an der australischen Miniserie „Stateless" von und mit Cate Blanchett gesichert, ein Sendedatum steht jedoch noch nicht fest. Dafür aber für den ebenfalls bei Netflix laufenden deutsch-tschechisch-österreichischen Mystery-Thriller „Freud", der ab 23. März zu sehen sein wird.
Freunden des Jazz sei die achtteilige Serie „The Eddy" empfohlen, die ab 8. Mai auf Netflix läuft. Darin muss sich der Amerikaner Elliot, der in Paris einen Jazzclub betreibt, mit Konkurrenten, Geldeintreibern und seiner Tochter auseinandersetzen.
Dokus, Serien, Thriller
Im Kino startet ab 12. März die Doku „Wagenknecht" über die Linken-Abgeordnete Sahra Wagenknecht. Zwei Jahre hat Regisseurin Sandra Kaudelka sie mit der Kamera vor und hinter den Kulissen der Politik begleitet. Die geheimnisvolle „Undine" hingegen in dem gleichnamigen Film von Christian Petzold sucht nach der wahren Liebe. Dafür hat Hauptdarstellerin Paula Beer einen Silbernen Bären gewonnen. Der Film ist ab 26. März zu sehen und wurde auch von „Vision Kino" für den Ethik- und Kunstunterricht in der Oberstufe empfohlen.
Bei Christoph Schlingensief, der in diesem Jahr 60 Jahre alt geworden wäre, scheiden sich die Geister zwischen Bewunderung und Unverständnis. Trotzdem oder gerade deswegen ist das Regiedebüt der Filmeditorin Bettina Böhler „Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien" so sehenswert. Die Doku besteht ausschließlich aus Archivmaterial, Aufnahmen aus Schlingensiefs Kindheit und Jugend, von seinen Theater- und Filmarbeiten ebenso wie von seinen zahlreichen Kunstaktionen. Zu sehen ab 2. April in den Kinos.
Regisseur Burhan Qurbani hat sich den Klassiker „Berlin Alexanderplatz" von Alfred Döblin vorgenommen und modernisiert. Aus dem Lohnarbeiter Franz Biberkopf, der sich nach seiner Haftentlassung eine neue Existenz aufbauen möchte, ist der Flüchtling Francis aus Westafrika geworden, der sich wie viele andere nur ein kleines bisschen Glück wünscht. Ob und wie er das schafft, davon kann man sich ab dem 14. April überzeugen. „Schwesterlein" mit Nina Hoss und Lars Eidinger war der dritte deutsche Wettbewerbsbeitrag bei der Berlinale. Für ihn gibt es noch keinen Kinostart.
„Future Drei" von Faraz Shariat – das ist der diesjährige Gewinner des Teddy Awards, des weltweit ersten offiziellen LGBTIQ-Filmpreises eines A-Festivals. Parvis, ein Deutsch-Iraner mit einem Faible für Rave und Mode, leistet Sozialstunden in einer Flüchtlingsunterkunft und verliebt sich dort in einen jungen Mann. Dabei bleibt die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte nicht aus – ab 28. Mai kann man sich das im Kino ansehen.
US-Film über starke Frauen
„Never Rarely Sometimes Always" aus den USA lief ebenfalls im Wettbewerb. Regisseurin Eliza Hittman erhielt dafür den Silbernen Bären „Großer Preis der Jury". Der Film stelle mit Kraft und Einfachheit dar, was Frauen in der ganzen Welt ertragen müssten. Die einzige verfügbare Kraft dabei wäre die, die sie in sich trügen, begründete die internationale Jury ihre Entscheidung. Der Filmtitel basiert auf den Antworten der 17-jährigen Autumn in einer Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch. Ein sehr berührender Film, vor allem getragen durch die jungen Darstellerinnen Sidney Flanigan und Talia Ryder. Er kommt am 11. Juni auf die deutschen Kinoleinwände.
Wer sich für Horrorfilme begeistern kann, sollte sich ab 6. August Karten für „Schlaf" von Michael Venus kaufen. In „Nackte Tiere" von Melanie Waelde, ab 17. September im Kino zu sehen, verbringen fünf Jugendliche in der brandenburgischen Provinz die letzten Wochen bis zum Schulabschluss, losgelöst von ihren Familien, auf der Suche nach dem eigenen Weg ins Leben.
Für den Herbst angekündigt, aber noch ohne Starttermin, sind zwei ganz unterschiedliche Dokumentarfilme. In „Garagenvolk", ausgezeichnet auf der Berlinale mit dem Heiner-Carow-Preis, beobachtet Natalija Yefimkina Menschen am Polarkreis, die sich in baufälligen Garagen am Stadtrand kleine Fluchten aus dem harten Alltag geschaffen haben und dort Hunde züchten, Flugzeuge reparieren, Ikonen schnitzen oder Schlagzeug üben. Einen für sie viel wichtigeren Preis hat Muna gewonnen – Freiheit. Sie führte ein Videotagebuch über ihr Leben als junge Frau in Saudi-Arabien, bis ihr die Flucht gelang. Das gefilmte Material schickte sie der Schweizer Regisseurin Susanne Regina Meures, daraus entstand die eindringliche Doku „Saudi Runaway".
Jannis Niewöhner ist derzeit in unterschiedlichen Rollen zu sehen. Ab 26. November brilliert er in dem packenden Sozialdrama „Kids Run" als junger Vater, der verzweifelt versucht, seinen Kindern ein einigermaßen normales Leben zu bieten.
Ende 2020 oder Anfang 2021 soll „Gunda" ins Kino kommen. Ein Schwarz-Weiß-Film, in dessen Mittelpunkt Schweine, Hühner, Kühe stehen. Unaufgeregt – ohne Musik oder Kommentar. Nur untermalt von den Geräuschen der Tiere.