Ein völlig derangierter Geschäftsmann und ein Greis kämpfen ums höchste Amt
Die erste Fernsehdebatte zwischen den US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten war schlimmer als gedacht. Das aggressive, durchweg respektlose und gleichzeitig erratische Verhalten von Donald Trump entsprach seinem Charakterbild und wurde durch einen hilflos agierenden Moderator verstärkt. Was die Menschen von ihm zu halten haben, wurde durch diese Aufführung bestätigt, und was sie für weitere vier Jahre zu erwarten hätten, ebenfalls.
Die Wahrnehmung Trumps stellt die Wahrnehmung seines Herausforderers Joe Biden manchmal ein wenig in den Schatten. Während der Debatte versuchte dieser, den ruhigen und seriösen Gegenpol zu spielen, bis auch ihm immer wieder der Kragen platzte. Dass diese Debatte als die schlimmste in der Geschichte präsidialer Debatten einging, muss niemanden mehr überraschen. Doch sie zeigte gleichzeitig die Grenzen eines 77-jährigen Kandidaten auf, der den Zenit seiner Kräfte überschritten hat, von dem man jetzt schon weiß, dass er maximal eine Amtszeit vor sich hat, und dem es nicht gelang, einen mehr als nur defensiven Eindruck zu machen.
Gleichzeitig wirft dieses Duell aber eine berechtigte Frage auf. Wie kann es sein, dass in den USA, einem Land mit fast 330 Millionen Einwohnern, in dem es – aller Kritik am antiquierten politischen System zum Trotz – eine Vielzahl außerordentlicher politischer Talente gibt, sich am Ende ein völlig derangierter, gescheiterter Geschäftsmann und ein Greis als Alternativen gegenüberstehen?
Sicher, es gibt noch andere „Third party“-Kandidatinnen und -Kandidaten, aber diese spielen keine Rolle – von regionalen Ergebnissen vielleicht einmal abgesehen. Das politische Zweiparteiensystem und die Art und Weise, wie die Kandidaten aufgestellt werden, offenbart ein Problem: Aufgrund der Verengung auf nur zwei Personen ist es fast schon Glückssache, wenn sich zumindest einer als halbwegs ordentlicher potenzieller Staatslenker entpuppt.
Es hilft nicht, wenn die beiden großen Parteien in sich eine starke Binnendifferenzierung haben, die sich letztlich nur in den Vorwahlen ausdrückt. Der Druck zur Einigkeit ist stark, wenngleich er bei den Demokraten durch Kandidaten wie Bernie Sanders eine Weile konterkariert wurde. Früh einigte man sich auf das kleinste gemeinsame Übel, das in diesem Jahr gegen das größte gemeinsame Übel der Gegenpartei antritt.
Zunehmende Teile der US-amerikanischen Wählerschaft sind daher gezwungen, aus der Not heraus Kandidaten zu unterstützen, für die sie bei einer größeren Auswahl ihre Stimme gewiss nicht gegeben hätten. Pluralismus findet daher nur im Kongress statt, und dessen Dysfunktionalität hat sich während der Regierungszeit von Trump in mehrfacher Hinsicht bewiesen.
Immer wieder hört man aus den USA Stimmen von moderaten Republikanern und linken Demokraten, dass die Ära nach Trump jene sein müsse, in der man die eigenen Parteien neu aufstellen müsse, die Verfahren überdenken, die politische Ausrichtung schärfen und den Millionen von US-Dollar kostenden Wahlkampf reformieren müsse. Diese Rufe sind zuletzt drängender geworden.
Gleichzeitig drängt sich jedoch der Eindruck auf, dass dafür die notwendige politische Energie nicht vorhanden zu sein scheint. In dem Moment, da ein Biden gewinnt, wird der Wahlkampf für seine Vizepräsidentin Harris beginnen, und bei den Republikanern scheint eine Trump-Dynastie in den Startlöchern zu stehen. Eine echte Auswahl von vorne, ein grundsätzliches neues Überlegen, was in den USA so falsch läuft, dass Trump und Biden das Beste zu sein scheinen, was dieses Land noch fertigbringt, steht dann unter keinem besonders guten Vorzeichen.
Hoffnungsvolle Demokraten weisen darauf hin, dass 2026 die aufstrebende und links der Mitte sehr beliebte Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez ein präsidiales Alter erreichen werde. Sollte sie ihren Sitz im Repräsentantenhaus überzeugend verteidigen, wird sich das Augenmerk gewiss auf sie richten. Gleichzeitig erscheint es aktuell eher unwahrscheinlich, dass sie bereits in vier Jahren gegen eine Kandidatin Kamala Harris antreten wird.