„Schloss Mittersill" schreibt Geschichte(n): Hollywoodgrößen wie Clark Gable, Gina Lollobrigida, Bob Hope gaben sich hier die Klinke in die Hand, Königin Juliana hat wochenlang geflittert, und Coco Chanel kam hier die Idee zu ihrer berühmten Jacke.
Es ist schon eine verrückte Geschichte: Möglicherweise hätte die berühmteste Kreation von Coco Chanel nie die Welt erobert und Berühmtheiten wie Jackie Kennedy, modebewusste Geschäftsfrauen oder Rorys Großmutter in dem Dauerbrenner „Gilmore Girls" hätten sich nie damit gewandet, wenn es die Modedesignerin nicht ausgerechnet in das romantische „Schloss Mittersill" im Tiroler Pinzgau verschlagen hätte. Gemeint ist das dank klarer Modelinie zeitlose Chanel-Kostüm, ein Klassiker schlechthin, mit dem die Modekönigin nach dem Zweiten Weltkrieg ein großes Comeback feierte, das ihr schon niemand mehr zugetraut hatte. Trotzdem prägte sie damit den Stil der neuen Zeit. Die kastenförmig geschnittene Jacke mit ihren großen aufgesetzten Taschen wird seit Jahrzehnten regelmäßig neu interpretiert, und doch ist das Urmodell immer wieder erkennbar. Und „schuld" daran ist ein kleiner Page.
Die Geschichte von „Schloss Mittersill" reicht zurück bis in das Jahr 1150. Es wechselte immer wieder den Besitzer, bis es schließlich 1934 der Unternehmer Baron Hubert von Pantz erwarb. Er umgab sich auf seinem neuen Anwesen mit namhaften Adligen und Industriellen, lockte sogar internationale Filmstars in die Hohen Tauern. Doch viel mehr begeisterte die Einheimischen, dass sich 1937 Königin Juliana der Niederlande ausgerechnet dieses scheinbar auf einem Hochplateau schwebende Domizil ausgesucht hatte, um ihre langen Flitterwochen vollends auszukosten. Während der Nazizeit musste der Baron sein Schloss 1938 Richtung USA verlassen. Nach seiner Rückkehr gründete er 1948 den damals exklusivsten Club der Welt, den Sport- und Shooting-Club, und holte mit Hollywoodgrößen und schillernden Persönlichkeiten den internationalen Jetset zurück. Der Schah von Persien und seine Frau Soraya, König Faruk von Ägypten, der Herzog von Windsor, Aristoteles Onassis, Karim Aga Khan IV., Gina Lollobrigida, Clark Gable, Bing Crosby, Bob Hope, Rita Hayworth und viele mehr gaben sich ein Stelldichein. Und eben auch Coco Chanel, die sich mit dem Baron auf eine Liaison eingelassen hatte. Aber ihre begehrlichsten Blicke warf sie auf die hochgeknöpfte Jacke des Pagen. Der mit Papeln eingefasste Halsausschnitt, die Taschen, die Knopfleiste und deren Abschluss faszinierten sie. Sie bot dem jungen Mann eine Stange Geld für das Kleidungsstück, doch er blieb standhaft. Schließlich hatte er nur diese eine Jacke, und ohne sie wäre sein Job weg gewesen. Also blieb der Modegestalterin gar nichts anderes übrig, als das gute Stück nachzuempfinden und nach ihrem Geschmack zu verändern. Fertig war ein Mode-Klassiker!
Die Jacke eines Pagen gab den Ausschlag
„Bei uns ist es immer hell", freut sich Hildegard Gandler im schönen Innenhof von „Schloss Mittersill". „Entweder scheint die Sonne oder der Schnee erleuchtet alles." Zufrieden strahlend bittet sie mit einladender Geste ins Haus. Seit 2009 ist sie die neue Schlossherrin. Damit ist zum ersten Mal in seiner 900-jährigen Geschichte das pittoreske Anwesen im Besitz einer einheimischen, einer Pinzgauer Familie. „In mehreren Baustufen haben wir die einzelnen Flügel behutsam umgebaut. Wir wollten unbedingt die Atmosphäre der alten Gemäuer erhalten und unsere Gäste trotzdem mit modernen Annehmlichkeiten verwöhnen." Dafür wurde an das historische Schlossgemäuer auch ein Spa mit einem Außenpool angebaut, der einen atemberaubenden Ausblick auf die Hohen Tauern und die Kitzbüheler Alpen inmitten des Nationalparks Hohe Tauern erlaubt. Die meisten der Gästezimmer und -suiten sind nach einem berühmten Gast benannt, der einst dort logierte. Alte Bilddokumente an den Wänden versetzen in die glanzvolle Zeit zurück.
Für neuen Glanz hingegen sorgt Geri Voithofer. Der junge Küchenchef kocht seit 2014 im Schloss, und wurde jüngst mit einer der begehrten Hauben gekrönt und im Gault-Millau 2020 verewigt. Um die Philosophie seiner Kochkunst zu umschreiben, braucht er nicht viele Worte. Ihm reicht genau eins: Handwerk. „Es geht uns nicht um teure Produkte, sondern um das, was aus dem entsteht, was bei uns vor der Haustür wächst. Ich finde", schwärmt der 38-jährige Koch von seiner Heimat, „wir leben hier im Pinzgau in einem einzigartigen Feinkostladen. Zu jeder Jahreszeit wächst genug, um daraus eher Ungewöhnliches oder zumindest doch Ungewohntes zu zaubern. Allein mit einem schlichten Rettich kann ich die Geschmacksnerven immer neu herausfordern, in dem ich ihn mal frittiere, mal einlege, mal knusprig, mal cremig serviere. Brauche ich neue Anregungen, denke ich an das, was meine Oma gekocht hat. Sie ist für mich der Vorreiter der ehrlichen, regionalen Küche." Also nimmt sich jetzt auch Geri Voithofer mit seiner Crew bewusst der vielen Schätze an, die um das Schloss herum und im Wald wachsen: aromatische Kräuter, Pilze, die vielen Blaubeeren, Latschenkiefer. Und Sauerampfer. Denn daraus lässt sich ein erstaunlich leckeres Sorbet bereiten. Die Gäste staunen immer wieder, welche gewaltige Bandbreite an Speisen die Produkte aus der Gegend zulassen, die immerhin 80 Prozent der Zutaten ausmachen. Gemüse, das nicht vor dem Schlosstor wächst, kommt aus der Nationalpark-Gärtnerei im benachbarten Stuhlfelden, und auch das Fleisch hat nur einen maximalen Lieferweg von zwei oder drei Kilometern hinter sich. „Einerseits schränkt uns diese fast ausschließliche Regionalität ein, aber andererseits wird unsere Kreativität herausgefordert, so Gutes wie möglich daraus aufzutischen", beschreibt der Koch das Geheimnis seiner Küche, um noch hinzuzusetzen: „Warum sollen wir Hummer importieren, wenn wir in unseren Flüssen die besten Krebse fangen können?"
Einzigartige Umgebung im Nationalpark
Nach all den Köstlichkeiten aus Geri Voithofers Küche und vollgesaugt mit den Geschichten vergangener Jahre, wird es Zeit, sich endlich der einzigartigen Umgebung des Schlosses zu widmen. Schließlich thront es über dem größten Ort des Pinzgaus im wunderschönen Nationalpark Hohe Tauern. Dank Shuttle-Service sind weder das Kitzbüheler Skigebiet noch die Skiarena Wildkogel, weder die Zillertal Arena noch die Schmittenhöhe in Zell am See weit. Langlaufloipen und Winterwanderwege sind nur fünf Fahrminuten vom Hotel entfernt und bieten einen traumhaften Ausblick auf die verschneiten Gipfel der Dreitausender. Und wer befürchtet, er könnte von Kräften sein, ehe er das Schloss wieder erreicht hat, ist auf der „Toni-Alm" direkt an der Panoramaabfahrt Kitzbüheler Alpen richtig. Auf der windgeschützten Terrasse mit überwältigendem Talblick heizen die Sonne, der Glühwein und manchmal auch DJs kräftig ein.