Er ist derzeit der beste Tennisspieler der Welt über 55 Jahre. Christian Greuter aus Saarbrücken dominiert seine Altersklasse nach Belieben. Der frühere Workaholic ackert heute wie einst in seinem Job und achtet dabei auf jedes noch so kleine Detail.
Christian Greuter ist amtierender Tennis-Weltmeister und Weltranglisten-Erster. Der Saarländer, der in Luxemburg lebt, krönte sich im August des vergangenen Jahres in Portugals Hauptstadt Lissabon ohne Satzverlust zum Besten der Welt in seiner Altersklasse 55+. Derzeit bereitet er sich auf die Turnierserie des Weltverbandes für Senioren vor. Die ITF-Seniors Tennis Tour soll frühestens im August dieses Jahres starten.
Bis es so weit ist, nimmt Greuter an kleineren Turnieren teil, um sich unter Wettkampfbedingungen vorzubereiten und, „um rechtzeitig vor der Tour wieder auf ein gutes Niveau zu kommen", wie er sagt. Als Weltmeister der 55-Jährigen und Älteren ist das gar nicht so leicht. Damit er trotzdem entsprechend gefordert wird, startete er beispielsweise beim 2. Brennenden Berg Cup in Dudweiler im Juni in der Altersklasse 40+. „Hier wird natürlich schneller gespielt als bei den Älteren. Ich freue mich nach dieser langen coronabedingten Pause über jedes Spiel, das ich gewinnen kann", sagte er vor dem Turnierstart. Letztlich dominierte er das durchaus erlesene und stark besetzte Feld ohne Satzverlust. Auch Endspielgegner Andreas Thewes musste sich dem älteren Weltmeister glatt in zwei Sätzen geschlagen geben (1:6 und 2:6). Besser erging es auch seinen Gegnern bei der Weltmeisterschaft 2019 nicht. Nach sechs Siegen in Folge – auch hier alle ohne Satzverlust, wartete im Endspiel der an Position sechs gesetzte Weltmeister von 2015 und Finalist von 2016, Frank Hervy aus Frankreich. Greuter besiegte auch ihn souverän in zwei Sätzen: 6:3 und 6:3. Der Beweis dieser sportlich herausragenden Leistung ist rund 200 Gramm schwer und an einem grünen Kunststoff-Band befestigt. Die WM-Siegermedaille. Mit Günter Horsch vom TuS 1860 Neunkirchen war ein weiterer Saarländer in Portugal am Start, der allerdings in der ersten Runde am starken Schweden Christopher Gardell scheiterte.
Es ist weit mehr als ein Hobby
Früher reiste Christian Greuter als Workaholic aus der Baustoffbranche um die Welt, absolvierte dabei nach eigenen Angaben „400 Flüge pro Jahr". Seit er sich vor zehn Jahren als Unternehmensberater selbstständig gemacht hat, nutzt er die bewusst hinzugewonnene Freizeit für seinen Sport. Diesen noch als Hobby zu bezeichnen, würde der Sache und vielen anderen Hobbysportlerinnen und -sportlern allerdings nicht gerecht werden. Seine Vorbereitung auf die WM 2019 fing schon knapp ein Jahr vor dem Turnier an. Greuter ist überzeugt davon, dass man schon in der Wintersaison fast topfit sein muss, um ab März bei Wettkämpfen abliefern zu können. Er hat das sogar ausgerechnet, dass man etwa zehn Spiele oder alternativ drei, vier Turniere braucht, um gut auf so eine WM vorbereitet zu sein. Die eigenen Ergebnisse geben ihm Recht. Vor dem WM-Titel gewann er sechs von sieben Turnieren – die meisten ohne Satzverlust. Noch im Juni 2019, zwei Monate vor der WM, gewann er die Europäische Meisterschaft im österreichischen Pörtschach.
Auch Greuters Herangehensweise „akribisch" zu nennen, wäre eine maßlose Untertreibung. Wenn der Weltmeister etwas anpackt, dann richtig. Vor allem die Tennisschläger, die immer das exakt gleiche Gewicht haben müssen sowie millimetergenau gleich dicke Griffe und Tennissaiten. Zeigt ein Tennisschuh auch nur den Hauch einer Schwäche – ist er weg. Etwa zehn Paar verbraucht Christian Greuter so pro Saison. Auch der eigene Umfang darf nicht wachsen, so verzichtet Greuter während der intensiven Vorbereitung auf Alkohol und Süßes – Zucker ist dann sogar gänzlich verboten. Denn: „Wenn ich drei Stück Kuchen esse oder Fisch und Gemüse, ist das ein dramatischer Unterschied bei der Leistung", hat er einmal festgestellt. Greuter trainiert mehrmals pro Woche so intensiv wie vielseitig. Übungen im Fitnessstudio wiederholt er pro Satz 60-mal oder mehr. Er ernährt sich bewusst, geht regelmäßig zum Physiotherapeuten, der ihn schon mal bei Auslandsreisen begleitet, und zum Heilpraktiker. Was für viele so verlockend klingt wie ein Badeurlaub in Sibirien, ist für den 55-Jährigen die Erfüllung eines Lebenstraums. Sein Tennistraining absolviert Christian Greuter beim TC Halberg Brebach, die Mannschaftsrunde absolviert er aber für TC Tennispark Rheinbach in Nordrhein-Westfalen, dem Deutschen Meister seiner Altersklasse. Dort spielt er an der Seite früherer Weltklasseakteure wie dem Schweden Anders Järryd, der Mitte der 1980er-Jahre Nummer fünf der Weltrangliste war.
Über die Jahre großen Ehrgeiz entwickelt
Das alles erreichte Greuter nach zwischenzeitlich 15 Jahren Tennispause. Erst vor sieben Jahren griff er wieder zum Schläger, dessen Gewicht zu dieser Zeit noch nicht so relevant war. Das eigene allerdings schon. „Durch die viele Arbeit mit bis zu 80-Stunden-Wochen wurde ich immer größer und schwerer. Das hat mich motiviert, wieder mit Tennis anzufangen." Dass er wenige Jahre später Weltmeister sein würde, war damals noch undenkbar. „Über die Jahre habe ich großen Ehrgeiz entwickelt und wollte in der Rangliste immer höher kommen", sagt er. Das obere Ende hatte er schon einmal in der Altersklasse 50+ erreicht. Nun wieder bei den 55-Jährigen. Mehr geht nicht. Während der Corona-Pandemie war es ihm anfangs nicht möglich, sein ausgeklügeltes Trainingsprogramm abzuspulen. „Das war für mich schon eine sehr schwierige Zeit. Mein Trainingsalltag läuft normalerweise im Fitnessstudio und auf dem Tennisplatz ab", erklärt Greuter und ergänzt: „Die Vorbereitung dauert mit höherem Alter einfach länger. Man darf sich aber auch nicht zu sehr beanspruchen. Das richtige Maß zu finden, ist die Herausforderung." Schon als Aktiver war Greuter gut dabei, wurde mehrfach Saarlandmeister und hatte auch bei Turnieren schon mal Profis aus der Top 200 der Weltrangliste geschlagen. Ein Sprung ins Profigeschäft war ihm aber aus finanzieller Sicht nicht möglich. Mittlerweile kann er sich die Turnierteilnahmen in aller Welt leisten. Allein im Weltmeisterjahr investierte er rund 40.000 Euro aus eigener Tasche. Das Sieger-Preisgeld beim Turnier in Dudweiler reichte nicht aus, um diesen Betrag wiedereinzuholen. Aber dafür war das Gastspiel in der Heimat auch nicht gedacht. Die nächste Weltmeisterschaft kommt bestimmt – und ein Jahr vorher der Startschuss für die mindestens akribische Vorbereitung.