Wer aus Schnittlauch Puppenlocken formen, in störrisches oder glattes Haar Wellen und Volumen fönen will, ist mit dem Dyson Airwrap gut bedient. Was das High-End-Gerät kann und wo seine Grenzen liegen, zeigen der Selbstversuch und ein Profi-Test bei der Friseurin.
Wusch, die Strähne wirbelt um die Spitze des Fönstabs herum. Der Luftstrom des Geräts saugt die Haare an und zieht sie um den Lockenaufsatz. Hat Friseurin Elif Akar den Dyson Airwrap in der Hand, kann ich dem Geschehen mit Heißluft, Automatik-Lockenwickler und dem richtigen Handling im Spiegel prima zusehen. Das geht beim Do-it-yourself-Styling längst nicht so gut. Da bin ich zu sehr damit beschäftigt, Strähne für Strähne meines Haares in Puppenlöckchen zu verwandeln. Ein Mädchentraum wird wahr, aber der Fokus liegt zu Hause mehr auf dem Styling als auf der Prozessbeobachtung.
Für den Test des Fönstabs unter Profi-Bedingungen habe ich Elif Akar vom Berliner Salon „Safe Cut" ums Ausprobieren und ihr Feedback gebeten. Denn bei aller Liebe zur RauschegoldEngellocke, Big-Hair-Fönfrisur oder geglätteter Mähne bleibt die nicht unerhebliche Frage: Ist der Airwrap die vom Hersteller aufgerufenen rund 480 Euro für Gerät und Aufsätze wert? Der Effekt ist allerdings augenfällig, wie ich feststellen durfte. Zweimal kurz nacheinander liefen mir Freundinnen mit beeindruckend gut gemachten Haaren über den Weg. Beide sahen perfekt gestylt aus. Ich vermutete, sie kämen direkt vom Friseur. Aber so war es nicht. Die eine Freundin hatte sich einen Airwrap zugelegt und zeigte spiralige Locken in schwarzer Pracht, frisch aus dem heimischen Badezimmer. Die andere Freundin hatte das Gerät zum Geburtstag geschenkt bekommen und selbst Hand an Rundbürste und ihr dickes, dunkles Haar gelegt. Das Ergebnis: Big Hair der 1980er-Jahre mit „Dallas"-Mähnen-Anklängen. Aber auf eine gute Art.
Wenn Freundinnen unterschiedlichen Alters, mit unterschiedlicher Haarstruktur und mit sehr unterschiedlicher Leidenschaft fürs Styling ihre Frisuren so professionell hinbekommen, muss das Gerät taugen. Oder? Locken drehen, weiche Wellen bürsten und Haare glatter föhnen sind jedenfalls die drei Kernkompetenzen des anthrazit-pinkfarbenen Fön-Stabs. So der Hersteller. „Es funktioniert sehr gut", sagt auch Elif Akar, die mich im Kreuzberger „Safe Cut"-Salon stylt. „Die Locken föhnen sich von selbst in die Haare. Das ist anders als bei einem Lockenstab." Das Ansaugen und Quasi-Selbstaufwickeln der Strähnen ist dem sogenannten Coanda-Effekt zu verdanken. Ein physikalisches Phänomen: Er entsteht, „wenn ein Luftstrom mit hoher Geschwindigkeit an einer nahen Oberfläche entlangfließt", erklärt das Unternehmen. Durch die Druckunterschiede an den Oberflächen zieht es die Haare um den Lockenaufsatz. Sechs Jahre lang befasste sich ein Team aus Ingenieuren und Haarwissenschaftlern damit, den Airwrap als einfach handhabbares und praktisches Produkt für die Kundinnen zu entwickeln, verrät Dyson.
Krauses Haar wird geschmeidig
Ein weiterer wichtiger Unterschied zum Lockenstab: Der Airwrap arbeitet zwar mit einem starken Luftstrom, aber nicht mit extremer Hitze, mit nicht mehr als 120 Grad Celsius. Das empfindet auch Elif Akar als angenehm. Der Klick auf die Abkühl-Taste nach jeder Strähne tut ein Übriges. Die Friseurin empfiehlt dennoch „immer, wenn viel Wärme ans Haar kommt", sicherheitshalber ein Hitzeschutz-Spray oder -Öl zu verwenden. Gut zu wissen! Ich habe bei meinen eigenen Styling-Versuchen auf einen Schaumfestiger fürs feuchte Haar gesetzt, damit aus Schnittlauch- Rauschegold-Engellocken werden. Bei all dem Haar-Gewickel habe ich gut zu tun, meine knapp schulterlangen Haare portionsweise ordentlich abzuteilen, wegzuclippen und am Aufsatz einzufädeln. Ein bisschen mehr Länge wäre schön! Das heißt im Umkehrschluss: Bei kinnlangem Haar macht ein Airwrap nur wenig Sinn. Es bleibt einfach zu wenig Länge, mit der frau mehr machen kann als Föhnen. In der cognacfarbenen Aufbewahrungsbox mit dem Zubehör gibt es zwei unterschiedliche Locken-Aufsätze in jeweils Rechts- und Links-Herum-Ausführung. Damit können „richtig" symmetrisch um das Gesicht fallende Locken kreiert werden. Ich nutze die Aufsätze mit dem kleineren Durchmesser von 30 Millimetern, die in der Produktbeschreibung „voluminöse Locken für feines, kraftloses Haar" versprechen. Klappt ausgesprochen gut und wird noch besser, wenn hinterher mit Haarspray fixiert wird. Ewig hält aber auch das nicht. Meine feinen Haare fahren am besten mit einem anlassnahen Styling kurz vor dem Außer-Haus-Gehen. Wer von Hause aus mehr Volumen, dickeres und kräftiges Haar oder Locken hat, ist mit dem größeren 40-Millimeter-Aufsatz besser bedient. Seine Grenzen findet der Airwrap bei den Locken allerdings bei sehr dickem und sehr langem Haar. Die Locken hängen sich – reine Physik – schnell aus. Elif Akar würde in diesen Fällen zum klassischen Lockenstab raten. Der arbeitet mit bis um die 200 Grad Celsius näher und heißer am Haar, formt aber haltbarere Locken.
Wie es oft so ist: Wer Locken hat, will klarer definierte. Meist aber doch lieber glattes Haar. Bei Letzterem kann der Airwrap mit der „festen Smoothing-Bürste", wie Dyson die graue Halbrund-Bürste mit den „kugelfreien" Borstenspitzen nennt, sein Werk tun. Sie wurde entwickelt, um „widerspenstiges, krauses, gröberes Haar zu bändigen und ein geschmeidigeres Styling zu kreieren." Wer weicheres und weniger voluminöses Haar hat, nutzt besser die halbrunde mit den pinkfarbenen, runden Spitzen, die mehr Spannkraft erzeugen soll. Und wer überhaupt erst einmal Wellen in noch feinerem Haar formen will, greift auf die mitgelieferte Rundbürste zurück. Die Freundin mit der „Dallas"-Mähne schätzt ebenfalls diesen Aufsatz. Sie spricht von „dickem, störrischem Haar" auf ihrem Haupt. Nicht wirklich glatt, aber auch nicht wirklich gewellt. „Als Rundbürsten-Dilettantin finde ich es gut, dass ich die Haare beim Föhnen nicht verheddern kann." Sie findet die Handhabung, im Gegensatz zum getrennten Bürsten-und-Föhn-Handling, deutlich einfacher. „Zwei Hände und nur ein Gerät, das bekomme ich intellektuell und praktisch hin." Sie nutzt zwei Aufsätze nacheinander. Auf das Föhnen folgt das Gewickel mit einem Lockenaufsatz. „Ich setze möglichst weit oben an, damit es sich nicht so rasch aushängt."
Ganz gleich, was obenauf steckt: Der Airwrap misst mit. Eine „intelligente Temperaturregulierung" sorgt laut Dyson dafür, dass die Wärme konstant bleibt: „Ein Glasperlen-Sensor misst die Temperatur der austretenden Luft über 40-mal pro Sekunde und überträgt die Daten an den integrierten Mikroprozessor." Die Luft sirrt. Das fällt nicht so auf, wenn frau zu Hause allein vor sich hinstylt. Für die professionelle Friseurin wäre der nicht gerade leise und durchdringende Sound allerdings ein Ausschlusskriterium. Ebenso das Gewicht des Geräts: „Nach ein paar Minuten wird es schwer in der Hand", sagt Elif Akar. Ein Grund, weshalb Profis etwa extraleichte Föhne im Salon in Gebrauch haben.
Und um der ganzen Wahrheit Genüge zu tun: Das DIY-Styling mit dem „Locken-Magneten" dauert bei mir zu Hause als durchschnittlich talentierter Laiin zwar nur 20 Minuten. Da spielen die – je nach Aufsatz – um die 600 Gramm in der Hand bei einmaliger Nutzung am Tag nicht wirklich eine Rolle. Aber wenn’s so richtig fix gehen muss, funktioniert der Airwrap mit dem ellipsenförmigen Wind-Aufsatz einfach auch als superschicker Fön. Die Haare werden zügig trocken. Die drei Stufen in drei unterschiedlichen Intensitäten vermeiden Wüstentemperaturen mit knacktrockener Hitze.
Vergleichbare Produkte
Bei allem Spaß beim Ausprobieren des erfolgreichen Premiummodells aus dem Hause Dyson sollte nicht vergessen werden: Auch andere Firmen haben schöne Geräte. Philips schickt beispielsweise ein Style-Care-Set mit automatischem Lockenstab und elektrischer Glättbürste in einer Box für um die 200 Euro ins Rennen um die Gunst der Anwenderinnen. Der Babyliss Pro Miracurl mit der Anmutung einer elektronischen Spaghettieis-Presse ist dagegen ein monothematisches Gerät mit drei Temperaturstufen und mehreren automatischen Timing-Möglichkeiten fürs Locken-Machen mit Einzug. Der Pro Miracurl ist ebenfalls in einer Steam-Tech-Variante mit Dampffunktion für mehr Glanz erhältlich. Der Preis ist mit ab etwa 90 Euro moderat.
Die Nähe zum Dyson ist beim Rowenta Multistyler Elite CF 4132 farblich nicht zu übersehen. Das schwarze Basisgerät verfügt über 14 pink akzentuierte Aufsätze für zwei verschieden große Locken-Varianten, ein Glätteisen, Wellen-, Bürsten- und Spirallockenaufsätze und Klammern, kostet aber nur um die 40 Euro. In einer ähnlichen Liga spielt der Remington S 8670 Multistyler. Er ist für ebenfalls ab etwa 40 Euro erhältlich. Gänzlich in Schwarz gehalten ist er mit einer wendbaren Stylingplatte zum Glätten und Kreppen, einem 19-mm-Lockenstabaufsatz sowie einem aufschiebbaren Rundbürsten- und einem Spirallockenaufsatz ausgestattet. Zusammengefasst heißt das: Der im Herbst 2018 auf den Markt gebrachte Airwrap ist definitiv ein High-End-Gerät mit allem Drum und Dran. Die Verarbeitung der einzelnen Teile wirkt hochwertig und haltbar. Auf ihn beziehen sich mehr oder weniger unübersehbar die anderen Anbieter. Je spezifischer und singulärer die Funktionen, desto preiswerter sind die Alternativen.
Fazit: „Die Föhnlocken sehen toll aus", sagt Friseurin Elif Akar. Das finde ich auch. „Es ist ein Gerät, das mir auch ohne großes Styling-Talent ermöglicht, beinah so gut auszusehen als käme ich vom Profi", sagt die Rundbürsten-Freundin. Im Airwrap-Koffer ist genügend Spielzeug für die ambitionierte Laien-Stylistin, um verschiedenste Looks auszuprobieren und Styling-Methoden zu kombinieren. Die Technik mit ihrer haarschonenden Luftstromführung scheint zwei Jahre nach dem Launch immer noch einzigartig, durchdacht und solide. Das Stylen macht Spaß und funktioniert nicht nur bei der Heavy-Userin, sondern auch bei der ungeübten Anwenderin rasch, unfallfrei und effektvoll. Ob sich der Airwrap lohnt? Die Entscheidung wird davon abhängen, wie viel Komfort und Vollständigkeit fürs Home-Styling gewünscht sind. Sowie von der Anwendungshäufigkeit, der Lust auf Marke und auf ein schmuck gestaltetes Produkt, das beim Anschauen was hermacht.