Am 2. August 1990 überfielen die Truppen des irakischen Diktators Saddam Hussein Kuwait und besetzten es binnen weniger Stunden komplett. Doch er hatte nicht mit der internationalen Gemeinschaft gerechnet: Mit der Operation „Desert Storm" befreiten diese das Land.
Seit Stunden schon kündigte das irakische Radioprogramm eine besondere Botschaft an. Dazwischen liefen immer wieder Propagandalieder aus dem Irak, seinen Diktator Saddam Hussein und die herrschende Baath-Partei. Schließlich verkündete Saddams langjähriger Lieblingssprecher Muqdad Murad die ungeheuerlichen Neuigkeiten: Der Irak war an diesem 2. August 1990 ins benachbarte Kuwait einmarschiert. Als die Öffentlichkeit davon erfuhr, war der Blitzkrieg im Grunde aber schon wieder vorbei. Kuwait hatte so gut wie keine Gegenwehr geleistet; binnen weniger Stunden war das Land in der Gewalt der Eroberer und mit ihm auch zahlreiche westliche Touristen, die von den Irakern als Geiseln genommen wurden.
Scheich Dschabir al-Ahmad al-Dschabir as-Sabah und seine Familie flohen nach Saudi-Arabien. Zuvor setzten sie über den Rundfunk noch einen Hilferuf ab: „Das Volk von Kuwait, dessen Ehre verletzt und dessen Blut vergossen wird, bittet: Kommt zu seiner Hilfe, ihr Araber."
Anfangs stellte der Irak eine kuwaitische Marionettenregierung unter Alaa Hussein Ali auf, die jedoch schon nach wenigen Tagen aufgelöst wurde. Am 8. August wurde das Emirat annektiert und zur 19. Provinz des Irak erklärt – mit einem Vetter Saddam Husseins auf dem Posten des Gouverneurs. Zu diesem Zeitpunkt glaubte der Diktator noch, mit seiner ruchlosen Tat durchzukommen. Angst vor Vergeltung hatte Saddam nicht. „Alles, was sie tun können, ist, mit ihren Flugzeugen zu kommen und uns zu bombardieren. Bumm, bumm, bumm, bumm, bumm, bumm. Na und? Nichts wird passieren, wir werden ihnen die Hölle heiß machen."
Saddam Hussein begründete den Überfall unter anderem mit historischen Gebietsansprüchen auf Kuwait. Tatsächlich gehörte das Land vor dem Ersten Weltkrieg zum Vilâyet Basra, einer Verwaltungseinheit innerhalb des Osmanischen Reiches, die allerdings nicht mit dem Gebiet der heutigen südirakischen Provinz Basra identisch ist. Zu dem erst nach dem Ersten Weltkrieg gegründeten Staat Irak gehörte das Emirat allerdings nie. Des Weiteren warf Saddam Kuwait vor, Erdöl aus einem Ölfeld an der Grenze gefördert zu haben, das der Irak für sich beanspruchte.
Saddam hatte es aufs Öl abgesehen
Tatsächlich war der Irak vor allem auf der Suche nach neuen Finanzquellen, um die immensen Schulden zu begleichen, mit denen sich das Land seit dem ruinösen Krieg gegen den Iran herumplagte. Die Erdölfelder in Kuwait sollten dem Land zusätzliche Einnahmen bescheren. Daneben ging es Saddam aber wohl auch ums Prestige sowie um einen besseren Zugang zum Meer.
Der Überfall auf Kuwait war einer mit Ansage. Bereits Ende Juli hatte Saddam Hussein seine Truppen entlang der Grenze aufmarschieren lassen. Die amerikanische Botschafterin April Glaspie äußerte sich zwar besorgt, erklärte aber zugleich, dass die USA „keine Meinung zu innerarabischen Streitigkeiten wie ihre Unstimmigkeiten bezüglich der Grenze mit Kuwait" hätten. Saddam bewertete dies als eine Art Freifahrtschein, zumal auch das US-Außenministerium noch einmal betonte, dass das Land keine spezifischen Verteidigungs- oder Sicherheitsabkommen mit Kuwait hätte.
Womöglich schätzte man auf der Seite der Amerikaner Saddams Absichten falsch ein, nachdem man ihn im Iran-Irak-Krieg noch mit Waffen unterstützt hatte. Zugleich unterlag auch der Diktator einer Fehleinschätzung. Der Kalte Krieg war vorüber – es herrschte eine „neue Weltordnung", wie US-Präsident George H. W. Bush es ausdrückte. Die alten Gräben in der internationalen Politik, die in der Vergangenheit ein Vorgehen gegen Aggressoren oft verhindert hatten, gab es nicht mehr. „Es waren plötzlich, nachdem der Kalte Krieg zu Ende war, neue Koalitionen in der Welt möglich und George H. W. Bush hat das sehr aktiv und, ich würde sagen, sehr umsichtig genutzt", sagte Volker Perthes im Deutschlandfunk. Er ist Nahostexperte und Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
Dieses Mal reagierten die Vereinten Nationen schnell und entschlossen. Noch am Tag der Invasion wurde eine UN-Resolution verabschiedet, die erste von insgesamt einem Dutzend. So verhängte der Sicherheitsrat unter anderem Wirtschaftssanktionen und autorisierte eine Seeblockade gegen den Irak. Der heutige Journalist Emad M. Ghanim erlebte den Krieg damals als 15-Jähriger mit. Er berichtete später gegenüber der Deutschen Welle von den Folgen des Embargos: „In den darauffolgenden Wochen verschwanden die Lebensmittel aus den Regalen der Läden, die Märkte blieben leer. Das Monatsgehalt meines Vaters […] reichte plötzlich nur noch für vier Kilo Mehl, ein Kilo Zucker und ein Kilo Reis. Wir mussten auf eine Tagesmahlzeit verzichten, um uns einen kleinen Lebensmittel-Vorrat zuzulegen. Jeder wusste: Der Krieg wird auch zu uns kommen."
Massivste Bombenangriffe auf Bagdad
Die USA befürchteten, dass Saddam Hussein auch Saudi-Arabien angreifen könnte. Dieser warnte im September 1990 vor einem Krieg, der den gesamten Mittleren Osten in ein Schlachtfeld verwandeln würde. US-Präsident Bush entsandte Schutztruppen in die Region – die Operation „Wüstenschild" (Desert Shield). Bald waren es mehr als eine halbe Million – so viele, wie auf dem Höhepunkt des Vietnamkriegs in Indochina gekämpft hatten. Zum ersten Mal überhaupt waren die Amerikaner zu einem Militäreinsatz im Nahen Osten bereit. „Es ist der Einstieg in eine neue Phase der Geschichte des Mittleren Ostens geworden. Damals dachte man, Kriege sind machbar", sagte der Nahostexperte Ulrich Tilgner im Deutschlandradio.
Im Januar 1991 unternahm UN-Generalsekretär Perez de Cuellar einen letzten vergeblichen Vermittlungsversuch. Nach Ablauf des Ultimatums starteten die USA und ihre Verbündeten dann am 17. Januar die Operation „Wüstensturm" (Desert Storm) – oder wie Saddam Hussein es nannte: die „Mutter aller Schlachten". Der Luftkrieg begann mit schweren Bombardierungen des Irak – „der Himmel über Bagdad hängt voller Wunderkerzen", formulierte es CNN-Reporter Peter Arnett eher unpassend. Allein in den ersten 14 Stunden flogen die Alliierten mehr als 13.000 von insgesamt 100.000 Einsätzen und legten die Militär- und Industrieanlagen des Gegners weitgehend in Schutt und Asche.
In der ersten Kriegsnacht verlor der Irak sämtliche Leitzentren seiner Luftstreitkräfte sowie alle Radaranlagen und einen Großteil seiner Flugabwehrraketenstellungen. Und das, obwohl Saddam zuvor noch höhnisch anmerkt hatte, jeder irakische Schafhirte könne die amerikanischen Kampfflugzeuge vom Himmel holen. Die Koalition gegen den Irak bestand aus insgesamt 34 Staaten, darunter viele arabische Länder. Deutschland beteiligte sich an dem Einsatz finanziell mit 17,9 Milliarden Mark (knapp 8,7 Milliarden Euro) und lieferte darüber hinaus Kriegsgerät, zum Teil aus alten DDR-Beständen der Nationalen Volksarmee. Zudem gewährte die Bundesrepublik Überflugrechte und erlaubte die Nutzung von Militärbasen auf ihrem Gebiet. Die US-Armee stellte den Beschuss als „Präzisionsbombardement" mit „intelligenten Bomben" dar. Dennoch litt die Zivilbevölkerung nicht nur beim Angriff auf einen Bagdader Luftschutzbunker, bei dem mehr als 300 Zivilisten starben. Auch wurden „die meisten Mittel moderner Lebenshaltung zerstört oder geschwächt" wie Staudämme oder Kläranlagen und der Irak damit nach Ansicht des UN-Beauftragten Martti Ahtisaari in ein „vorindustrielles Zeitalter" zurückgebombt.
Irakische Truppen setzten die Ölfelder in Kuwait in Brand
Doch auch Saddams Truppen waren in Kuwait brutal vorgegangen. Am 24. Februar 1991 begann mit der Bodenoffensive die Phase zwei der Operation zur Rückeroberung des Landes. Es dauerte keine 100 Stunden, bis die irakischen Truppen besiegt waren und sich zurückzogen. Vorher setzten sie noch die kuwaitischen Ölfelder in Brand – große Mengen Öl ergossen sich in den Persischen Golf und lösten eine Umweltkatastrophe aus.
Die Alliierten wiederum bombardierten den langen Konvoi irakischer Soldaten und Zivilisten entlang der Hauptverkehrsstraße zwischen dem Irak und Kuwait, die als „Highway of Death" bekannt wurde – als Straße des Todes. Ausgebrannte Panzer säumten die Strecke kilometerweit. Insgesamt beklagte der Irak etwa 110.000 tote Soldaten sowie bis zu 40.000 zivile Todesopfer; auf Seiten der alliierten Truppen starben im Golfkrieg rund 400 Soldaten. Nach der Befreiung Kuwaits verzichteten sie darauf, weiter bis Bagdad vorzurücken, um Saddam Hussein abzusetzen. Das erledigten sie erst im Irakkrieg 2003. Wobei sich die Lage in der Region auch danach nicht wirklich stabilisiert hat.