Seit 30 Jahren dreht es sich um die Erde – das Weltraumteleskop Hubble. Mehrmals drohte die Mission zu scheitern. Schon der Beginn war dramatisch. Fünfmal musste es repariert werden. Doch noch immer liefert es gestochen scharfe Fotos aus den Tiefen des Alls.
Schwarze Löcher, Supernovas, Spiralnebel, die fernsten Galaxien – das von der Nasa und der europäischen Esa entwickelte Teleskop hat die Astronomie einen Riesenschritt nach vorne gebracht. Es bewegt sich 615 Kilometer hoch rund um die Erde, ein ganzes Stück weiter draußen als die Internationale Raumstation ISS mit 400 Kilometern Abstand. Seine gestochen scharfen Aufnahmen haben Hubble zum populärsten Fernrohr der Welt gemacht – und zum Teil der Popkultur. Seine Fotos wurden auf Tassen, Bettwäsche, Werbeplakaten gedruckt, und tauchen immer wieder in Kinofilmen auf, wenn es um die „Tiefen des Alls" geht.
Alles begann 1986 mit einem spektakulären Unfall. Hubble, benannt nach dem Astronomen Edwin Hubble (1889 – 1953), war startbereit. Das elf Tonnen schwere Observatorium von der Größe eines mittleren Reisebusses sollte 1986 von einem Space Shuttle mit ins All genommen werden. Doch das Challenger-Unglück im Januar desselben Jahres, bei dem sieben Astronauten aufgrund eines fehlerhaften Boosters verbrannten, machte den Plan zunichte und verzögerte den Start um vier Jahre. So lange brauchten die Nasa-Techniker, um alle Systeme zu überholen und sicher zu machen.
Als sich im April 1990 die US-Raumfähre Discovery vom Kennedy Space Center in Florida in den blauen Morgenhimmel stemmte, hatte sie endlich die wertvolle Fracht an Bord: das Hubble-Weltraumteleskop, das neue Fenster zum Universum, wie ein Nasa-Kommentator schwärmte.
Doch die Enttäuschung war groß, als die ersten Bilder die Erde erreichten. Sie waren unscharf und verwaschen. Der große 2,40 Meter breite Spiegel im Innern des silbrig glänzenden Zylinders war falsch geschliffen: Was auf der Erde funktionierte, versagte unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit und des Vakuums. Das Licht, das der Spiegel reflektieren sollte, wurde nicht punktgenau konzentriert. Die Nasa setzte einen Untersuchungsausschuss ein, man erwog, Hubble mit einem Shuttle wiedereinzufangen und den Spiegel auszutauschen. Das erwies sich jedoch als zu aufwendig und teuer, weswegen die Techniker ein Korrektursystem entwickelten, das sich wie ein Monokel über den Hauptspiegel schob und den Fehler korrigierte. Zweieinhalb Jahre nach dem Start bauten Astronauten bei der ersten Reparaturmission das Korrektursystem ein. Erst jetzt konnte das Teleskop scharfe Bilder liefern und seinen wissenschaftlichen Betrieb ohne nennenswerte Probleme aufnehmen.
615 Kilometer von der Erde entfernt
Was leistet Hubble, was nicht andere, größere Teleskope besser können? Es umgeht die Erdatmosphäre. Lyman Spitzer, Professor an der Yale Universität, war einer der ersten, der in den 1940er-Jahren das Konzept eines Teleskops im All entwickelte. Er beschrieb die Störungen durch die Erdatmosphäre, die das Auflösungsvermögen jedes erdgebundenen Teleskops begrenzen. Es ist nicht der Staub, sondern die Lufthülle, die die Erde umgibt. Sie bremst das ultraviolette Licht und absorbiert die gesamte Röntgenstrahlung aus dem All. Was für das Leben auf der Erde ein großer Vorteil ist, erschwert die Beobachtung der Galaxien im All und verdeckt sehr heiße und aktive kosmische Ereignisse. Auch die berühmte Rotverschiebung im Spektrallicht der Sterne lässt sich durch ein Teleskop im All wesentlich genauer bestimmen. Edwin Hubble, der Namensgeber, war es, der entdeckte, dass sich aus dieser Rotverschiebung Alter und Distanz der Objekte im All ableiten lässt. Er bewies damit, was Einstein theoretisch berechnet hatte: Das All dehnt sich immer weiter aus.
Unbeeinflusst von diesen atmosphärischen Störungen erlaubt das Weltraumteleskop atemberaubend tiefe Einblicke in das Sonnensystem. Dank Hubble lässt sich der ganz junge Kosmos untersuchen, als gerade die ersten Sterne und Galaxien aufgeleuchtet waren. Das Licht, das von diesen Objekten heute auf den Spiegel des Weltraumteleskops trifft, hat 13 Milliarden Jahre gebraucht. Das ist sozusagen kurz nach dem Urknall, den die Astrophysiker vor 13,8 Milliarden Jahren vermuten, und lange bevor unsere Sonne und die Erde entstanden sind. Hubble zeigt uns das All kurz nach seinem Entstehen.
Zahlreiche Erfolge auf allen Feldern der Astronomie sind Hubble zu verdanken. Weil es im Infrarotbereich über das sichtbare Licht bis in den Ultraviolettbereich sehen kann, konnte es bestätigen, dass gigantische Schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien hausen. Viele von den Forschungsfeldern waren noch gar nicht absehbar, als das Weltraumteleskop in den Orbit gebracht wurde. So waren 1990 unter anderem noch kaum Planeten bei anderen Sternen bekannt. 2001 hat Hubble eindeutig zum ersten Mal die Atmosphäre eines solchen Exoplaneten nachgewiesen und seitdem rund 100-mal die Atmosphären solch ferner Planeten untersucht. Exoplaneten sind in etwa so groß wie die Erde und umkreisen andere Sonnen in einer lebensfreundlichen Entfernung. In manchen Fällen konnten Stoffe wie Natrium, Kalium und Wasserdampf nachgewiesen werden, chemische Elemente, die theoretisch Leben möglich machen. Der bisher erdähnlichste Exoplanet, Kepler 1649-C, ist nur unwesentlich größer als die Erde und umkreist einen Roten Zwerg in einer von der Temperatur her gemäßigten Entfernung. Leider wird eine Umsiedlung, wenn die „Erde verbraucht ist", nicht so einfach möglich sein: Kepler ist 300 Lichtjahre entfernt.
Hubble soll bald schon abgelöst werden
Hubble fotografierte gigantische Spiralnebel – so wurden in der Astronomie früher Galaxien bezeichnet, zum Beispiel der Andromedanebel M 31 oder der Dreiecksnebel M 33. Heute wird die Bezeichnung kosmischer Nebel jedoch fast ausschließlich für interstellare Wolken aus Staub und Gas verwendet, die nach Sternexplosionen übrig bleiben und sich zu neuen Objekten verdichten können. Diese Nebel sind von bizarrer Schönheit, wie etwa die berühmte Hubble-Aufnahme von den drei „Säulen der Schöpfung". Aus einem Gemisch aus kaltem Wasserstoff und Staub, das einen dichten Nebel bildet, ragen drei dunkle Finger heraus. Diese Bilder sind natürlich alle elektronisch bearbeitet, die Farben sind nicht die natürlichen Töne, aber es kam den Nasa-Technikern darauf an, das Charakteristische dieser Himmelserscheinungen herauszuarbeiten. Die Aufnahmen fanden mit der Verbreitung des Internets in den 90er-Jahren weltweit große Beachtung, manchmal lieferte Hubble jede Woche ein neues Foto: perfekt scharf, bunt und geheimnisvoll. Seitdem wird das Universum von der breiten Öffentlichkeit nicht mehr als öde Leere wahrgenommen, sondern als ein Labor urtümlicher Kräfte und ein Raum in ständiger Bewegung.
Insgesamt fünfmal flogen Astronauten zu dem elf Tonnen schweren Observatorium, um es bei spektakulären Manövern auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen, zuletzt 2009. Seit die Space Shuttles der Nasa 2011 eingemottet wurden, ist Hubble sich selbst überlassen. Das fliegende Observatorium sollte zwischenzeitlich dem begrenzten Budget zum Opfer fallen, die Mission wurde dann aber doch verlängert – im Moment „open end". Denn das Hubble-Weltraumteleskop ist nach Nasa-Angaben technisch in exzellentem Zustand. Nach 30 Jahren im All ist es wissenschaftlich so produktiv wie nie zuvor. Alles funktioniere bestens. Jede Woche sendet das Observatorium rund 120 Gigabyte Daten zur Erde, das entspricht etwa 26 DVDs. Fast 13.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen sind zu seinen Beobachtungen schon erschienen.
Trotzdem soll Hubble abgelöst werden, durch das James Webb Weltraumteleskop (JWST), einer Kooperation von Nasa, Esa und der kanadischen Weltraumagentur CSA. Es wird hauptsächlich Daten im Infrarotbereich sammeln, aber auch Bilder im sichtbaren Lichtspektrum aufnehmen. Benannt ist es nach James Webb, der von 1961 bis 1968 Nasa-Direktor war.