Die Diplom-Psychologin Elisabeth Hahn, Dozentin an der Saar-Universität und Ausbilderin beim Saarländischen Institut für Tiefenpsychologische Psychotherapie, erklärt, wie die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Angstpatienten behandelt.
Frau Hahn, was ist der Ansatz der tiefenpsychologisch basierten Psychotherapie bei einer Angststörung?
Dem Verständnis der Tiefenpsychologie zufolge werden Angst beziehungsweise Angstsymptomatiken im Rahmen von spezifischen oder sozialen Phobien, Generalisierten Angststörungen oder Panikstörungen als Folge oder Ausdruck eines innerpsychischen Konflikts gesehen. Die bewusst wahrgenommene äußere Bedrohung – zum Beispiel bei einer Prüfung zu versagen oder bestimmte Orte aufzusuchen – steht hierbei symbolisch für eine tieferliegende, innere Bedrohung, die dem Betroffenen aber nicht bewusst ist. Ein innerer psychischer Konflikt kann etwa zwischen dem Wunsch, etwas Bestimmtes zu tun und einem inneren
Verbot oder Gewissensbissen, es eben nicht zu tun, bestehen. Wir können uns (unbewusst) wünschen, erfolgreich
zu sein und die Eltern zu übertrumpfen. Gleichzeitig befürchten wir, dadurch ihre Zuneigung zu verlieren und folgen daher einem inneren Verbot, dies nicht zu tun.
Wie genau läuft so eine Behandlung ab?
Nach dem klassischen Verständnis tiefenpsychologischer Ansätze geht es in der Behandlung von Angststörungen ebenso wie bei vielen anderen Störungen übergeordnet darum, den Hintergrund der Symptomatik sowie deren Funktion individuell zu verstehen und über die Bearbeitung des inneren Konflikts eine Linderung der Symptomatik zu erzielen. Versteht die Person ihre tieferliegenden inneren Ängste, können diese zusammen mit dem Therapeuten bearbeitet werden und müssen nicht mehr symbolisch auf äußere Objekte oder Situationen verschoben werden.
Können Sie es an einem Beispiel noch deutlicher machen?
Eine relativ häufige Problematik bei Kindern und Jugendlichen ist die sogenannte Schulphobie. Dabei können die Betreffenden aufgrund von Ängsten, Panikattacken oder Übelkeit, Kopf- und Bauchschmerzen nicht in die Schule gehen. Unter Umständen kann sich eine Angst vor der Angst entwickeln, und schon beim Gedanken an die Schule tritt die entsprechende Symptomatik auf. Die Kinder können sich nicht von den Eltern trennen oder sind zum Beispiel besorgt, dass den Eltern etwas passieren könnte. Oft verbirgt sich dahinter eine Dynamik, in der Kinder ihre eigenen Wünsche nach Autonomie und Weiterentwicklung unbewusst zurückstellen, weil sie Angst haben, dadurch die Liebe der Mutter beziehungsweise der Eltern zu verlieren. Unbewusst können die Ängste des Kindes zum Beispiel auch durch die Ängstlichkeit eines Elternteils unterstützt werden.
Für welche Angststörungen ist die Tiefenpsychologie sinnvoll?
Besteht eine komplexe Angstsymptomatik, wie in den Beispielen beschrieben, eignet sich die tiefenpsychologisch fundierte Herangehensweise unter Einbezug der therapeutischen Beziehung.
Gibt es Studien zur Wirksamkeit?
Die Wirksamkeit tiefenpsychologischer Ansätze ist umfassend belegt. Bei komplexen Angstsymptomatiken, zum Beispiel im Rahmen einer Generalisierten Angststörung, scheint besonders die Methode, welche die Beziehung zum Therapeuten in den Vordergrund stellt, erfolgsversprechend.