Warum manch einer der Abschaffung der Gelben Säcke mit Wehmut entgegenblickt
Endlich! 2021 werden in der saarländischen Landeshauptstadt die Gelben Säcke abgeschafft. Die alles andere als reißfesten Sammeltüten aus Plastik sollen dann Gelben Tonnen – aus hoffentlich widerstandsfähigem Hartplastik – weichen. All die Tetra-Packs, Joghurtbecher, Spüli-Flaschen, Obst- und Gemüseschalen sowie Konservendosen kommen also in eine große Tonne. Die unangenehmen Begleiterscheinungen gehören der Vergangenheit an: herumfliegender Müll auf Straßen und Gehwegen und eine mit Säcken zugemüllte Innenstadt.
Doch je länger ich darüber nachdenke und die verbleibende Restzeit bis zur Umstellung zähle, umso mehr wird mir bewusst, was die Umstellung für mich bedeutet. Mir wird klar, dass der gewohnte Rhythmus der Abfuhrtermine aus dem Takt gerät. Bis jetzt leert die Müllabfuhr bei uns jeden zweiten Montag die grüne Biotonne, dienstags die schwarze Restmülltonne und holt alle zwei Wochen die Gelben Säcke vor unserem Haus ab.
Und damit soll 2021 allen Ernstes Schluss sein? Immerhin takteten jahrelang diese drei Termine meinen Alltag. Ja mehr noch, sie bestimmten auch mein Bewegungsprofil. Jeden zweiten Mittwochabend im Monat heißt es, die Gelben Säcke rausstellen. Manchmal, wenn gerade keiner über den Gehweg läuft, mache ich mir einen Spaß daraus und werfe die Säcke aus dem Fenster und freue mich, wenn sie neben den anderen Müllgefäßen dicht an der Hauswand lotrecht landen.
Die Gelben Säcke waren, wenn sie denn draußen vor den Häusern standen, all die Jahre eine verlässliche Konstante. Zu sehen, wie all die anderen Leute aus der Nachbarschaft daran gedacht hatten, sie nach draußen zu stellen, wirkte irgendwie beruhigend. Warum? Ganz einfach, weil man es geschafft hatte, wieder zwei Wochen im Alltagsmodus zu funktionieren, ohne die Fassung zu verlieren.
Gibt es denn seitens des kommunalen Entsorgungsbetriebs keine Entschädigung für diesen tief greifenden Einschnitt in meinem Alltag? Zum Beispiel einen Ausgleich dafür, dass mir in Zukunft das Tragen der Säcke vom Balkon nach draußen erspart bleibt? Oder wie wäre das? Als Mieter oder Eigenheimbesitzer wird man quasi als Mülltonnen-Pate zwangsverpflichtet, die Gelbe Tonne an den Straßenrand zu stellen, und ist wie ein Mülldetektiv gehalten, den Inhalt der Tonne auf ihre korrekte Befüllung zu überprüfen.
Andererseits: Mancher Eigenheimbesitzer dürfte schon jetzt mit Grauen daran denken, wo die Neue stehen soll. Ist doch schon jetzt kaum noch Platz vor oder neben der Immobilie, denn da stehen meist schon eine schwarze, eine grüne und blaue Tonnen. Wo soll diese Ausweitung der Mülltrennung hinführen? Es scheint fast so, als würde das kommunale Entsorgungsunternehmen ein vor der Öffentlichkeit geheim gehaltenes Farbexperiment durchführen. Glasklar, dass die Verantwortlichen nur eine Frage im Sinn haben: Wie viele verschiedenfarbige Tonnen braucht es, bis der mülltrennende Bürger hoffnungslos überfordert ist und farbenblind wird?
Über die nächste Neue nach der grellgelben kann unterdessen munter spekuliert werden. Vielleicht wird bald eine rote für Wurst- und Fleischabfälle eingeführt? Schließlich dürfen in die Biotonne keine Knochen, kein rohes Fleisch oder verendete Haustiere rein. Oder wie wäre es mit einer für recycelbare Kleidung? Der Nachhaltigkeitsgedanke und ressourcenschonendes Wirtschaften sind immerhin auch in der Mode-Industrie angekommen. Da sollte doch der mülltrennungsbewusste Bürger seine löchrigen T-Shirts und Strümpfe besser in den violetten Sammelbehälter für Kleider-Recycling reintun, statt zum nächsten Altkleidercontainer zu laufen.
Der Tag X, an dem die Gelben Säcke ihren einstigen Zweck verlieren sollen, erscheint mir so langsam vielleicht doch gar nicht mehr so gut. Aber nur, weil sie ab dem kommenden Jahr zwecklos sein werden, heißt ja nicht, dass sie dann völlig unbrauchbar sind. Klar ist, dass die Dinger vielseitig zum Einsatz kommen können. Wir können das Leergut in ihnen zwischenlagern, sie als Regenschutz über den Fahrradsattel stülpen oder sie beim nächsten Ausflug als Dreckfänger zweckentfremden – falls die Kinderwagenräder vor Matsch triefen und der Kofferraum des Autos nicht noch dreckiger werden soll, als er ohnehin schon ist.