Solange es bedeckt ist und Regen fällt, fragt kaum einer danach. Aber kaum ist es eine Woche trocken und schön, stellt sich jeder die Frage, ob wir jetzt die große Dürre erleben. Was da wirklich auf uns zukommt, weiß Dr. Jörg Rechenberg vom Umweltbundesamt, Fachgebiet Wasser und Boden.
Herr Rechenberg, im dritten Jahr regnet es zu wenig in Deutschland. Ist es schon so trocken, dass das Wasser knapp wird?
Aufs Ganze gesehen eher nicht – das verfügbare Wasserangebot liegt in Deutschland im langjährigen Mittel bei 188 Millionen Kubikmetern. Davon entnimmt die öffentliche Wasserversorgung 2,8 Prozent. Gleichwohl war es in bestimmten Regionen wie zum Beispiel im Nordosten (Brandenburg, Sachsen-Anhalt, unter anderem) extrem trocken. Der April war der dritttrockenste seit Menschengedenken, da fiel an vielen Messstationen gar kein messbarer Regen. Auch der Mai war zu trocken. Die Böden, die im nassen Februar einiges an Wasser erhalten hatten, trockneten wieder aus.
Ist das noch Wetter oder ist das schon der Klimawandel?
Es sind keine Wetterkapriolen mehr. Wir sehen in der Trockenheit schon einen vom Klimawandel, insbesondere dem Temperaturanstieg beeinflussten Trend, der einhergeht mit extremen Niederschlägen und heftigen Gewittern. Bei Extremereignissen wie Starkregen ist es schwieriger, einen Zusammenhang herzustellen: Die Zuordnung eines Einzelereignisses zu einem Trend ist wissenschaftlich schwierig, da die „normale" Variabilität des Wetters sehr hoch ist. Doch die gestiegene Summe an Extremereignissen, die wir in den letzten Jahren beobachten, weist deutlich auf Effekte des Klimawandels hin. Beim Hitzesommer 2018 besteht eindeutig ein Zusammenhang mit der globalen Erwärmung: Durch die zu hohen Temperaturen am Nordpol wird der Jetstream, der Höhenwind, der rund um den Globus weht, abgeschwächt. Dadurch können sich die Hoch- oder Tiefdruckzonen, die er bringt, länger halten. Im Sommer 2018 konnten die Forscher das nachweisen. Nach einer 2019 veröffentlichten Untersuchung sind Hitzewellen inzwischen mindestens fünfmal wahrscheinlicher als im Jahr 1900.
Brauchen wir einen Wasserwirtschaftsplan?
Das Wasserhaushaltsgesetz enthält schon heute ein umfassendes Regelwerk für die Bewirtschaftung der Gewässer. Das betrifft sowohl die Wasserentnahmen als auch die Anforderungen an die Qualität der Gewässer. Jede Wasserentnahme muss genehmigt werden. Der mengenmäßige Grundwasserzustand, das heißt die Bilanz aus Entnahmen und Neubildung, wird alle sechs Jahre ermittelt und in Bewirtschaftungsplänen dokumentiert. Das nächste Mal 2021. In den Bewirtschaftungsplänen wird auch ermittelt: Wie hat sich der chemische und ökologische Zustand der Gewässer verändert? Welche Schadstoffe sind neu dazugekommen? Dennoch ist es sinnvoll, den neuen Herausforderungen – und dazu zählen natürlich in erster Linie der Klimawandel und seine Konsequenzen für die Wasserwirtschaft – mit einer Wasserstrategie zu begegnen.
Wie soll die aussehen?
Wir sind noch in der Vorbereitung. Aber da alle Wassernutzungen davon betroffen sein werden, haben wir zusammen mit dem Bundesumweltministerium über zwei Jahre lang einen sogenannten Wasserdialog mit allen Beteiligten geführt, um unter anderem über Wege zu einer effizienten Nutzung und gerechten Verteilung von Wasser zu diskutieren, wenn die Ressourcen knapper werden. Das muss zwingend auch die Bedürfnisse der Ökosysteme einbeziehen. Alle Gewässernutzer sind deshalb aufgefordert, die Wasserressourcen zu schonen, das heißt das entnommene Wasser so effizient und sparsam wie möglich zu verwenden und die Oberflächengewässer und das Grundwasser nicht zu verschmutzen.
Werden wir künftig immer öfter aufgefordert, Wasser zu sparen und unser Auto einmal nicht zu waschen?
Ja, das könnte passieren, wenn es zu örtlichen Engpässen kommt. Die Wasserversorgung ist eine kommunale Angelegenheit. Etwa 70 Prozent des deutschen Trinkwassers stammt aus Grund- und Quellwasser. Der Rest stammt aus Talsperren. Es gibt durchaus regionale Unterschiede, was die Verfügbarkeit von Rohwasser betrifft. Das liegt nicht nur an den vorhandenen Wassermengen, sondern am teils qualitativ schlechten Zustand der Ressourcen. In einigen Regionen können die Wasserversorger nicht auf genügend örtliche Ressourcen zugreifen, da dort die Nitratwerte zu hoch sind. Und eine Aufbereitung von nitrat-haltigem Grundwasser ist extrem teuer, was die Trinkwasserpreise in die Höhe treiben würde.
Hat die Trockenheit Auswirkungen auf die Qualität des Grundwassers?
Lang anhaltende Trockenheit kann nachteilige Auswirkungen auf die Grundwasserstände haben. So sind zum Beispiel 2018 und 2019 aufgrund der lang anhaltenden Trockenheit in einigen Regionen die Grundwasserstände deutlich zurückgegangen. Die Dürre kann die Qualität des Grundwassers beeinträchtigen. Weil die zu trockenen Kulturpflanzen bei ihrer Düngung nicht mehr in der Lage sind, die gesamten Düngemengen aufzunehmen, kann es zu einem Nährstoffüberschuss von Stickstoff und Phosphor kommen. Das führt zu einer stärkeren Nitratbelastung des Grundwassers.
Also müssen wir mehr gießen, mehr bewässern und auf einen richtigen Landregen hoffen?
Das alles hilft nur bedingt. In manchen Regionen sind die Böden bis in eine Tiefe von 1,80 Meter ausgedörrt. Selbst der regenreiche Februar hat nicht überall geholfen. In Thüringen, im südlichen Sachsen-Anhalt und in Teilen von Sachsen und Brandenburg blieb die Auffüllung unvollständig.
Meist kommt es mit der einsetzenden Vegetationszeit zu einem allmählichen Austrocknen des Bodens. In diesem Jahr traf aber ein sehr frühes Einsetzen der Vegetationsperiode bereits Mitte März mit einer niederschlagsarmen und sonnigen Phase zusammen. So waren die oberen Bodenschichten schon im April auffällig trocken. Es zeichnet sich deshalb ab, dass zukünftig in der Landwirtschaft mehr bewässert werden wird. Derzeit liegt die Wasserentnahme für die Agrarwirtschaft nur bei 1,3 Prozent der gesamten Entnahmemenge. Aber der Bedarf wird steigen. Was wir dringend bräuchten, ist aber auch eine andere Art der Landwirtschaft, die auf die Klimaveränderungen reagiert: Mulchsaat, und Pflugverzicht beziehungsweise konservierende Bodenbearbeitung können beispielsweise die Verdunstung reduzieren und haben weitere positive Wirkungen auf die Bodenfruchtbarkeit.
Auch durch Sorten und Kulturarten, die besser mit Trockenstress zurechtkommen, können Ertragsausfälle reduziert werden. Überhaupt kann durch eine größere Diversifizierung an angebauten Sorten und Kulturarten das Risiko starker Ernteeinbußen oder gar eines Totalausfalls deutlich reduziert werden.
Was können wir tun, um uns besser auf mögliche Dürreperioden vorzubereiten?
Eine an den Klimawandel angepasste Landwirtschaft bietet langfristig besseren Schutz gegenüber Extremereignissen wie Hitzewellen und Trockenheit: resistentere Obst- und Getreidesorten, schonendere Bodenbewirtschaftung, Anbau angepasster Arten.
Die Wälder sollten zu Mischwäldern umgebaut werden. Kiefern und Nadelbäume haben keine guten Chancen. In den Kommunen können Frischluftschneisen, Flächenentsiegelung und lokale grüne Infrastrukturen, wie Straßenbäume, Fassaden- und Dachbegrünungen für ein besseres Klima und weniger Wasserverbrauch sorgen.