Eine Initiative europäischer Städte fordert 3,5 Milliarden Euro für ein EU-Programm für saubere Stadtbusse. Damit würde der öffentliche Nahverkehr gestützt und gleichzeitig die Umwelt geschützt, sagt einer der Initiatoren, der Bonner Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan.
Herr Sridharan, Sie fordern in Ihrem Städtebündnis zusammen mit Brüssel, Dublin und Mailand ein milliardenschweres Förderprogramm für saubere Stadtbusse. Was ist das Ziel?
Europa debattiert über ein großes Investitionspaket, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzumildern. Die Pandemie hat deutliche Auswirkungen auf die Mobilität und speziell den öffentlichen Nahverkehr und seine Einnahmesituation. In welcher Intensität und über welchen Zeitraum, das ist jedoch offen. Gleichzeitig ist angesichts von Staus, Klimawandel und Umweltproblemen klar, dass urbane Mobilität einen starken Umweltverbund aus Bus, Bahn und Fahrrad braucht. Daher ist die Forderung sinnvoll, im Rahmen des EU-Paketes auch Investitionen in einen umweltfreundlichen und attraktiven öffentlichen Verkehr zu forcieren. Dabei ist die Umstellung der Busflotten auf E-Busse ein guter Ansatz.
Aber wieso verknüpfen Sie die Forderung nach stärkerer Unterstützung des öffentlichen Nahverkehrs mit der Förderung einer sauberen Verkehrstechnologie?
Für den ÖPNV ist eine Förderung der Fahrzeugbeschaffung eine wichtige Unterstützung. Gewährt man diese Unterstützung, sollte diese richtungsweisend sein, auch im Hinblick auf Klimaschutz und Luftreinhaltung. Auch bei Bus und Bahn gehört lokal emissionsfreien Antrieben die Zukunft. Ich freue mich im Übrigen, dass die Bundesregierung diesen Ansatz aufgegriffen und in ihrem kürzlich veröffentlichten Paket angekündigt hat, die Beschaffung von lokal emissionsfreien Bussen für den öffentlichen Verkehr zu fördern.
Sollten Fördermittel in der Nach-Corona-Zeit generell an den Klimaschutz gekoppelt werden?
Zur Bewältigung der wirtschaftlichen Schäden der Corona-Pandemie ist ein breiter Ansatz notwendig, der viele, wenn nicht alle Sektoren betrifft. Man kann dann nicht jede einzelne der zig Maßnahmen an Umwelt- und Klimaschutz koppeln. Aber Umwelt- und Klimaschutz sind entscheidende Zukunftsaufgaben, deshalb müssen die Programme dort einen Schwerpunkt setzen.
Der Bund unterstützt die Länder und Kommunen dabei jährlich mit rund 8,6 Milliarden Euro. Reicht das nicht? Weshalb braucht es zusätzlich ein EU-Programm?
Zunächst: Die von Ihnen erwähnten 8,6 Milliarden Euro sind keine kommunale Förderung des Nahverkehrs im eigentlichen Sinne. Es handelt sich um die mit der Bahnreform 1994 eingeführten sogenannten Regionalisierungsmittel für die Länder als Ersatz für die vorher von der Deutschen Bundesbahn gefahrenen Leistungen im Nahverkehr. Der Bund unterstützt zwar auch den kommunalen Nahverkehr über verschiedene Förderprogramme, aber nicht in der Größenordnung mehrerer Milliarden. Zusätzlich zu nationalen Programmen würde ein europaweites Programm durchaus Sinn machen. Europa ist ein gemeinsamer Markt. Und für die Umstellung der Nahverkehrsbusse auf lokal emissionsfreie Antriebe brauchen wir auch Anbieter. Die europäischen Fahrzeughersteller haben da noch Nachholbedarf. Ich gehe davon aus, dass, wenn durch ein EU-Förderprogramm die Nachfrage nach lokal emissionsfreien Bussen deutlich steigt, dies sehr positive Wirkungen auf das Angebot der europäischen Bushersteller hätte.
Wo steht Deutschland, wo steht Europa beim Thema sauberer Nahverkehr?
Auf der Schiene stehen wir schon relativ gut da, kommunal fährt quasi alles elektrisch. Bei den Nahverkehrsleistungen der Eisenbahn, also zum Beispiel S-Bahnen oder Regionalbahnen, gibt es aber noch einige nicht-elektrifizierte Strecken. Da muss mehr passieren. Bei den Busverkehren sind wir sicher nicht so weit wie andere Regionen der Welt, hier hinken wir hinterher, gerade beim Fahrzeugangebot, aber auch noch etwas beim Umsetzungswillen. Auch das ist ein Grund, warum die Forderung nach einer EU-Förderung sauberer Busse Sinn macht.
Die EU gibt bereits Mindestquoten für die öffentliche Beschaffung von emissionsfreien beziehungsweise emissionsarmen Straßenfahrzeugen vor. Inwieweit geht Ihre aktuelle Forderung darüber hinaus?
Die Festlegung von Quoten ist das eine. Den öffentlichen Nahverkehr zu unterstützen, damit er diese Quoten erfüllen kann und vielleicht sogar darüber hinaus die Umstellung auf alternative Antriebe voranbringt, ist das andere.
Kritiker befürchten steigende Preise im Nahverkehr durch die Anschaffung sauberer Busse oder sogar ein reduziertes Angebot – zu Recht?
Wenn es in der Anfangsphase eine großzügige Förderung für die Anschaffung sauberer Busse gibt, sehe ich diese Gefahr nicht. Und wie bei anderen Elektrofahrzeugen kann man davon ausgehen, dass, wenn der Markthochlauf erfolgreich ist, die Anschaffungskosten sinken.
Sind die Reichweiten von Elektrobussen überhaupt ausreichend, um sie flächendeckend im Nahverkehr einsetzen zu können?
Um die gesamte Linienverkehrsleistung elektrisch zu erbringen, müssen sich die Reichweiten noch erhöhen. Für die Stadt Bonn kann man allerdings sagen, dass betrieblich ein großer Teil der Busverkehre schon heute mit E-Bussen gefahren werden könnte, zumindest scheint das technisch mittlerweile machbar. Das dürfte in vielen Städten so sein. Bei regionalen Linien, gerade in ländlichen Räumen oder bergigem Gelände könnte das schwieriger sein. Hier wird man noch sehen, welche Fortschritte bei den Reichweiten von E-Bussen erzielt werden. Oder aber hier sind andere lokal emissionsfreie Antriebe, wie Wasserstoff, eine Option.
Die Stadt Bonn ist vom Bund zur Modellstadt für Luftreinhaltung („Lead City") benannt worden. Welche Maßnahmen hat Ihre Stadt unternommen, um die Luftqualität zu verbessern und damit gleichzeitig Diesel-Fahrverbote für Busse mit Verbrennungsmotor zu vermeiden?
Als „Lead City" hat die Stadt Bonn gemeinsam mit dem Rhein-Sieg-Kreis das ÖPNV-Angebot deutlich ausgeweitet, was im Großen und Ganzen auch sehr gut angenommen wurde. Zudem haben wir vergünstigte Tickets im Stadtgebiet eingeführt, so auch ein 365-Euro-Ticket für Neukunden oder ein sehr günstiges Gruppen-Tagesticket. Und zusammen mit unseren regionalen Partnern und Akteuren vor Ort haben wir ein betriebliches Mobilitätsmanagement aufgebaut. Hinzu kommen viele Digitalisierungsprojekte, auch bei unseren Verkehrsbetrieben, die Beschaffung von E-Fahrzeugen für den kommunalen Fuhrpark, der Ausbau von Radwegen und von Mobilstationen.
Wie hoch ist aktuell der Anteil sauberer Stadtbusse in Bonn? Auf welche Technologien setzt die Stadt dabei konkret?
Unser kommunales Verkehrsunternehmen, die Stadtwerke Bonn, hat die älteren Dieselbusse allesamt mit NOx-Schadstofffiltern ausgerüstet. Aber unser Ziel ist eine komplette Umstellung auf E-Busse. Wir setzen dabei auf batterieelektrische Busse, diese passen am besten zu den betrieblichen Anforderungen bei uns in Bonn. Aktuell lässt sich festhalten, dass die Anschaffungskosten der Elektrobusse etwa zwei- bis dreimal höher sind, als bei Dieselbussen der neusten Generation.
Sehen Sie die Gefahr, dass die Leute ohne einen attraktiven ÖPNV wieder verstärkt auf das eigene Auto und damit auf umweltschädlichere Fortbewegungsmittel zurückgreifen?
Das hängt mittelfristig sicher zuerst davon ab, wie sich die Infektionsrisiken insgesamt entwickeln und ob beziehungsweise wann ein Impfstoff kommt. Aber die von Ihnen beschriebene Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen. Auf der anderen Seite werden die Mobilitätsprobleme in den Ballungsräumen nur mit einem besseren ÖPNV bewältigt werden können. Daher ist es eine ganz wesentliche Aufgabe, Bus und Bahn zu stärken, vor allem mit einem attraktiven Angebot statt überfüllter Fahrzeuge.