Mit dem Sensationssieg von Sophia Popov bei den British Open hat sich der deutsche Profi-Golfsport in diesem Sommer eindrucksvoll zurückgemeldet. Bei den Herren verpasste Martin Kaymer bei zwei Turnieren nur ganz knapp seinen ersten Tour-Triumph seit sechs Jahren.
Im Laufe der letzten Jahre war es zunehmend still um den deutschen Profi-Golfsport geworden. Caroline Masson, eine der wenigen zur erweiterten Weltspitze zählenden Damen der Republik, die 2016 in Kanada ihr erstes großes Turnier auf der LPGA-Tour, der höchstdotierten, in Nordamerika veranstalteten Professional-Turnierserie, gewonnen hatte, brachte die sportliche Flaute 2018 drastisch auf den Punkt: „Damengolf ist in meinen Augen in Deutschland leider absolut tot." Ganz so schlimm sah es damals bei den Herren nicht aus, weil es da einen gewissen Martin Kaymer gab, Jahrgang 1984, der 2011 acht Wochen lang Platz eins der Weltrangliste behauptet hatte und mit zwei Triumphen bei den vier großen Major-Turnieren längst zu einer international anerkannten Legende seines Sport geworden war. Nur leider war der Erfolgsfaden bei Kaymer seit seinem Sieg bei den US-Open im Juni 2014, seinem zweiten Major-Coup nach dem Gewinn der PGA-Championship 2010, gerissen, denn seit seinem Erfolg bei den US-Open hat er bis heute kein einziges Turnier mehr gewinnen können und wartet seit sechs Jahren auf den zwölften Turniersieg in seiner Profikarriere, wobei er neben den beiden Major-Turnieren auch noch neunmal auf der European Tour erfolgreich gewesen war.
Wenn überhaupt jemand aus Deutschland in den vergangenen Jahren für sportliche Schlagzeilen gesorgt hatte, dann war immer der Name der Lichtgestalt Bernhard Langer im Spiel. Denn der inzwischen 63-Jährige ist noch immer auf der US-Senioren-Tour, der PGA Tour Champions, unterwegs, und konnte kurz vor dem Corona-Lockdown Anfang dieses Jahres seinen 41. Sieg bei den über 50-jährigen Profis feiern, womit ihm nur noch vier Erfolge zur Einstellung des von der US-Legende Hale Irwin gehaltenen ewigen Rekords fehlen. Langer ist zudem der einzige Spieler, dem es bislang gelungen ist, bei allen fünf Major-Turnieren des Seniorenbereichs den Titel zu holen. Wobei er insgesamt mehr als 29 Millionen Dollar Preisgeld einstreichen konnte. Der gebürtige Anhausener hatte 1986 die Weltrangliste angeführt.
„Damengolf ist in Deutschland absolut tot"
In seinem besten Jahr 1985 hatte er sieben Turniere auf fünf Kontinenten für sich entschieden und auf der Pro Tour ebenfalls zwei Major-Titel 1985 und 1993 errungen. Die Senioren-Tour, zu der er 2007 mit seinem 50. Geburtstag nach weitgehendem Rückzug von der für ihn erfolgreichen, mit 42 Titeln gekrönten European Tour gewechselt war, hatte er jahrelang gleichsam nach Belieben dominiert und gleich viermal die Gesamtwertung und damit den begehrten Charles Schwab Cup gewonnen, nämlich 2010, 2014, 2015 und 2016.
Auf welch hohem sportlichen Level Langer in fortgeschrittenem Alter auch heute noch zu spielen in der Lage ist, bewies er im Juni bei einem PGA-Turnier der US-Profiserie – als er inmitten der absoluten Weltklasse den 58. Platz erreichen konnte, was in den letzten 30 Jahren noch keinem über 60-jährigen Golfer gelungen war. Überhaupt hatten vor ihm nur sechs Golfer in seinem Alter jemals den Cut bei einem PGA-Event geschafft. Demnächst wird Langer auf der Senioren-Tour deutsche Verstärkung erhalten – Alex Cejka, Jahrgang 1970, der dieses Jahr noch bei Veranstaltungen der unbedeutenden Outlaw Tour unterwegs war, hat angekündigt, demnächst in die PGA Tour Champions zu wechseln. Cejka konnte in seiner Karriere bei Weitem nicht solche Erfolge wie Langer oder Kaymer erzielen, aber 2015 immerhin als bislang dritter Deutscher ein PGA-Turnier gewinnen.
Für Martin Kaymer, dem einzigen deutschen Profi mit Weltklasse-Potenzial, hatte die Wiederaufnahme des Spielbetriebs nach dem Corona-Lockdown mit einer großen Ernüchterung begonnen. Denn beim ersten Major-Turnier des Jahres 2020, den PGA Championships in San Francisco, war der gebürtige Mettmanner Anfang August nach einem desolaten zweiten Tag sang- und klanglos vorzeitig ausgeschieden. Doch schon Ende August hatte er sich durch einen dritten Platz bei den UK Championships im englischen Sutton Coldfield rehabilitiert. Und eine Woche später sogar nur denkbar knapp einen Triumph bei den Andalucia Masters im spanischen Sotogrande verpasst. Erst am letzten der 18 Löcher musste er sich seinem Kontrahenten, dem US-Amerikaner John Catlin, geschlagen geben. Doch dem zweiten Platz verdankte er einen großen Sprung in der Weltrangliste von Position 123 auf Platz 88. Mit den US-Open wartet auf Kaymer vom 17. bis 20. September nun die nächste große Herausforderung.
US Open vom 17. bis 20. September
„Hinter Martin Kaymer herrscht das Prinzip Hoffnung", titelte schon vor zehn Jahren die „Welt" über etwaige Hoffnungsträger, die über das sportliche Rüstzeug verfügten, um in die Fußstapfen des zweifachen Major-Siegers treten zu können. Damals waren mit Marcel Siem und Alex Cejka eigentlich nur zwei Namen relevant, dahinter klaffte ein riesiges Qualitätsloch. Auch heute ist es nicht leicht, Spieler zu benennen, denen eine internationale Karriere zugetraut werden kann. Sebastian Heisele, Jahrgang 1988, war immerhin an der Seite von Martin Kaymer für die um ein Jahr verschobenen Olympischen Spiele 2020 vorgesehen und hatte 2019 sein erstes Turnier auf der zweitklassigen europäischen Challenge Tour gewonnen. Noch mehr wird dem jungen Max Schmitt, Jahrgang 1998, zugetraut, der schon geraume Zeit als Deutschlands größtes Golftalent gehandelt wird und sich als Rookie bereits seine ersten Sporen auf der European Tour erworben hat. Von Golfern wie Maximilian Kieffer, Stephan Jäger oder Allen John, die allesamt in der Weltrangliste jenseits von Rang 400 platziert sind, dürfte hingegen für die Zukunft nicht mehr viel zu erwarten sein. Dafür womöglich aber von dem Studenten und Amateur-Golfer Matthias Schmid, Jahrgang 1997, dem 2019 die Ehre zuteilwurde, als einziger Deutscher an den British Open teilnehmen zu dürfen. Als Sieger der Amateur-Europameisterschaften erhielt er gewissermaßen eine Wildcard bei den Weltklasse-Profis. Er schied zwar frühzeitig aus, konnte allerdings die Genugtuung mit nach Hause nehmen, einen Schlag weniger gebraucht zu haben als sein Idol Tiger Woods. Schmid hatte jedenfalls angekündigt, nach Abschluss seines Studiums zu den Profis wechseln zu wollen.
Obwohl sich Sandra Gal, Jahrgang 1985, und Caroline Masson, Jahrgang 1989, in den letzten Jahren regelmäßig unter den Top 100 der Ladies-Weltrangliste platzieren konnten, wurde dies in der hiesigen Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen. Zumal Sandra Gal im Jahr 2019 mit vielen Verletzungen zu kämpfen hatte, was zur Folge hatte, dass sie in dem Anfang September 2020 veröffentlichten Ranking auf Rang 202 zurückgefallen war – während sich Caroline Masson immerhin auf einem beachtlichen Rang 34 wiedergefunden hatte. Doch alles wurde überstrahlt von Sophia Popov, die sich dank ihres sensationellen Sieges bei den British Open vom 20. bis 23. August im schottischen Royal Troon Golf Club von Rang 304 auf Position 24 hochkatapultiert hatte. Und nebenbei ein Preisgeld von 670.000 Dollar einstreichen konnte, mehr als das Sechsfache dessen, was die 27-Jährige bislang in ihrer gesamten Profi-Laufbahn verdient hatte. Popov, die in Boston geboren wurde, in Baden-Württemberg aufwuchs und ein Kommunikationsstudium absolviert hat, ist ein unglaublicher Coup gelungen. Denn noch niemals zuvor hatte eine deutsche Spielerin dieses traditionsreiche Major-Turnier für sich entscheiden können – überhaupt noch nie zuvor konnte eine Spielerin mit deutschem Pass eines der 290 seit 1930 ausgetragenen Major-Turniere auf Platz eins beenden.
670.000 Dollar Prämie für Popov
Es war ein veritables Sportmärchen, denn 2019 wollte Popov ihre Karriere eigentlich ad acta legen, weil sie aufgrund einer rätselhaften Krankheit immer wieder sportliche Rückschläge erlitten und dadurch die Startberechtigung für die höchste Turnierserie, die amerikanische LPGA-Tour, verloren hatte. Nach zahllosen Arztbesuchen konnte endlich die Diagnose Lyme-Borreliose diagnostiziert werden, eine durch Zecken übertragene Krankheit. Auf dem Wege der Genesung kämpfte sie sich über zweit- oder drittklassige Turnierserien langsam wieder nach oben und hatte vor den British Open das Glück, dass sie wegen Absagen einiger gesetzter Spielerinnen und überstandener Qualifikation an diesem traditionsreichen LPGA-Turnier teilnehmen durfte. Einen Major-Sieg hätte sie nicht einmal im Traum für möglich gehalten. Caroline Masson rundete als Siebtplatzierte den gloriosen deutschen Erfolg bei den British Open 2020 ab. Popov hofft, dass der Rummel um ihre Person dem deutschen Damengolf endlich einen Schub nach vorne bescheren wird. Mit der blutjungen Esther Henseleit, Jahrgang 1999, steht ein Riesentalent in den Startlöchern. Sie wurde jüngst zu Europas bestem Rookie gekürt und hat es in der Weltrangliste schon bis auf Rang 129 geschafft. Womöglich wird sie für die Olympischen Spiele 2021 nominiert werden.