Union Berlin werden inzwischen sogar schon Fragen gestellt, ob ein Punkt bei Schalke 04 nicht zu wenig sei. Das beweist die positive Entwicklung des Clubs. Doch es gibt Ärger abseits des Platzes.
Wer das vor zwei Jahren vorausgesagt hätte, wäre wohl von niemanden ernst genommen worden: Union Berlin reiste am vierten Spieltag als leichter Favorit zu einem Auswärtsspiel bei Schalke 04 an, dem einstigen Dauergast in der Champions League. Dass die Eisernen nicht zufällig in diese Rolle geschlüpft sind, zeigte dann auch das Spiel. Beim 1:1 waren die Berliner dem Sieg einen Tick näher als die kriselnden Schalker. „Das war ein sehr gutes Auswärtsspiel, Schalke hatte fast keine Torchancen", sagte Abwehrspieler Marvin Friedrich, der die Berliner mit einem Kopfballtor in Führung gebracht hatte. „Ich finde", ergänzte der Ex-Schalker, „dass wir die bessere Mannschaft waren und hätten gewinnen können."
Auch Trainer Urs Fischer sah minimale Vorteile für sein Team, doch sich über den verpassten Sieg zu ärgern, wäre dann doch etwas vermessen, fand der Schweizer: „Ich ärgere mich nicht. Wir freuen uns über einen verdienten Punkt." Fischer versuchte, die durch den guten Saisonstart gestiegene Erwartungshaltung etwas zu korrigieren: „Wir müssen nach wie vor hart um jeden Punkt kämpfen."
Genau das erwartet der Coach auch beim Heimspiel am Samstag (24. Oktober um 15.30 Uhr) gegen den SC Freiburg: „Das wird zu Hause eine ganz schwere Aufgabe." Innenverteidiger Friedrich erwartet einen „harten Abnutzungskampf", auch Kapitän Christopher Trimmel schätzt die kampfstarken Breisgauer hoch ein: „Freiburg kommt mit sehr viel Mentalität, mit sehr viel Biss."
Gleiche Qualitäten haben aber auch die punktgleichen Unioner in dieser Saison gezeigt. Außerdem sind die Standards weiterhin eine Waffe bei den Rot-Weißen. Der Mann der ruhenden Bälle ist Trimmel, der nach vier Spielen schon wieder drei Torvorlagen auf dem Konto hat. Auch Friedrichs Führungstreffer auf Schalke bereitete der Österreicher mit einer gefühlvollen Flanke nach einer Ecke vor. „Er bringt die Flanke punktgenau", sagte Friedrich. „Sein rechter Fuß ist echt stark." Trimmel wollte das ganze Lob aber nicht nur für sich einheimsen. „Ich weiß, dass unsere Spieler in den Raum reinsprinten", sagte er. Seine Aufgabe sei es eigentlich nur, „den Ball da hinzubringen". Fischer freute sich, dass diese Automatismen im Spiel funktionieren: „Natürlich üben wir solche Situationen im Training."
Fischer ist sehr auf Eingespieltheit bedacht, neue Spieler beordert er nur mit Bedacht in die Mannschaft. Deshalb konnte Torhüter Loris Karius auch nicht Andreas Luthe im Union-Tor verdrängen. Jedenfalls noch nicht. „Andi hat in den vergangenen vier Spielen sehr gut gehalten. Deshalb habe ich mich für ihn und nicht gegen Loris entschieden", begründete Fischer. Dass Karius, die Leihgabe des englischen Meisters FC Liverpool, damit ein Problem hatte, verhehlte der Trainer nicht: „Loris ist sicher damit nicht zufrieden, aber das ist auch gut so."
Während Karius über seine Rolle als Bankdrücker nicht sprechen wollte, zeigte sich Luthe „erfreut" über seinen Einsatz. Den Ball beim Gegentor nach einem Kopfball des Schalkers Goncalo Paciencia konnte er zwar nicht halten, aber vielleicht hätte Luthe einen Mann am kurzen Pfosten postieren müssen. Ansonsten war der Ex-Augsburger weitestgehend so beschäftigungslos wie Karius auf der Bank. Ein Problem mit seinem Konkurrenten sieht Luthe nicht. „Ich schätze ihn als Torhüter, er ist auch ein sehr guter Kollege", sagte er. Generell gehe es in der Bundesliga darum, „den bestmöglichen Kader zu haben", so Luthe, „und den haben wir auf der Torhüter-Position". Karius hatte bei seiner ersten Medienrunde deutlich betont, sein Anspruch sei es, „hier zu spielen". Er hätte auch in Liverpool bleiben können, aber er wolle „Woche für Woche im Tor stehen". Deswegen riet ihm auch Teammanager Jürgen Klopp zu einem Wechsel auf Leihbasis zu Union. „Er hat gesagt, dass es ein guter Schritt ist und dass ich die Chance habe, mich hier auszuzeichnen", verriet Karius.
„Das war nicht die cleverste Aktion von Max"
Der 27-Jährige ist also nicht nach Köpenick gekommen, um hier dauerhaft auf der Bank zu sitzen. Im Umkehrschluss dürfte ihm Union dies auch nicht signalisiert haben. Deshalb betonte Sportchef Oliver Ruhnert: „Der Zweikampf ist offen." Es sei „eine Entscheidung für dieses Spiel" gewesen, bei der auch die Trainingseindrücke eine Rolle gespielt hätten. „Das entscheidet aber der Trainer", sagte Ruhnert, „da mische ich mich nicht ein."
Wo sich Ruhnert aber eingemischt hat, war beim ersten großen Aufreger durch den schillernden Neuzugang Max Kruse. Im Vorfeld des Schalke-Spiels hatte der Angreifer mit einem Poker-Abend in einer Shisha-Bar für viel Wirbel gesorgt. Auf seinem Instagram-Account hatte der Fußballprofi ein Video gepostet, auf dem er einen Bündel 50-Euro-Scheine von der Bank abhebt und sich dann an seine 360.000 Follower wendet. Jeder könne ihm privat eine Nachricht schreiben, dass er besser im Magic Towers (digitales Kartenspiel) sei. Er werde dann „ein paar Leute einladen", und wer ihn schlage, bekomme „mindestens 50, 100 Euro". Und so kam es dann auch. Kruse lud ein paar junge Männer („die die größte Klappe haben") in eine Shisha-Bar ein und zockte mit ihnen an einem digitalen Kartentisch. Zumindest auf den Bildern, die Kruse online stellte, trug keiner eine Maske, die Abstände waren nicht sonderlich groß. Damit verstieß Kruse rein formal gegen die Hygieneauflagen der Deutschen Fußball Liga (DFL), die den Spielern angesichts der deutlich erhöhten Corona-Fallzahlen „Kontakte zur Nachbarschaft oder zur Öffentlichkeit" untersagen. „Ich habe es nicht mitbekommen, aber davon gehört", sagte Fischer zu dem Vorfall. Der Schweizer berichtete von einer Ansprache durch Ruhnert. Dieser habe intern nochmals darauf hingewiesen, „dass wir uns wirklich an die Regeln halten müssen. Dass wir dem Pandemie-Level gerecht werden müssen", verriet Fischer. Es braucht nicht viel Fantasie dafür, dass Kruse besonders ins Gebet genommen wurde. „Das war nicht die cleverste Aktion von Max", sagte auch Teamkollege Friedrich. Der Innenverteidiger betonte aber, dass es innerhalb der Kabine „kein großes Thema" gewesen sei. Ruhnert wählte nach dem Schalke-Spiel deutliche Worte Richtung Kruse: „Wir wollen diese Aktionen nicht, wir finden sie auch falsch." Im Rahmen der Berliner Corona-Verordnung habe sich der Profi aber korrekt verhalten, betonte Ruhnert: „Er hat sich mit vier Leuten an einen Tisch gesetzt und sich im Rahmen der Bestimmungen bewegt." Und zwar so, „wie sich jeder Normalbürger bewegen darf", meinte Ruhnert. Als Vorbild taugte Kruse zumindest in diesem Fall aber nicht.