Frankreich lockert seine Corona-Beschränkungen. Eventuell ist Urlaub in dem schönen Land bald wieder möglich. Vielleicht im Burgund, einem der beliebtesten Ferienziele in Frankreich. An verschiedenen Orten geht die Reise zurück ins Mittelalter.
Tournus an der Saône ist einer der geschichtsträchtigen Orte, die man im Burgund entdecken kann. Hier steht die tausendjährige romanische Abteikirche Saint-Philibert. Alle Kriege hat der robuste Bau mit seinen dicken Mauern überdauert und ist der größte Schatz der kleinen, 5.500 Einwohner zählenden Stadt.
Schon 875 wurde hier ein Benediktinerkloster gegründet, aber erst 1019 war das Gotteshaus fertig. Vermutlich waren die Mönche knapp bei Kasse. Diesen stattlichen Bau zu errichten, muss eine Anstrengung sondergleichen gewesen sein. Dass danach Sparen angesagt war, lässt sich einem Schild im Vorraum von Saint-Philibert entnehmen: „Diese kaum veränderte Abteikirche bewahrt noch ihre schöne einheitliche Romanik. Gotik, Renaissance und Barock haben aus Geldmangel vom 12. bis zum 19. Jahrhundert kaum Spuren hinterlassen."
Ihre robuste Schlichtheit bewahrte sie auch vor den Zerstörungen während der Französischen Revolution. Der bekannte Spruch: „Armut ist der beste Denkmalschutz", hat sich auch in Tournus bewahrheitet. Sogar die farbigen Bodenmosaike aus dem 12. Jahrhundert sind erhalten, erst kürzlich wurden sie unter dem Kirchenboden wiederentdeckt. Nun gehört diese dreischiffige Basilika mit ihrem wehrhaften Westwerk zu den bedeutendsten frühromanischen Sakralbauten Mitteleuropas.
Doch Tournus mit seiner schönen mittelalterlich geprägten Altstadt und den farbigen Häuserreihen besitzt noch weitere Schätze, eine spürbare Lebensqualität und sogar ein Sternerestaurant. Vorbei an einem großen Blumenladen und gut sortierten Geschäften führt der Weg zum fein restaurierten „Hôtel-Dieux" (Hotel Gottes) aus dem 17. Jahrhundert.
Diesen angenehmen Namen trug das Krankenhaus, in dem Arme, Pilger und Reisende gepflegt wurden, in einem Saal die Frauen, im anderen die Männer. Ob die Säle wirklich so relativ schick waren, wie sie nun wirken? Auf alle Fälle ist die dazugehörige alte Apotheke mit ihren Gefäßen, in denen heilende Kräuter aufbewahrt wurden, ein Highlight für sich. Das Gleiche gilt auf andere Weise für die leckere Tournus-Torte sowie für viele burgundische Weine, insbesondere für den Chardonnay. Manch kleines Dorf produziert sogar eigene Qualitätsweine und verkauft sie vor Ort. Aus gutem Grund gehören Burgunds Weinbaugebiete seit 2015 zum Unesco-Welterbe.
Schöne farbige Bodenmosaike aus dem 12. Jahrhundert
Das Gegenbeispiel zu Tournus bietet das einst hochberühmte Cluny. Dieses im Jahr 910 gegründete Reformkloster, das nur dem Papst unterstand, nahm eine steile Entwicklung. Vielleicht eine zu steile – es wurde während der Französischen Revolution weitgehend zerstört. Perdu ist die frühere Pracht.
Begonnen hatte alles mit zwölf Mönchen, die dort nach der Benediktinerregel „Ora et labora" („Bete und arbeite") zunächst ärmlich lebten. Doch schon 100 Jahre nach der ersten schlichten Kirche, Cluny I, wurde im 11. Jahrhundert Cluny II errichtet, ein frühromanisches Gotteshaus. Das Kloster gewann nun zunehmend an Einfluss und entwickelte sich zu einem der wichtigsten geistigen Zentren Europas.
Der tatkräftige Abt Hugo (1024 – 1109) veranlasste schließlich den Bau einer riesigen Abteikirche (Cluny III), die mit vier Seiten- und zwei Querschiffen alle bisherigen Maße (und Mittel) sprengte. Rund 500 Jahre, bis zur Errichtung des Petersdoms, war diese 187 Meter lange und gut 30 Meter hohe Basilika St.-Pierre-et-St.-Paul (St. Peter und Paul) das größte Gotteshaus der Christenheit. Auch 1.200 Klöster mit rund 20.000 Mönchen gehörten weit über Frankreich hinaus zum Konglomerat Cluny, darunter das Kloster Hirsau im Schwarzwald.
Während der Französischen Revolution wurde Clunys Riesenkirche zu 90 Prozent zerstört, und ihre fünf Türme stürzten ein. Nur ein kleinerer Nebenturm zeigt wie ein warnender Finger himmelwärts. Erst 2010, zum 1.100. Geburtstag des Klosters, wurden Mittel bereitgestellt, um die wertvollen Reste zu sichern. Seither hat die Zahl der Besucherinnen und Besucher deutlich zugenommen, die die noch immer imponierenden Relikte bestaunen und sich auch über junge Frauen und Männer in fantasievoller Kleidung wundern. Es sind Studentinnen und Studenten, die hier an der Filiale der Pariser Elite-Ingenieurschule „Arts et Métiers Paris-Tech" ausgebildet werden. Die Erstsemester tragen schlichte graue Kittel. Später dürfen sie diese mit Aufklebern und Graffiti schmücken.
Ein Schmuckstück geblieben ist auch die Abteikirche im nahen Städtchen Paray-le-Monial. So groß wie geplant wurde diese romanische Basilika aus Geldmangel nicht. Das hat sie gerettet und macht sie zu Cluny III im Kleinformat.
Stadttore und antikes Theater aus der Römerzeit
Wesentlich mehr gibt es weiter nördlich in Autun zu sehen. Die Kathedrale Saint-Lazare aus dem 12. Jahrhundert gilt als ein Beispiel burgundischer Romanik. Vor allem das Westportal mit seinem gut erhaltenen romanischen Tympanon ist eine Rarität. Nur die sündige Eva fehlt, die Führerin Christine Angermann auf einem Foto zeigt. Zu nackt und zu lasziv empfanden sie die Kleriker und bedeckten die Schöne mit einer Gipsschicht. Dermaßen versteckt überstand sie die Französische Revolution und ist nun der Hingucker im dortigen Musée Rolin. Darüber hinaus überrascht noch weit Älteres in Autun. Aus römischer Zeit stammen die Stadttore Porte d’Arroux und Porte Saint-André und halten nach wie vor dem Autoverkehr Stand. Im erhaltenen antiken Theater belustigen im Sommer Römerspiele die Zuschauer. Das Unikat ist jedoch der sogenannte Janustempel, der aber keineswegs dem Gott Janus geweiht war. Wie Forscher herausfanden, umhüllte das Bauwerk ursprünglich eine hölzerne gallische Kultstätte. Die Steinmetzarbeiten vollbrachten die Römer. Und die bauten sozusagen für die Ewigkeit, wie unter anderem ihre Brücken und Aquädukte beweisen. Vielleicht dienten diese Meisterwerke noch in den folgenden Jahrhunderten als Vorbilder für robustes Bauen. In Nevers an der Loire hat die ehemalige Pilgerkirche Saint-Etienne (Stefanskirche) die Zeiten überstanden. Sie ist eines der schönsten Beispiele für Frankreichs frühe Romanik und steht unter Denkmalschutz.
Wunderbare Pralinen beim Chocolatier
Auch das Städtchen La Charité-sur-Loire besitzt mit der romanischen Prioratskirche Notre Dame von 1107 solch eine „Überlebenskünstlerin". Als wichtige Station auf dem Jakobsweg gehört sie seit 1998 zum Unesco-Weltkulturerbe. Charité bedeutet Barmherzigkeit. Hier wurden die Pilger versorgt und wanderten über die im 12. Jahrhundert erbaute Loire-Brücke gen Santiago de Compostela. Diese älteste Loire-Brücke wird immer noch genutzt.
Wunderbar frisch sind dagegen die Pralinen beim Chocolatier Jean-Claude Charpentier im Zentrum des sympathischen Städtchens. Die sind von bester Qualität und haben auch den entsprechenden Preis. Dennoch brummt der kleine Laden, und genauso ist es zumeist in Burgunds Restaurants. Die Franzosen geben bekanntlich mehr Geld als die Deutschen für gutes Essen und feine Weine aus. Und die munden sogar in freier Natur. Auch deshalb ist Burgund solch ein beliebtes Reiseziel.