Mit den Schließungen ab Mitte März stürzte die Gastronomie in eine existenzielle Krise. Ab dem 18. Mai kann es nun weitergehen – mit Hygienekonzept.
Wenn der Gast nicht zum Essen kommt, kommt das Essen halt zum Gast – so lässt sich der Gedanke von Thomas Beckert plakativ zusammenfassen. Der Geschäftsführer der Site Point GmbH, einem Online-Dienstleister aus Saarbrücken, war vor Beginn der Corona-Krise regelmäßiger Gast in den umgebenden Restaurants. „Fürst Ludwig" und „Fredrik" gehörten zu seinen Favoriten. Nachdem alle Betriebe schließen mussten, wollte Beckert seinen Lieblingsrestaurants helfen. Also gründete er die Plattform rettet-guddgess.saarland. „Wir haben die digitale Infrastruktur zur Verfügung gestellt", erklärt er das Konzept: Auf der Plattform können sich Gastronomen kostenlos registrieren, sodass hungrige Kunden einen schnellen Überblick darüber haben, welche Betriebe statt des normalen Geschäftes noch einen Lieferdienst anbieten. Weit mehr als 50 hatten sich bereits nach nur zwei Wochen nach Start am 23. März angemeldet – vom Pub am Markt über das Café um die Ecke bis hin zur gehobenen Pizzeria, von Mettlach über Nonnweiler und Sulzbach bis nach Kirkel und Neunkirchen. Auch die Kunden selbst können Betriebe vorschlagen, die dann von Beckert kontaktiert werden. Zudem können Kunden „ihren" Restaurants auch über den Kauf von Gutscheinen weiter treu bleiben. Oder sie spenden einfach einen gewissen Betrag. Dabei geht alles eins zu eins an die Betriebe, wie Beckert betont. Die Akquise lief über die Kontaktaufnahme zum eigenen Kundenstamm; aber auch die Tourismuszentrale des Saarlandes und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband im Saarland (Dehoga) sind an der Plattform beteiligt.
Die Solidarität ist groß. Ewig so weitermachen kann die Branche jedoch nicht. Aktuell sind im Saarland laut Bundesagentur für Arbeit 133.000 Menschen in Kurzarbeit, darunter zahlreiche Menschen aus der Gastronomie. Die Signale aus der Landespolitik geben den Gastronomen nun jedoch Anlass zur Hoffnung: Wenn ein Hygienekonzept vorliegt, können saarländische Betriebe ab 18. Mai wieder öffnen.
Dann könnte es weitergehen, zum Beispiel für Manuel Jakob, Inhaber des „Bruder Jakob" in St. Wendel. Die Burger-Bar mit Eiscafé stellte nach Anordnung der Schließung ziemlich schnell auf den Lieferdienst um. „Das fängt schon einiges ab", sagt der Chef und fügt nach kurzem Überlegen hinzu: „Im Grunde rettet uns das das Überleben." Der Lieferdienst sei für ihn immens wichtig, da man so zumindest die Mitarbeiter halten und die Miete zahlen könne. Die Mitarbeiter selbst sind in Kurzarbeit. Die Karte hat Manuel Jakob für den Lieferservice verkleinert und „extrem effektiv gehalten. Darauf sind die beliebtesten Burger zu finden und auch eine Neuerung: das Do-it-yourself-Burgerpaket. Belag, Soßen und Brötchen werden vorbestellt und im „Bruder Jakob" einzeln verpackt. Das Fleisch wird vakuumiert und dann alles zusammen ausgeliefert. Ob er den Lieferdienst im Nach-Krisen-Betrieb weiter anbietet, sei durchaus eine Überlegung wert, so Jakob. Bis dahin sei es noch ein langer Weg. „Man ist frustriert, man kämpft immer weiter – ansonsten wird man wahnsinnig."
Kreativität war also gefragt. Wie kann man wenigstens ein bisschen verkaufen, ohne zu öffnen? Liefern kann man nicht nur Speisen, sondern auch Getränke, dachten sich einige Bars. Seit dem 6. April stieg zum Beispiel die „Nautilus-Bar" in Saarbrücken in den Lieferdienst ein. Inhaber Ralph Nermerich zeigt sich damit einigermaßen zufrieden. Von den etwa 80 regulär auf der Karte stehenden Mischgetränken stehen rund 40 auf der „Cocktails to go"-Karte. Die werden, wenig verwunderlich, am Wochenende am stärksten nachgefragt. Kurios ist lediglich, dass nicht der Samstag, sondern der Sonntag den meisten Umsatz bringt. Da trinke man beim Spazierengehen gemütlich einen Cocktail, vermutet er. Diese werden vorbestellt, gemischt und ganz hygienisch in kleine Fläschchen abgefüllt, das zugehörige Eis wird vakuumiert. „Unsere Eiweiß-Cocktails werden mit einem veganen Eiweißersatz hergestellt, den man zu Hause einfach mit einem Milchaufschäumer mit einer kleinen Schaumkrone versehen kann", sagt Ralph Nermerich. Ein bisschen Eigenleistung muss dann halt doch sein. Geliefert wird im Stadtgebiet von Saarbrücken, bei Abholung gibt es einen Rabatt. Um dem Genuss ihrer alkoholischen Getränke zu fördern, hat sich das Nautilus-Team auch noch ein weiteres Schmankerl einfallen lassen: die Nautilus-Tastings. „Die bieten wir sogar jetzt in den eigenen vier Wänden", sagt der Inhaber, per Konferenz-Software, live gestreamt. Kritik übt er an den Auflagen zur Wiedereröffnung. Das sei für die Nautilus-Bar wegen der räumlichen Gegebenheiten kaum möglich und würde sich wirtschaftlich auch nicht rechnen.
Geöffnet bis 22 Uhr mit Tischbewirtung
Sterne-Koch Cliff Hämmerle, Inhaber des „Hämmerle’s" mit den beiden Restaurants „Barrique" und „Landgenuss" im Blieskasteler Ortsteil Webenheim, freut sich wiederum auf die Öffnung ab Montag: „Wir hoffen, dass es eine kleine Aufbruchstimmung gibt, die auf uns überschwappt." Seine rund 30 Mitarbeiter waren in Kurzarbeit, nur die Auszubildenden noch vor Ort. „Die Ausbildungspflicht läuft ja weiter", erklärt er. Und so erledigte man zusammen Reparaturarbeiten in den beiden Häusern. Außerdem setzten er und seine Azubis ihre Kochkunst für karitative Zwecke ein, etwa für den Kältebus in Saarbrücken. Am Römerkastell waren jeden Abend 80 bis 100 Obdachlose, die wegen der Corona-Krise noch weniger haben als ohnehin schon – es gibt ja kaum Passanten, die ihnen ein paar Cent zustecken. Einen festen Wohnsitz haben sie auch nicht, öffentliche Duschen und Toiletten sind gesperrt. Gegen 19 Uhr starteten die Azubis von Hämmerle mit dem Fertigen der Gerichte wie „Geheirade" oder Lyonerpfanne. Ab 21 Uhr wurden die Speisen von den Ehrenamtlern des Kältebusses ausgefahren, auch zu den Obdachlosen unter der Wilhelm-Heinrich-Brücke. Das gehe teilweise bis nachts um 3 Uhr. Hämmerle: „Ich ziehe einen Riesen-Hut vor diesen Leuten." Das Kochen sei auch in der Krise das gewesen, was am meisten Spaß machte. Das vermittelte er auch in seinen Kochsendungen beim Saarländischen Rundfunk. Für die Wiedereröffnung nach dem Gastro-Shutdown stehe man bereits in den Startlöchern. Mit rund zwei Monaten Schließung hatte er zu Anfang jedenfalls nicht gerechnet.
Frank C. Hohrath, Hauptgeschäftsführer Dehoga Saarland, antwortete auf FORUM-Anfrage verzögert und entschuldigte sich mit den auf ihn regelrecht einprasselnden Fragen seitens der Gastronomen und der Hotellerie. Auf der Webseite dehogasaar.de gibt der Verband seit Beginn Tipps, wie man mit der Situation umgehen sollte. Vorschläge wie den Wareneinkauf so gering wie möglich zu halten, auf Mischkalkulation zu verzichten und schlecht laufende Speisen von der Karte zu streichen könnten zum Teil auch nach der Krise von Nutzen sein. Generell solle man jede Einsparung auch tätigen und regelmäßig den Kontostand kontrollieren. Im Zusammenschluss mit Mitbewerbern könne man gegebenenfalls günstigere Konditionen durch gemeinsame Bestellungen bekommen. Als Dehoga-Verbandsmitglied habe man generell oftmals spezielle Konditionen. Der Verband ruft auch dazu auf, Feedback an ihn zu senden, da man sich informieren möchte, ob und wie beispielsweise die Hilfspakete von Land und Bund greifen.
Bei diesen bestehe noch Handlungsbedarf, sagte Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD). „Der Espresso, der bislang nicht getrunken wurde, wird nach dem 18. Mai nicht zweimal getrunken. Daher muss die Bundesregierung für Gastronomie, Hotellerie und Veranstaltungsbranche einen zusätzlichen Rettungsschirm aufspannen."
Die Schirme aufspannen kann derweil schon bald so mancher Betrieb. Denn die Lockerungen für die Gastronomie und für Hotels unterscheiden nicht zwischen Innen- oder Außenbereich. Fest steht, dass die Öffnungszeiten von 6 Uhr morgens bis 22 Uhr begrenzt sein werden. Discos, Clubs und Shisha-Bars bleiben geschlossen. Bewirtet wird ausschließlich an Tischen. Während Hotels bisher bereits für beruflich bedingte Übernachtungen geöffnet haben durften, ist ab 18. Mai auch der normale, touristische Betrieb möglich – im Rahmen der geltenden Kontaktbeschränkungen. Um das Infektionsrisiko weiter zu minimieren, dürfen Hotels, Campingplätze oder Ferienwohnungen aber nicht voll belegt werden: ab dem 18. Mai mit maximal 50 Prozent der Kapazitäten, ab dem 25. Mai mit 75 Prozent, ab dem 2. Juni je nach Infektionszahlen mit Vollauslastung. Schwimm- und Fitnessbereiche bleiben allerdings noch geschlossen.