Mario Götze und Mesut Özil waren einst gefeierte Stars. Während Özil bei Arsenal festhängt, versucht Götze in Eindhoven zu retten, was zu retten ist.
Es gibt Dinge, die lesen sich nicht nur wie eine Ohrfeige, sondern sie fühlen sich auch so an. So stellte Bayerns Sportdirektor Hasan Salihamidzic kürzlich klar, dass Mario Götze „wirklich ein guter Junge ist" und man ihn im Club auch sehr möge. Allerdings machte er auch keinen Hehl daraus, dass Götze „sportlich kein Thema war". Nach den vergangenen Jahren ist es wohl die bittere Erkenntnis, dass Mario Götze nicht mehr gut genug ist für den FC Bayern. Viel war um die Zukunft des WM-Helden von 2014 diskutiert worden, für den es bei Borussia Dortmund keinen Platz mehr gab. Bayern? Leverkusen? Hertha? Am Ende wurde es PSV Eindhoven in Holland. Dort freut man sich über den Neuzugang. „Ich bin glücklich, dass ich mit ihm in einer Mannschaft spielen darf. Mario wird uns mit seiner Klasse auf ein anderes Level bringen", sagte sein künftiger Mitspieler Philipp Max im „Kicker"-Interview. „Er ist einer der besten deutschen Spieler der vergangenen Jahre, auch wenn er zuletzt einen schweren Stand hatte. Sein Tor im WM-Finale 2014 bleibt allen Fußball-Fans im Kopf, hier löste sein Name Euphorie aus. Wir sind unglaublich gespannt auf die Spiele mit ihm."
Aus Dortmund hatte sich Götze zuvor mit einem emotionalen Post auf seinen Social-Media-Kanälen verabschiedet. „Ich wollte mich von meinem Jugendverein und dessen Fans verabschieden. Auch wenn wir uns alle die zweite Zusammenarbeit anders vorgestellt haben, war ich immer froh und stolz, das Trikot von Borussia Dortmund tragen zu dürfen. Dem Verein, meinen Mitspielern und den Fans habe ich sehr viel zu verdanken."
Kein Platz für Götze in der Bundesliga
In der Tat ging Götzes Stern beim BVB auf, der ihn mit seinem Siegtor im WM-Finale gegen Argentinien auf den Fußball-Thron hob. Doch dieses Tor liegt lange zurück. Ebenso wie die Aussage des Bundestrainers Joachim Löw: „Zeig der Welt, dass du besser als Messi bist." Doch während Messi immer noch bei Barça kickt, sank Götzes Stern langsam aber sicher. Bei den Bayern fand er sich alsbald auf dem Abstellgleis wieder. Und auch seine Rückkehr zum BVB machte ihn nicht glücklich. Er musste froh sein, dass sich dann doch noch ein Trainer an ihn erinnert hat. Vor rund acht Wochen machte ihm PSV-Trainer Roger Schmidt in einem einzigen Gespräch klar, was er mit Götze vorhat. Nach dem Motto: „Wenn du Lust auf Fußballspielen hast, dann komm gern zu uns." Offenbar hat Schmidt damit Götzes Nerv getroffen. Denn am letzten Tag der Transferfrist in den Niederlanden unterschrieb Götze tatsächlich in Eindhoven. Ein Schritt, der letztlich auch die Verantwortlichen im Verein selbst positiv überrascht hat. Aber die Transferaktivitäten in Deutschland verliefen alle im Sande. Neben Hertha BSC soll Bayer Leverkusen starkes Interesse gezeigt haben, doch der Deal scheiterte aufgrund eines jungen Spielers im Kader von Bayer 04: Florian Wirtz. Der 17-Jährige könnte für die Leverkusener so etwas wie der neue Kai Havertz werden, spielt bereits in der U21-Nationalmannschaft und stand bereits in 13 Partien für das Leverkusener Profiteam auf dem Platz. „Wir haben auf der Position von Götze den jungen Wirtz", sagte Trainer Peter Bosz fest. Frei übersetzt heißt das: Wirtz gehört die Zukunft, während der 28-Jährige nicht mehr als ein Platzhalter gewesen wäre.
Götze war gut zwei Monate vereinslos. In dieser Zeit hat es viele Gespräche gegeben. „Ich hatte mit diversen Trainern und Vereinen Kontakt", verriet er. „Es gab aber auch viele Gerüchte." Bei Hertha BSC Berlin war man sich offenbar nicht ganz sicher, ob Preis und Leistung in einem gesunden Verhältnis stehen. Denn eines ist Götze immer noch: selbstbewusst. „An meinen Ambitionen hat sich nichts geändert", sagte der 28-Jährige bei seiner Vorstellung. Vor einigen Wochen steckte er sich hohe Ziele: Er wolle noch mal die Champions League gewinnen. Eindhoven spielt immerhin international – allerdings nur in der Europa League. Auch mit dem Nationalteam hat der WM-Held von 2014 noch nicht abgeschlossen. „Auf jeden Fall denke ich noch ans Nationalteam. Ich bin 28", lautet seine Ansage an den Bundestrainer.
Immerhin diese Ambition hat Mesut Özil nicht mehr. Der frühere Nationalspieler macht derzeit mehr mit politischen Stellungnahmen auf sich aufmerksam. Er gilt als Anhänger des türkischen Präsidenten Erdogan. Sportlich spielt er schon lange keine Rolle mehr in England. Özil war kürzlich von Arsenals Teammanager Mikel Arteta nicht für den Europa-League-Kader der Engländer nominiert worden. Seit Monaten hat der 31-Jährige bei Arteta einen schweren Stand. Seinen bislang letzten Einsatz für Arsenal bestritt der 92-malige Nationalspieler Anfang März noch vor der Corona-Unterbrechung. Der Vertrag des früheren Schalker und Bremer Bundesligaspielers läuft am Saisonende aus. Der Club will den Spitzenverdiener der Mannschaft – Özil kassiert 350.000 Pfund pro Woche – schon seit Monaten abgeben, allerdings scheiterten diese Bemühungen bislang an Özils Ablehnung eines vorzeitigen Vereinswechsels. Özil, der einst zu den besten Kickern der Welt gehörte, lässt seine Karriere wohl ausklingen. Sein früherer Mitspieler Per Mertesacker vermutet: „Abseits des Feldes hat sich viel verändert. Er hat geheiratet, hat eine Familie. Vielleicht haben sich die Schwerpunkte verändert", sagte er im Podcast „Kick&Rush".
Eine Rückkehr zu den Bayern stand nie zur Debatte
Bei Arsenal kommt dieses Verhalten nicht gut an. Kürzlich kam auch noch heraus, dass dem gebürtigen Gelsenkirchener ein weiterer Bonus von rund neun Millionen Euro zusteht, dafür, dass er im Verein bleibt. Für den durch die Corona-Pandemie schwer angeschlagenen Verein, der sogar schon einige Mitarbeiter entließ, ein weiterer finanzieller Schlag. Den Bonus hat sich Özil bei seiner Vertragsverlängerung 2018 im neuen Kontrakt verankern lassen. Ursprünglich sollen sich die „Gunners" durch die Klausel gegen mögliche Interessenten abgesichert haben wollen. So galt Özil vor zwei Jahren noch als Schlüsselspieler unter dem damaligen Trainer Arsene Wenger. Die Talfahrt von Mesut Özil besorgt mittlerweile sogar seinen früheren Mentor. In einem Interview mit der „Welt am Sonntag" bezeichnete die französische Trainer-Ikone die seit Monaten bestehende Zuschauerrolle des Weltmeisters von 2014 bei den „Gunners" als „eine Verschwendung, für ihn und für alle, die Fußball lieben. Er ist einer der ganz Großen. Leute gehen ins Stadion, um Spieler wie ihn zu sehen". Wenger hatte den Deutsch-Türken 2013 gegen viele Widerstände von Real Madrid zu den „Gunners" geholt. „Er ist vom Radar verschwunden, als ich den Club verlassen habe. Er ist ein Künstler. Aber für Künstler ist kein Platz mehr im modernen Fußball. Die wahren Gründe, wieso er nicht da steht, wo er stehen müsste, sind mir ein Rätsel."
Ex-Coach Wenger: „Ich mag seine Entscheidung nicht"
Für Wenger war es ein Fehler, dass Özil 2018 nach der schwachen WM und dem Wirbel um sein Foto mit Erdogan aus dem Nationalteam zurückgetreten ist. „Ich habe es noch nie gemocht, wenn Spieler bei der Nationalelf hingeschmissen haben. Irgendetwas geht und stirbt dann in ihnen. Nachdem die Tür zu war, habe ich nur Spieler gesehen, bei denen es abwärts ging. Bei keinem ging es danach aufwärts. Ich mag seine Entscheidung nicht. Ich denke, sie war ein Fehler." In der vergangenen Woche ist Özil 32 Jahre alt geworden. Fest scheint zu stehen, dass er für Arsenal nicht mehr auflaufen wird. Mit 17 Jahren debütierte Özil 2006 für den FC Schalke 04 in der Bundesliga, im Februar 2009 feierte er als 20-Jähriger sein Nationalmannschafts-Debüt.
Im August 2010 wechselte Özil für 18 Millionen Euro von Werder Bremen zu Real Madrid, bevor er 2013 für 50 Millionen Euro Ablöse zu Arsenal London ging. „Es ist schon tragisch, wie seine Karriere verläuft. Özil war jahrelang ein überragender Fußballer. Aber es sieht aus, als ob er auf seine Rente wartet", sagte Arsenal-Legende Emmanuel Petit kürzlich der „Sport-Bild": „Es wäre ihm zu wünschen, dass er noch mal die Kurve kriegt – und seine Karriere würdig endet. Auf dem Rasen, nicht auf der Tribüne." Aber danach sieht es nun wirklich nicht aus.