Berlin hat seit Mitte Juni als erstes und einziges Bundesland ein Antidiskriminierungsgesetz. Wenn Bürger das Gefühl haben, sie werden von einem Staatsbeamten aufgrund von Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit unfair behandelt, können sie klagen. Der Fraktionschef der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus Burkard Dregger bezeichnet das Gesetz als Irrsinn.
Herr Dregger, Berlin hat jetzt ein Antidiskriminierungsgesetz. Sie kritisieren daran die Umkehr der Beweislast: Nicht der Kläger muss beweisen, dass er diskriminiert wurde, sondern der Beklagte muss seine Unschuld belegen. Ein Paradigmenwechsel in der Rechtsprechung?
Ja, nicht nur das, sondern die rot-rot-grüne Regierung in Berlin hat ja ganz offenbar den Eindruck, dass die öffentliche Sicherheit in der Stadt nicht durch Kriminelle gefährdet wird, sondern durch seinen Landesbediensteten selbst. Diejenigen, die für Ordnung und Sicherheit sorgen sollen, stehen nun unter Generalverdacht, dass sie diese gefährden. Das ist natürlich ein völliger Irrsinn. Tatsache dagegen ist, dass Polizeibeamte in Berlin jedes Jahr rund 7.000-mal angespuckt oder angegriffen werden. Und diese Angreifer haben jetzt noch obendrein das Mittel, mit einem unzutreffenden Diskriminierungsvorwurf die Beamten unter Rechtfertigungszwang zu setzen und sie damit in die Defensive zu drängen.
Aber bei den Überprüfungen geht es auch mal recht robust zu, oder nicht?
Stellen Sie sich vor, ein stadtbekannter Chef eines arabischen Clans wird vernommen wegen diverser Vorwürfe. Der stellt sich jetzt hin und behauptet, er wäre nur zu Vernehmung gebeten worden, weil er einen arabischen Namen trägt. Welcher Beamte, welcher Staatsanwalt macht sich denn da in Zukunft noch die Mühe und ermittelt und lädt vor, wenn er im Anschluss daran selber in das Visier von Ermittlungen zu geraten droht. Die, die da bemüht sind und sich für den Rechtsstaat einsetzen, weil sie eben Hinweisen nachgehen, sind die Doofen, weil sie immer mit einem Disziplinarverfahren rechnen müssen. Das heißt, eine Beförderung findet vorerst nicht statt. Hingegen die, die einfach alles laufen lassen, weil sie sich keinen Ärger einhandeln wollen, werden zukünftig schneller befördert. Mir fällt kein wirksameres Mittel ein, um die Durchsetzungsfähigkeit unseres Rechtsstaates weiter zu schwächen.
Wobei man auch nicht vergessen darf, dass heute weit über ein Drittel der Berliner Polizisten und Polizistinnen einen Migrationshintergrund hat. Was soll da der Rassismusvorwurf?
Ich glaube, diese Frage kann Ihnen nicht mal die rot-rot-grüne Chaoten-Truppe beantworten, die uns da regiert. Es ist doch gerade das Aushängeschild Berlins, dass hier viele Kulturen zusammenleben und auch in den Behörden zusammenarbeiten. Es gibt keine Statistik, die belegt, dass die Polizei oder die Behörden in Berlin generell diskriminieren. Schon seit Jahren wird darauf geachtet, die verschiedenen Ethnien in den Staatsdienst einzugliedern, um in der Verwaltung ein Abbild der Gesamtbevölkerung widerzuspiegeln. In keiner anderen deutschen Stadt gibt es in der Verwaltung – und vor allem auch in der Polizei – eine derartige Vielfalt von Migranten, wie hier in Berlin. Und diese einem pauschalen Diskriminierungsvorwurf auszusetzen, ist absurd.
Die Bundes- und mehrere Landespolizeiämter haben angekündigt, keine Beamten mehr nach Berlin zu Einsätzen etwa bei Demonstrationen zu schicken, um ihre Beamten vor Rassismus-Verfahren zu schützen …
Na ja, das ist ja nur konsequent. Welche Bundespolizistin oder welcher Beamte zum Beispiel aus Hessen fährt denn nach Berlin zur Unterstützung, kurz vor der Beförderung, um sich hier ein Disziplinarverfahren einzufangen und damit seine anstehende Beförderung auf ungewisse Zeit auszusetzen. Das macht doch kein vernünftig denkender Mensch. Ich stelle mich in den Steinhagel, und anschließend fällt meine Beförderung aus, weil ein vorläufig festgenommener Steine-Schmeißer behauptet, er sei wegen seiner Hautfarbe in Gewahrsam genommen oder sonst wie diskriminiert worden.
Aber Innensenator Geisel will per Brief den Ländern und dem Bund garantieren, dass bei Rassismus-Klagen gegen Polizisten die Stadt Berlin die Haftung übernimmt.
Um mit Goethe zu sprechen: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Denn diesen Brief habe ich, erstens, bis zum heutigen Tag nicht gesehen. Zum Zweiten glaube ich auch nicht, dass sich da ein Innensenator so einfach über das Verwaltungs- und Beamtenrecht mit einem persönlichen Brief hinwegsetzen kann. Aber ganz abgesehen davon: Das Signal, das von diesem Gesetz und dann noch obendrein, dem angekündigten Brief an die Berliner Bediensteten ausgeht, ist doch fatal. Die Berliner sollen sich einem Antidiskriminierungsgesetz mit allen persönlichen und beruflichen Folgen beugen, während die Polizei-Kollegen aus Bund und Ländern davon freigestellt werden. Mit dieser Freistellung räumt der Innensenator im Grunde ein, dass das Gesetz völliger Unsinn ist. Um hier jeden falschen Zungenschlag auszuräumen, natürlich darf niemand aufgrund seiner Herkunft oder Religion benachteiligt werden, aber das gleiche Recht haben auch Polizeibeamte in der Ausübung ihres Dienstes.
Ist Innensenator Andreas Geisel mit diesem Gesetz ein Getriebener von Linken und Grünen in der Berliner Landesregierung?
Wer als Innensenator so ein Gesetz mitträgt, der wendet sich gegen seine eigenen Leute, der hat jede Legitimation als oberster Dienstherr verloren. Der Innensenator hat hier die Kontrolle völlig verloren. Die Stimmung ist schlecht in der Polizei, aber auch bei den anderen Landesbediensteten Berlins.
Das Bittere für den SPD-Politiker Geisel: Die ganze Debatte losgetreten hat die SPD-Vorsitzende Saskia Esken, die diesen Generalverdacht offenbar zum politischen Programm machen wollte.
Und das sind genau die Politiker, die von ihrem Schreibtisch aus die Welt beobachten, oder besser, die glauben, dies von ihrem Schreibtisch machen zu können. Ich kann gern Herrn Geisel, aber auch Frau Esken mal mitnehmen in den Görlitzer Park, hier bei uns in Kreuzberg. Dann würden sie mal sehen, mit welcher Unverfrorenheit dort die Dealer arbeiten, beinahe so, als gebe es mittlerweile ein Recht auf Drogenverkauf. Dann würden sie aber auch sehen, wie dort Polizeibeamte behandelt werden. Die überprüften Menschen dort fordern zu Recht Respekt, versagen diesen aber den Ordnungshütern. Nicht wenige beißen, spucken und schlagen, wenn sie angesprochen werden.
Ist diese eskalierende Respektlosigkeit gegenüber der Polizei, ich denke zum Beispiel an die Ausschreitungen in Stuttgart, eine Folgeerscheinung der Rassismus-Debatte?
Das ist ja schon ein langfristiger Prozess der Linksextremisten, die die Legitimität der Polizei infrage stellen. Das machen übrigens die Rechtsextremen genauso, das ist also kein Alleinstellungsmerkmal der Linken, sondern aller Demokratiefeinde. Aber diese Debatte und dieses Antidiskriminierungsgesetz hier in Berlin, wonach alle Staatsbediensteten unter Generalverdacht gestellt werden, führen dazu, dass solche Übergriffe teilweise offenbar auch vom völlig unpolitischen Party-Volk kommen.
Ich sage das ganz klar, natürlich gibt es auch unter den Beamten schwarze Schafe. Aber auch unter den Demonstranten nutzen einige die Situation aus, um Straftaten zu begehen. Wenn in der Breite der Gesellschaft der Eindruck erzeugt wird, dass die staatlichen Bediensteten Rassisten sind, dann muss ich mich über Ausschreitungen wie in Stuttgart nicht wundern.