Plädoyer für die Abschaffung des Wortes „Frauenpower" in der deutschen Sprache
Oh, wie ich das Wort Frauenpower hasse. Warum? Der Anglizismus passt schlichtweg nicht mehr ins 21. Jahrhundert. Er bildet nicht die Lebenswirklichkeit von Millionen Frauen ab und ist vor allem meilenweit von einer gendersensiblen Sprache entfernt.
Das F-Wort hat ganz entscheidend unser Bild – vor allem das der Männer – von Frauen geprägt. Darum fordere ich die sofortige Abschaffung dieses Wortes – auch die des sinnverwandten Powerfrau, über dessen Bedeutung sich eine Kollegin von mir in einem anderen Format ausgelassen hat – und zugleich die sofortige Streichung aus Sprachlexika dieser Welt.
Wer nun denkt, dass ich gemeinsame Sache mit dem Verein Deutsche Sprache mache, irrt gewaltig. Richtig ist zwar, dass das Wort auf dem Anglizismen-Index der Wächter der deutschen Sprache steht. Ginge es nach den Vorstellungen der Denglisch-Gegner, sollten wir statt der Fremdwörter fortan nur noch „Frauenmacht" und „Kraftfrau" sagen. Letzteres klingt mindestens genauso unsinnig und könnte aus der Rede eines völkisch denkenden AfD- oder NPD-Funktionärs stammen.
Der umstrittene Anglizismus ist mittlerweile in den letzten Winkel unserer Privatsphäre, in die Konsumwelt und die Politik vorgedrungen. Als die finnische Regierung – mit einer Ministerpräsidentin an der Spitze und vier Ministerinnen – Ende 2019 ins Amt gewählt wurde, gab es fast keinen Medienbericht, in dem nicht die Rede von Powerfrauen und Frauenpower war. Es war wirklich zum Fremdschämen, wie die Finninnen vorgeführt wurden. Niemand käme auf die Idee, so etwas bei Männern zu schreiben. Sind nur so titulierte Powerfrauen kompetente Frauen?
Warum hat es niemand geschafft, all den Redakteuren diesen peinlichen und unreflektierten Wortgebrauch auszutreiben? Glauben sie wirklich, sie würden auf diese Weise eine besonders fortschrittliche und gendergerechte Sprache sprechen? Welch ein Blödsinn.
Eigentlich müssten alle Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte in Kommunalverwaltungen und Ministerien hierzulande vor Neid erblassen oder zumindest ins Schwärmen geraten, wenn sie nach Finnland blicken. Im dortigen Parlament sind 47 Prozent der Abgeordneten weiblich. Ohnehin kamen die ersten Frauen, die 1907 in ein Parlament gewählt wurden, aus dem Land im hohen Norden. Augenscheinlich ist man dort mit tatsächlicher Gleichstellung weiter als hierzulande und braucht keine abgedroschenen Begriffe.
Mit anderen Worten: Wer von Powerfrauen spricht und schreibt, sollte sich dessen bewusst sein, wie ein angegrauter Patriarch rüberzukommen, der einer Frau wegen ihres Erfolgs jovial anerkennend auf die Schulter klopft. Was aber ist mit all den übrigen Frauen? Müssen die sich nicht, wenn sie solche Schlagzeilen lesen, wie komplette Schnarchnasen fühlen? Sind sie nicht auf Zack, weil sie ihr Leben nicht wie eine Bilderbuchkarriere führen? Man könnte fast annehmen, die Welt sei in zwei Frauenlager geteilt: in die erfolgreichen und die normalen, die es eh nie schaffen.
Nun ist meine Macht als Kolumnenschreiber natürlich eingeschränkt, und ich mache mir auch keine falschen Hoffnungen, dass ich irgendjemanden da draußen von jetzt auf gleich verändere. Aber vielleicht reicht ein kleiner Anstoß, einmal über dieses Wort, über die Wortverwender und die Adressatinnen nachzudenken.
Ich will hier keine Schleimpunkte beim anderen Geschlecht sammeln oder mich als der große Frauenversteher in Szene setzen. Vielmehr will ich vor allem eine Lanze brechen für eine gendersensible Sprache, die nicht krampfhaft um vermeintliche Gerechtigkeit unter den Geschlechtern bemüht ist. Natürlich müssen Frauen weltweit die gleichen Rechte und Chancen wie Männer haben – schlimm genug, dass viele Länder weit davon entfernt sind. Aber ich finde, dass man Frauen auch zugestehen muss, dass sie offen und ehrlich für ihre Rechte eintreten, ohne gleich in die Emanzen-Schublade gesteckt zu werden. Und Männer sollten verstehen, dass manche gut gemeinten Worte den Adressatinnen nicht gerecht werden und schon gar nicht den Kern der Sache treffen.