Zwar haben mittlerweile schon wieder zahlreiche Berliner Museen für Besucher geöffnet – reichlich Kunst aber lässt sich auch in Berliner Parks und Gartenanlagen entdecken. Ein Streifzug.
Viktorias Blick schweift stolz und milde lächelnd über ihr grünes Reich. Die vergoldete Bronzeskulptur – von den Berlinern auch liebevoll „Goldelse" genannt – ist wohl das weithin sichtbarste Kunstdenkmal der Stadt. Bildhauer Friedrich Drake hat die geflügelte Siegesgöttin im Auftrag von Kaiser und Preußenkönig Wilhelm I. erschaffen, um den Sieg über Frankreich und die Reichseinigung zu feiern. Im Kultfilm „Der Himmel über Berlin" wurde sie von Regisseur Wim Wenders verewigt. Seit 80 Jahren blickt sie von ihrem 67 Meter hohen Sockel über die grüne Lunge Berlins – den Großen Tiergarten, mit seinen 210 Hektar Fläche – gleich nach dem Tempelhofer Feld (355 Hektar) – die größte, aber auch älteste Parkanlage der Stadt. Die Geschichte reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück – einst diente das Gelände als Jagdgebiet, im 18. Jahrhundert ließ Friedrich der Große den Tiergarten zum Lustpark für die Bevölkerung umgestalten – mit Alleen, kleinen Plätzen aber auch mit labyrinthartigen Wegen und Teichen.
Über 2.500 Berliner Parks und begrünte Erholungsinseln hat die Hauptstadt zu bieten. Mit über 12.926 Hektar öffentlicher Grünfläche ist Berlin Europas grünste Metropole. Eine kunsthistorische Runde im Großen Tiergarten zu beginnen, ist nicht verkehrt, bildet er doch eine ganze Bandbreite verschiedenster Kunstformen ab – kleine (zwischen-) menschliche Alltagsszenerien, mythologische, märchenhafte und romantische Wesen – Menschen, Tiere, Brücken, Brunnen, Steine oder Stelen, die als Denk- und Mahnmäler (auch Kriegs- und Ehrendenkmäler) zum Verweilen einladen. An die einhundert Skulpturen liegen im Tiergarten verstreut – manche stammen aus dem 18. Jahrhundert, andere aus der Berliner Bildhauerschule des 19. Jahrhunderts oder schlagen die Brücke in die Moderne. Das Spektrum beginnt mit Statuen und Standbildern bedeutender Dichter, Denker und Komponisten wie Richard Wagner, dem Haydn-Mozart-Beethoven-Dreigespann oder Theodor Fontane. Daneben lassen sich auf kleinen Lichtungen oder in versteckten Winkeln als Denkmal verewigt die vielen Mitglieder der königlichen Familien entdecken. Ganz prominent ragt in der Verlängerung der Hofjägerallee die Bronzestatue von Otto von Bismarck auf – das letzte Werk des Bildhauers Reinhold Begas entstand Ende des 19. Jahrhunderts. Nahe der Lichtensteinbrücke über den Landwehrkanal sind Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zwei stählerne Schriftzüge gewidmet, 1919 wurden beide von rechtsradikalen Freikorpsmännern ermordet.
Im gesamten Tiergarten zollen zahlreiche Tierskulpturen aber auch Ornamente an Brücken oder Brunnen der Vergangenheit des Tiergartens als Jagdrevier der brandenburgisch-preußischen Könige Tribut. Löwen sind dabei ebenso vertreten wie Wildschweine und Hirsche.
Beliebter Ort für Denkmäler aller Art
Liebhaber der modernen Bildhauerei kommen im Englischen Garten auf ihre Kosten, dort findet man stilisierte Kreaturen wie den Silberfisch aus Marmor von Alfred Trenkel (1955). Mit seiner minimalistischen Erscheinung ziert er den zentralen Teich. Ein ebenso abstraktes Kunstwerk in der stadtweit zu besichtigenden „Berliner Freiluftgalerie" ist der „Large Divided Oval Butterfly" – Henry Moores letztes Werk. Das Prunkstück des weltberühmten englischen Bildhauers – eine für ihn typische Bewegungsstudie – schwimmt, beziehungsweise schwebt wie eine sich entspannende Faust auf dem Spiegelteich des Hauses der Kulturen der Welt. Mit viel Fantasie erkennt man darin die Leichtigkeit eines Schmetterlings. 1987 –
zur 750-Jahr-Feier Berlins – hat sich die Stadt diese abstrakte, zehn Tonnen schwere, bronzene Skulptur für 3,5 Millionen Mark selbst geschenkt und sich damit eines der teuersten „Kunststücke" im öffentlichen Raum gegönnt.
Dabei hat Berlin mit dem Bildhauer Volkmar Haase „seinen eigenen Henry Moore". Internationale Häuser wie das Museum of Modern Art in New York oder auch das Wilhelm-Lehmbruck-Museum Duisburg besitzen Werke dieses Künstlers. In Haases Geburtsstadt Berlin sind über 40 monumentale Skulpturen von ihm in Straßen und Parks zu sehen. Seine weich geschwungenen Edelstahlskulpturen hat der 2012 verstorbenen Bildhauer vorwiegend für den öffentlichen Raum erschaffen.
Zwei Hinweise zur Spurensuche: Auf dem Vorplatz des Märkischen Museums leuchtet die Edelstahlplastik „Differenzierte Berührung" (2006) in der Sonne. Seine dynamische „Woge mit Kugel – Der Anfang und das Ende" (2003) thront am Eingang zum Lietzenseepark (Witzlebenstraße) und lässt Vorbeischlendernde von den Wogen des Meeres als Symbol für Zeit, Wandel und Vergänglichkeit träumen.
Neben Streifzügen durch die bekannten Grünanlagen der Stadt sollten Kunstinteressierte sich ruhig auch auf Spurensuche in kleineren Parks und ruhigeren Ecken begeben. So trifft man beispielsweise am Nikolsburger Platz in Berlin-Wilmersdorf auf eine Gänse-Liesel. Umringt von ihrem Federvieh ist sie Teil einer kleinen Brunnenanlage. Seit 1870 gibt es den Platz. 1940 wurde der Bronzebrunnen wie viele seiner Art von den Nationalsozialisten eingeschmolzen und nach historischer Vorlage später wiederaufgebaut. Erich Kästner verewigte den Platz 1929 in seinem Kinderbuch „Emil und die Detektive".
Schmetterling aus zehn Tonnen Bronze
Direkt am eher gesichtslosen Steglitzer Damm liegt eine vor sich hinschlummernde Parkoase, die eine perfekte Freilichtbühne für ein berührendes Kunstwerk bietet: „Das Erwachende Mädchen" von Josef Limburg verzaubert die Parkbesucher bereits seit 1959. Sie kniet im dornig-blühenden Rosenmeer. Obwohl sie aus Bronze ist, meint man sie leise seufzen zu hören, so lebensecht ist die Skulptur. Ein männliches Pendant steht im Lietzenseepark. Ein bronzener Jüngling (von Fritz Röll) bindet sich hier seit mittlerweile über hundert Jahren seine Sandalen. Männliche und weibliche Nacktheit vermischt sich am Fuß des 24 Meter hohen Wasserfalls im Kreuzberger Viktoria Park. Die vor Sinnlichkeit nur so strotzende Paarskulptur (1896 von Ernst Herter) zeigt eine sich windende Nixe, die sich im Netz eines neptunartigen Fischers verfangen hat. Die Statue ist ein beliebter Treffpunkt, um von dort zum 66 Meter hoch gelegenen Schinkeldenkmal zu pilgern. Der Aufstieg lohnt sich, denn der Blick über Berlins Mittelachse ist einmalig.
Auf ihre Art dem Himmel nah überrascht ebenfalls in Berlin-Kreuzberg eine androgyne Shiva-Figur am Engelbecken. Wie ein guter Geist thront sie im Lotussitz auf dem Indischen Brunnen. Kaum vorstellbar, dass hier zu DDR-Zeiten der Todesstreifen den Ostteil der Stadt vom Westteil trennte.
Einst verlief hier der Luisenstädtische Kanal, der die Spree mit dem Landwehrkanal verband, allerdings nie eine größere Bedeutung für den Wasserverkehr in Berlin erlangte. 1926 wurde der Kanal zugeschüttet – auch weil das wegen des geringen Gefälles im Kanal stehende Wasser zu Geruchsbelästigungen führte. Bei Rekonstruktionsarbeiten wurden Teile der ursprünglichen Ornamente ausgegraben – samt der exotisch-mysteriösen Shiva-Figur.
Die indische Göttin im Engelbecken
Übersinnliches, Romantisches und Sagenhaftes bestimmt auch die Kunst-Topografie im 1846 angelegten Volkspark Friedrichshain – Berlins erster kommunaler Grünanlage. Hier liegt das Märchenhaft-Verklärte gleich neben mahnenden Erinnerungsorten. Vom westlichen Parkeingang gelangt man zum 1913 fertiggestellten Märchenbrunnen – der größten öffentlichen Brunnenanlage der Kaiserzeit. Hans im Glück und andere Grimm’sche Steinfiguren, Putten-, Tier- und Kindergestalten des Bildhauers Ignatius Taschner grinsen von ihren Sockeln. Die Kaskade mit den parzellenartigen Wasserbassins erinnert an einen italienischen Renaissance-Wassergarten. Im Mittelteil des Parks findet man die Weltfriedensglocke als Mahnmal für die Atombombenabwürfe auf die japanischen Städte Nagasaki und Hiroshima im August 1945. Mehr als hundert UN-Länder haben für den Guss der 1989 eingeweihten Glocke gespendet.
An ein düsteres Kapitel Geschichte erinnern will ein Gedenkort am Spandauer Ufer. Dort, wo die Spree auf die Havel trifft, erhebt sich ein dunkler Steinblock vor einer hellen Steinplatte, beide durchzieht ein Riss. Eine niedrige Ziegelsteinmauer mit lauter Namen begrenzt die Anlage, Spandauer Bürger, die als Juden verfolgt wurden. Das puristisch gestaltete Mahnmal erinnert an ihr Leiden und ihre Verfolgung unter dem NS-Regime. Denn am Lindenufer 12 wurde 1938 in der Pogromnacht die Spandauer Vereinssynagoge durch Brandstiftung zerstört. Der Bezirk Spandau hat 1988 einen Wettbewerb für den Bau eines Mahnmals ausgeschrieben –
der Entwurf von Ruth Golan und Kay Zareh setzte sich durch. Ein beleuchteter Bergkristall symbolisiert das ewige Licht in dem gespaltenen Granitwürfel, als Zeichen des Gedenkens.